Nach dem Ende ihrer Karriere zieht es viele Sportler bekanntlich als Experten vor die Kamera. Anni Friesinger, ihres Zeichen dreifache Olympiasiegerin, 16-fache Weltmeisterin und fünffache Europameisterin im Eisschnelllauf, hat nun sogar eine eigene Sendung bekommen. In der Vox-Reality "Real Cool Runnings" lässt sie neuerdings vier keniasche Langstreckenläufer ihre Laufschuhe gegen Schlittschuhe eintauschen. Es ist ohne Zweifel ein ambitioniertes Projekt, das Friesinger auf sich genommen hat. Und mit dem Eintauchen in fremde Welten passt es noch dazu ganz gut zum Dienstags-Sendeplatz, in dessen Mittelpunkt bislang vor allem Auswanderer standen.
Ganz ohne erhobenen Zeigefinger kann ein solches Format hierzulande aber offenbar nicht über die Bühne geben. Daher überrascht es kaum, dass sich "Real Cool Runnings" noch vor dem Start Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt sah. Doch wer die Premiere-Folge gesehen hat, wird das kaum unterschreiben können. Das Format spielt natürlich mit den Gegensätzen, ist aber weit davon entfernt, die Afrikaner der Lächerlichkeit preiszugeben. Selbstverständlich entstehen kuriose Situationen, wenn sie sich zum ersten Mal auf die Rollschuhe trauen. Mindestens genauso kurios wird's allerdings beim Besuch der Gastfamilien. Als der bayerische Familienvater die Ankömmlinge nach ihren Deutschkenntnissen befragt, verspricht dieser wohlwollend: "We learn you Bavarian!"
Und so lernen die Kenianer schnell, dass man sich im Freistaat mit einem zünftigen "Grüß Gott" willkommen heißt, was zwischenzeitlich im engsten Familienkreis die Frage aufkommen lässt, ob die Afrikaner überhaupt so etwas wie einen Gott kennen. Für so manchen Berufs-Empörer mag das nun natürlich Anlass genug sein, um doch wieder die Rassismus-Keule schwingen zu können, doch damit machen sie es sich zu leicht, schließlich können Vorurteile vor allem durch gegenseitiges Kennenlernen am besten abgebaut werden. Wer sich nie begegnet, wird nie die Chance erhalten, etwas über andere Menschen und ihre Kulturen zu erfahren. So gesehen trägt im Falle der neuen Vox-Sendung ganz sicher niemand einen Schaden davon.
In jedem Fall aber ist es spannend zu sehen, wie hier im wahrsten Sinne des Wortes zwei Welten aufeinanderprallen. Die afrikanischen Gäste lassen keine Zweifel daran, sich wie im Paradies zu fühlen. Bayerische Würste oder ein Bidet haben sie jedenfalls in ihrem Leben noch nicht gesehen. Von Schnee und Eis ganz zu schweigen - was der Sprecher aus dem Off dann auch immer und immer wieder aufs Neue betont. Tatsächlich lässt sich nach der ersten Folge von "Real Cool Runnings" nur schwer erahnen, wie aus den Kenianern einmal professionelle Eisläufer werden sollen. Ihr Mut, sich auf das Unterfangen einzulassen, ist jedoch bewundernswert. Anni Friesinger macht ihnen den Start allerdings so leicht wie möglich und hilft schon alleine mit ihrer offenen Art, die vermeintlichen Grenzen schnell zu überwinden.
Friesinger motiviert und strahlt - und hat sichtlich Spaß an ihrer neuen Aufgabe. Das alles wirkt sehr authentisch und macht "Real Cool Runnings" zu einem überraschend schönen Fernsehformat. Ob die Eisläufer aber auch das Zeug dazu haben, über neun Wochen hinweg das Publikum zu überraschen, steht auf einem anderen Blatt. Mitunter kommt die neue Sendung aus dem Hause Eyeworks nämlich ein wenig behäbig daher. Etwas mehr Tempo hätte sicherlich gut getan, doch noch besteht Hoffnung, dass "Real Cool Runnings" zusammen mit den Eisläufern in den kommenden Wochen Fahrt aufnehmen wird.