Forscher haben jetzt ein Medikament gefunden, das hilft gegen Krebs, AIDS und Fußpilz. Es ist sehr kostengünstig zu haben. Es kostet nur 1,25 Euro pro Monat. Wer das einnimmt, wird geheilt von allem, was ihn plagt. Danach ist alles besser. Für 1,25 Euro pro Monat wird das Leben so schön wie nie zuvor und das Verhältnis zu meinen Nachbarn, Mitschülern oder Arbeitskollegen wieder picobello. Klingt unwahrscheinlich? Nun ja, es ist auch unwahrscheinlich. Aber es sind genau diese Gedanken, die in mir aufpoppen, wenn die Rede davon ist, dass man für nur 1,25 Euro im Monat ARD und ZDF aus dem Gefängnis der Werbung befreien könnte.

Nur 1,25 Euro kostet es, das öffentlich-rechtliche Fernsehen von der angeblich größten Geißel seiner Geschichte zu befreien. Das hat die KEF verkündet, und schnell fanden sich welche, die dafür plädierten. Nehmen wir den Menschen nur 1,25 Euro pro Monat ab, dann sind ARD und ZDF wieder glaubwürdig. Die Gelegenheit ist günstig, jetzt, wo eh eine Beitragssenkung im Gespräch ist. Die könnte man verrechnen, und dann wird am Ende alles gut.

Alles wird gut? Nichts wird gut. Die Ausblendung der Werbung bei ARD und ZDF würde gar nichts bringen, denn es ist eine Mär, dass das Programm durch die Werbung beeinträchtigt wird. Natürlich ist Werbung lästig, aber was macht es schon, wenn irgendeine Vorabendserie kurz unterbrochen wird? Was wird besser, wenn ich eine Folge von „Soko Hinterpossenhofen“ oder von „Eiter bis löblich“ nicht am Stück erleiden muss? Gäbe es beim Fußball weniger Reklame zu sehen, wenn es in der „Sportschau“ keine Werbespots mehr gäbe? Richtig gelesen und gedacht. Diese Fragen brauchen keine Antwort, sie sind rhetorischer Natur.

In Wahrheit ist es doch eine ganz andere Krankheit, die in den Anstalten wütet. Es grassiert die Sucht nach der großen Zahl, die Quotenjunkies wie Thomas Bellut und Volker Herres nach der erlösenden Injektion lechzen lässt. „Giiiiiiib mir Quote“, jammern sie, und ein Blick in ihre Antlitze verrät, dass sie bereit sind, alles dafür zu tun. Nochmal zum Mitschreiben: ALLES.

Man konnte das im Fall von Volker Herres prima sehen, als das Edward-Snowden-Interview, über das bei Günther Jauch zu sprechen war, erst nach der Talkshow lief. Man redete also über etwas, das der Zuschauer erst danach zu sehen bekam. Jeder Programmdirektor mit ein bisschen Anstand hätte sein Amt niedergelegt, wenn ihm so etwas durchgegangen wäre. Er wäre reumütig vor die Kameras getreten und hätte gesagt: „Ich kann nicht mehr arbeiten in einem Laden, in dem so etwas möglich ist.“ In der ARD ist so eine Unmöglichkeit nicht nur möglich, sie bestimmt die Tagesordnung.

Dass es beim ZDF nicht viel besser läuft und alles dem Soko-, Lanz- und Leuteheute-Einerlei untergeordnet wird, ist bekannt. Vergleichsweise neu ist indes, dass die auf der Trutzburg Lerchenberg regierenden Ritter von der traurigen Gestalt sich zunehmend verbarrikadieren. Inzwischen machen sie nicht einmal mehr den Versuch, Innovation vorzutäuschen. Sie kopieren alles, was ihnen an Privatsender-Ideen in die Finger fällt, oder anders gesagt: Das ZDF ist das China des deutschen Fernsehens.

Die Werbefreiheit würde nichts daran ändern, denn Morbus Quote hat sich längst in die Hirne der Akteure gefressen und verklebt dort jeden Tag ein paar Synapsen mehr. Das ist kein Fall für den Bergdoktor mehr. Auch Dr. Kleist könnte da nicht helfen. Das ist ein Fall, bei dem Mediziner den Angehörigen, in diesem Fall den Zuschauern, mit klarer Ansage gegenüber treten. „Sie müssen jetzt ganz tapfer sein“, sagen sie. Danach fährt die Kamera zurück. Man weiß eh, was folgt...

Hat Hans Hoff mit seinem Zwischenruf Recht? DWDL.de-Chefreporter Torsten Zarges widerspricht: Treppenlift-Werbung für die Zielgruppe 60+ hat massiven Einfluss aufs öffentlich-rechtliche Vorabendprogramm und bremst den Erneuerungswillen der eigenen Redaktionen aus! Die zweite Meinung - heute zum Thema Werbeverzicht - lesen Sie am Nachmittag bei DWDL.de.

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