Es gibt Menschen im deutschen Fernsehen, die so stark polarisieren, dass das Image ihrer Person jede inhaltliche Beschäftigung mit ihren Aussagen überstrahlt. Til Schweiger ist so eine Person. Wenn Til Schweiger beispielsweise etwas kritisiert, gibt es in den sozialen Medien, aber nicht nur dort, oft eine reflexartige Reaktion: So etwas wie eine spontane Solidarisierung mit wem oder was auch immer es ist, das Schweiger kritisiert. Nur weil es eben Schweiger ist. Für dieses Image hat der Hamburger, dessen Talent gleichermaßen Millionen Zuschauer lieben und Millionen Zuschauer belächeln, durch diverse Aussagen und Auffälligkeiten selbst gesorgt.

In der Nacht zu Montag ist Schweiger wieder einmal die Hutschnur gerissen. Ein entsprechend emotionales Facebook-Posting ohne Rücksicht auf Satzzeichen und Rechtschreibung war seine Reaktion auf einen Artikel von Spiegel Online, in dem - wie so oft üblich heutzutage -, einige pointierte Tweets von Zuschauern des Leipziger „Tatort“ zusammengetragen wurden. Schweigers Tonfall schießt dabei unbestritten über das Ziel hinaus und diffamiert pauschal jede Zuschauer-Äußerung bei Twitter. Doch im Kern richtete sich die Kritik an Spiegel Online. Am Dienstagmittag veröffentlichte Christian Buß deshalb im Rahmen eines Artikels eine Reaktion im Namen von Spiegel Online.

Darin wirft Buß Schweiger ein merkwürdiges Verständnis von Publikumspartizipation vor. Schließlich sei es Schweiger, der seine Filme im Vorfeld der Veröffentlichung nicht mehr zeigen wolle, weil ihn nur noch das Urteil des Publikums interessiere, nicht das der Kritiker. Nicht mehr als das Urteil des Publikums habe Spiegel Online kuratiert und veröffentlicht, so Christian Buß. Doch genau da beginnt der doppelte Irrtum, dem nicht nur Spiegel Online erliegt. Zahlreiche Medien entdeckten in den vergangenen Jahren die sehr bequeme und einfache Form der Artikelgestaltung durch eine mehr oder weniger aufwändig kuratierte Zusammenstellung von Tweets zu einzelnen Themen, gerne eben auch TV-Sendungen.

Mal heißt es dann „So lacht das Web“, mal „das denkt das Web“. Die allein schon aufgrund ihrer Kürze knackigen Tweets lassen auch wunderbar einfach Schlagzeilen und damit verbunden Eindrücke entstehen. Egal wie plump oder überspitzt: Gibt es einen entsprechenden Tweet dazu, dann sind Überschriften möglich, die kein Journalist unter eigenen Namen so formulieren könnte. Was für ein genialer Kniff, doch nicht nur das. Man klopft sich in den Redaktionen auch noch auf die Schulter für Interaktivität und Lesernähe. Längst werden die Leser im Vorfeld sogar animiert, sich zu äußern. Anders als bei belanglos-langweiligen Straßenumfragen früherer Tage wird der Wunsch nach Feedback so zum Wettbewerb um den coolsten Spruch.