Frei von Eitelkeiten: Als am 10. Juni 2010, also gestern vor fünf Jahren, bekannt wurde, dass Günther Jauch nun doch für einen Polittalk am Sonntagabend zur ARD kommt, hat Anne Will es öffentlich mit Fassung getragen. Mag es im Stillen auch nachvollziehbaren Groll und Unmut gegeben haben, so drang kein Unmut nach draußen. Es zeugte von Größe, die Begeisterung der ARD für die Verpflichtung von Günther Jauch nicht persönlich zu nehmen und mit ihrer Talkshow im Gepäck auf den Mittwochabend umzuziehen.

Anne Will war am Sonntagabend als Gastgeberin des prominentesten Polittalks im deutschen Fernsehen - genauso wie ihre Vorgängerin Sabine Christiansen und ihr zwischenzeitlicher Nachfolger Günther Jauch - im Fokus der Aufmerksamkeit und Kritik. Oft belächeltes Stilmittel etwa das beinah legendäre „Betroffenheitssofa“. Man kann Anne Wills ersten Durchlauf am Sonntagabend vielleicht diplomatisch so beurteilen: Sie hat sich recht wacker geschlagen.

Manch einer kann in ihrer am Dienstag von den ARD-Intendanten beschlossenen Rückkehr auf diesen Sendeplatz deshalb keine freudige Nachricht erkennen. Doch die Entscheidung für Anne Will ist hervorragend, auch weil sie so entschieden und schnell gefallen ist. Die dem System der ARD oft innewohnende Hängepartie bei wichtigen Abstimmungen gab es diesmal nicht. Und Anne Will hat sich ihr Comeback am Sonntagabend im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet - und damit verdient.

Haben Sie in den letzten Jahren mal Anne Will in „Anne Will“ gesehen? Seien wir ehrlich. Vermutlich haben Sie das nicht. „Anne Will“ war im Konzert der vielen ARD-Talkshows die stillste. „Günther Jauch“, „Hart aber fair“, „Maischberger“ und „Beckmann“ - sie hatten entweder prominentere Sendeplätze, populärere Themen oder exklusivere Gäste. Und Anne Will? Sie hat Befindlichkeiten hinten angestellt und aus dem Umzug auf den Mittwoch einfach das Beste gemacht und nebenbei bemerkt am stringentesten auf politische Themen gesetzt.

Manche Sätze sind durch allzu häufigen Einsatz ja längst zur belanglosen Floskel verkommen, die genauso flott geschrieben wie von Ihnen als Leser mit einem gedanklichen Seufzer überlesen werden. Doch bei Anne Will gilt ganz bewusst und mit Nachdruck: Sie ist sich treu geblieben. Diese Kontinuität hat ihr Profil und ihren Stil geschärft. In einem Geschäft voll von Eitelkeiten und dem Wunsch nach maximaler Aufmerksamkeit ringt mir diese Haltung höchsten Respekt ab. Auf Anne Wills Comeback am Sonntagabend kann man sich freuen.