Dass Fußball eine überaus ernste Angelegenheit ist, lässt sich allabendlich an deutschen Stammtischen feststellen. Da wird der bevorstehende Wechsel von Mats Hummels gerne mal tiefgründiger diskutiert als die Flüchtlings-, Immobilien- oder Euro-Krise. Fernsehmacher sind also keineswegs gut beraten, wenn sie möglichst humorvoll und mit Augenzwinkern über das runde Leder berichten wollen. Und so werden also misslungene Abseitsstellungen oder Ballverluste, besonders gerne aber Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern in Deutschlands Fußball-Talkshows mit einer derartigen Bierernsthaftigkeit besprochen, dass einen in manchem Moment das ungute Gefühl beschleicht, Franz Beckenbauer könne in diesem Land womöglich doch noch den Sprung vom Kaiser zum Kanzler schaffen.

Seit dieser Woche gibt es neben dem bodenständigen "Doppelpass" und dem etwas gesetzteren "Sky 90" mit "kicker.tv" eine weitere Show, in der ausführlichst über Fußball debattiert wird, und es versteht sich von selbst, dass man sich auch bei Eurosport der vielleicht schönsten Nebensache der Welt mit dem gebotenen Ernst nähern möchte. Nicht umsonst stehen Begriffe wie "kontrovers" oder "kämpferisch" im Vorspann der Sendung. Nun, kontrovers war die Premiere am Montagabend erst mal nicht. Fast eine halbe Stunde musste verstreichen, bis sich Oliver Kahn traute, das bis dato recht starre Frage-Antwort-Spiel aufzubrechen. Erst danach taute die überaus prominente Gästeriege, der neben Kahn auch Felix Magath, Christoph Daum und der vom "kicker" entsandte Chefreporter Karlheinz Wild angehörten, allmählich auf. Auch Moderator Marco Hagemann, der für RTL unter anderem die Fußball-Länderspiele kommentiert, wurde nun locker und traute sich zunehmend aus der Deckung.

Dass die Debatte unter den Gästen erst nach der Hälfte der Zeit aufkam, war wohl auch ein Stück weit der Sitzordnung geschuldet, die den Eindruck erweckte, der einstige Welttorhüter säße mit Daum und seinen übrigen Mitstreitern auf einer Art Hühnerstange. Ein etwas stärker geschwungener Tisch hätte womöglich Wunder bewirken können, frei nach Motto: Das Runde (der Tisch) muss ins Eckige (den Fernseher). Da hätte man sich noch etwas mehr Nachhilfe bei Frank Plasberg holen sollen, schließlich hatten sich die Macher des "kicker"-Talks in der übrigen Anmutung ihrer Sendung offensichtlich von "Hart aber fair" inspirieren lassen.

Hier wie dort sitzen die Gäste jedenfalls auf Hockern am Tresen, während der Moderator rechts von ihnen steht. Auch die Kameraeinstellung zu Beginn der Sendung und die Animationen am Ende der nicht uninteressanten Einspieler wiesen einige Parallelen zum augenscheinlichen Vorbild auf. Letztlich war das Konzept aber durchaus stimmig, zumal die Eurosport-Sendung mit ihrer Konzentration auf einen einzigen Themenschwerpunkt einen guten Weg fand, um sich irgendwo zwischen den schon etablierten Fußball-Talks der Konkurrenz positionieren zu können.

kicker.tv vs. Hart aber fair© Screenshots Eurosport / Das Erste

Eine Stunde lang diskutierten die Herren über Pep Guardiola: Was den Bayern-Trainer auszeichnet, worin seine Schwächen liegen, was er beim verlorenen Champions-League-Hinspiel in der vorigen Woche falsch gemacht hat – für echte Fans des Rekordmeisters bot "kicker.tv" also einigen Gesprächsstoff, wenn auch keine echten Neuigkeiten. Tatsächlich wurde die Diskussion über den angeblichen Über-Trainer des deutschen Rekordmeisters mit der Zeit aber zumindest spannend. Das lag vor allem an Magath und Kahn, die sich gegenseitig zu einer schönen Diskussion anstachelten, während Christoph Daum mit großen Augen danebensaß und sich der "kicker"-Mann ein wenig zu sehr in der Rolle des Guardiola-Kritikers zu gefallen schien.

Magath scheute übrigens auch nicht davor davor zurück, die Redaktion zu kritisieren: Als Guardiolas Bundesliga-Statistik aus dem Hut gezaubert wurde, mäkelte er, man solle die Bayern doch lieber an den ungleich stärkeren Gegnern der Champions League messen. In der Bundesliga dürfe "dieser FC Bayern" doch im Grunde ohnehin keine Gegentore kriegen, so sein strenges Urteil.

Womöglich wäre es jedoch ratsam, die Themen nicht so weit im Voraus zu planen wie es aktuell der Fall zu sein scheint. Über "Geld oder Liebe?" soll in der nächsten Woche diskutiert werden, verriet Marco Hagemann ganz am Ende, als er seine Moderatoren-Premiere fehlerfrei über die Bühne gebracht hatte. Es ist ein Thema, das mit Blick auf die jüngsten Diskussionen um den sehr wahrscheinlichen Wechsel von BVB-Star Mats Hummels zum Liga-Konkurrenten aus München schon jetzt aktuell gewesen wäre. Über Pep Guardiola hätte die Runde auch in der kommenden Woche noch sprechen können – mit dem positiven Nebeneffekt, dass anstelle der Spekulationen um den möglichen Einzug der Bayern ins Finale der Champions League zu diesem Zeitpunkt längst Fakten geschaffen worden wären. Doch Spekulationen müssen sein, im Fernsehstudio wie am Stammtisch. Da macht auch Eurosport keine Ausnahme.