Es muss sich einiges angestaut haben bei Jan Böhmermann. Man kann das ganz gut erahnen, wenn man sich die erste Ausgabe von "Fest & Flauschig" anhört, dem neuen Spotify-Podcast, den Böhmermann zusammen mit Olli Schulz in bester "Sanft & Sorgfältig"-Manier betreibt. Die Kanzlerin, die ARD, die Deutschen an sich: Viele bekamen in der guten Stunde ordentlich ihr Fett weg. Ein "deutsches Ding" sei es, eine offensichtlich ironisch gemeinte Nummer nur auf eine Weise zu lesen. Er kritisiert "die ungeheure Dummheit der Leute", die "völlig Unsicherheit, Ironie zu erkennen" und kommt nach all den Debatten um sein Erdogan-Gedicht zu dem Schluss: "Wir gehen zum Lachen immer noch in den fucking Keller."

Aber Böhmermann gewährt auch ganz persönliche Eindrücke. "Ein bisschen viel Druck auf einmal" sei das in den vergangenen Wochen gewesen, gibt er zu. "Die Luft wird dann doch ein kleines bisschen dünn, wenn abends die Polizei bei dir an der Tür klingelt und dann sagt: 'Wir müssen Sie mal kurz hier rausholen, weil wir um Ihre Sicherheit besorgt sind", erzählt Böhmermann und spricht darüber, wie besorgt er zwischenzeitlich um seine Familie gewesen ist. Das war dann auch der Grund dafür, dass er sich für einige Wochen aus dem Rampenlicht zurückzog und eine Pause einlegte. Es wirkt, als habe er nun endlich das Ventil gefunden, das nötig war nach all den Schlagzeilen, die er seit Ausbruch der Erdogan-Afföre über sich lesen musste.

Er wehrt sich aber auch gegen den mancherorts geäußerten Vorwurf, er selbst könne nur austeilen, aber nicht einstecken. "Ich bin doch nicht auf Augenhöhe mit der mächtigsten Frau Europas oder der Welt und auch nicht mit einem Staatspräsidenten", stellt der Komiker klar und sieht sich viel mehr als "kleiner Junge auf der Straße, der oben die Leute mit Steinen beschmeißt." Mit dieser Äußerung macht er sich dann aber doch vermutlich etwas kleiner als er ist, zumal an anderer Stelle der neuen alten Show der Superlativ gar nicht groß genug sein darf. Da ist dann mal eben die Rede von einer "neuen Elite", die die beiden mit "Fest & Flauschig" erreichen wollen.

Und überhaupt: Der Abschied vom Radio habe ja nur an 150 Euro gelegen, sagt Böhmermann. Doch wer zwischen den Zeilen liest, kann schnell verstehen, dass es beim Wechsel zu Spotify um weit mehr gegangen sein muss. Nein, nicht mehr Geld. Aber womöglich um mehr Freiraum für Ideen in der doch sehr verkrusteten öffentlich-rechtlichen Welt. Zu gerne würde Böhmermann wissen, warum ARD "nicht mal schlau" ist und beispielsweise mit allen Radiosendern gemeinsam eine App auf die Beine stellt, die es jedem Nutzer ermöglicht, genau jene Inhalte zu bekommen, für die er sich interessiert. Das Ding sei doch schnell programmiert, "die müssten sich einfach nur einigen".

"Lasst uns einfach unser Ding machen"

Das Radio, sei "noch viel eher kaputt als das Fernsehen", fndet er und irgendwann stimmt dann auch Olli Schulz in den Chor der Polterer mit ein. Genervt sei er von dem "anonymen Apparat" der Öffentlich-Rechtlichen im Allgemeinen und dem Radio im Speziellen. Das ja inzwischen "völlig verkommen". Schulz schimpft über "austauschbare Scheiße", "gesichtslose Arschlöcher" und den ganzen "Rotz", der Tag für Tag in den Morningshows der Republik gesendet wird. Dazwischen bekommen auch noch die Leute ZDFneo ihr Fett weg, die sich nach der gemeinsamen Talkshow mit Böhmermann nicht mehr gemeldet hätten. "Wie Vieh" fühle er sich behandelt, gibt er zu Protokoll und sagt: "So kann das gerne weiter funktionieren, aber da möchte ich nicht Teil sein."

Wer sich immer nur treu bleibe, sei "ein stumpfer Einzeller, der sich nicht weiterbewegt", so Schulz über den Wechsel zum Streamingdienst. Einmal in Rage, kritisiert er auch noch das "weinerliche Rumgeheule" der Radioleute und zeigt sich genervt von all den Schlagzeilen der vergangenen Tage. "Hört auf über uns zu schreiben, lasst uns einfach unser Ding machen." Nun, ganz so einfach ist es freilich nicht, wenn man in der Öffentlichkeit steht und bisher stets ganz gut gelebt hat von der Aufmerksamkeit. Das Nachtreten der beiden wirkt deshalb zwischenzeitlich ebenso wenig souverän wie manch geäußerte Reaktion der Radiomacher, die nun irgendwie ohne das prominente Duo auskommen müssen.

Dabei ist ja auch Spotify ganz offensichtlich nicht perfekt. Wer die durchaus hörenswerte Playlist von "Fidi & Bumsi" hören möchte, muss sie während des Podcasts immer wieder händisch starten. Im Radio war also gewiss nicht alles schlechter. Dass Jan Böhmermann und Olli Schulz auch bei Spotify eine gute Sendung machen werden, ist indes unbestritten. Wenn sich der ganze Ärger erst mal gelöst hat, laufen sie ganz sicher wieder zu jener Höchstform auf, für die sie so viele Hörer bei "Sanft & Sorgfältig" liebten. Dann geht’s womöglich auch wieder um die wirklich wichtigen Thema, die bei ihrer "Fest & Flauschig"-Premiere eher Beiwerk waren. Fast schon entsetzt stellte Böhmermann darin nach einiger Zeit fest: "Wir haben noch gar nicht so viel über Pimmel geredet."