Das ist keine Castingshow, hören Sie? Da versteht der Sender keinen Spaß mehr, seitdem er vor einem Jahr die gähnend öde "Popstars"-Neuauflage in Grund und Boden gewummst hat. Keine Castingshow. Es handelt sich bei der Sendung, von der Sie hier lesen, vielmehr um – na, wie sagt man's am besten? Ach, einfach wie "der Herr und Meister" selbst: um "'ne Hip-Hop-Doku-Show über mein Leben, in der ich 'ne Sängerin suche". Genial!

Und es ist ja auch richtig: Das einzige, was in der Auftaktfolge der neuen RTL-II-"Hip-Hop-Doku-Show" vielleicht entfernt an Castinghshow erinnert hat, war der bunt beklebte Reisebus, in dem der Star-Rapper Talente einmal durch die halbe Republik karren ließ, um sie nachher in der Endrunde vorm Düsseldorfer Yachthafen unter Beobachtung misstrauischer Radelrentner in kurzen Hosen wieder auszusortieren.

Denn, davon könnte der Dieter Bohlen ein Liedchen singen: Reisebus ist quasi Castingshow pur. Da haben die bei "Deutschland sucht den Superstar" richtig gute Erfahrungen mit gemacht.

Nun ist Kay One, ein in Teilen Deutschlands offensichtlich bekannter und beliebter Sprechsänger, aber gar nicht mehr in der Jury von "Deutschland sucht den Superstar", und zwar, weil "es ihm zu bunt wurde", wie die Fans am Montagabend von seinem Adoptivsender aufgeklärt wurden. Der hat ihm zum Ausgleich eine etwas weniger bunte, vor allem aber deutlich günstigere Sendung auf den Muscleshirt-behängten Leib geschneidert. Wahrscheinlich, damit der Ärmste mal von der Straße runterkommt. Das hat leider nur so mittelgut funktioniert. Weil K.O. mit seiner Bodyguard-Entourage ja permanent wieder rauf musste (auf die Straße), um im Benz neue Damen zum Rastplatz zu befördern, auf dem die fahrende Kandidatinnensammelstelle gerade für eine verlängerte Pipipause hielt.

"Das ist sehr, sehr stressig", ächzte das arme Kerlchen zwischendurch in die Kamera. "Man hat kein Privatleben mehr." Aber wer braucht schon Privatleben, wenn er in die Jugendzimmer, Hundesalons und Zahnartpraxen seiner größten Verehrerinnen hineinplatzen kann, um ihnen das sofortige Kofferpacken zu befehlen?

Kay One - Sängerin gesucht!© RTL II

"10 Uhr, Lena wird im Hotel geparkt", "15 Uhr, Sängerin Nummer zwei ist im Sack", anstrengender Tag wieder. Andere sind im Pokemon-Fieber und jagen Pikachus; Star-Rapper sammeln 20-Jährige auf ihrer Geburtstagsfeier ein, um ihnen kurz darauf beim Vorsingen beizubringen, dass es doch "nicht gereicht" hat. (Die meisten waren ja eh doppelt.)

Es könnte von RTL II womöglich ein bisschen großkotzig gewesen sein, bereits in den ersten Minuten der Sendung aus dem Off zu röhren: "Kay One ist zurück – eine neue Zeitrechnung hat begonnen". Eine Zeitrechnung vielleicht, in der sich zwei Stunden Sendezeit anfühlen wie zehn. Aber da stehen sich Auftraggeber und Star in nichts nach: Große Versprechungen sind schneller gemacht als gehalten.

Nun ist "Kay One – Sängerin gesucht!" gewiss keine schlechte Investition gewesen, nicht jedenfalls: für Kay One selbst. Um sich der stressigen Daueranhimmelung auszusetzen, hat er nicht mal gemeckert, als ihn die Redaktion für die Fan-Überraschung in Verkleidungen gesteckt hat, mit denen man von jedem Kindergeburtstag verstoßen werden würde (unter anderem eine Art Jogginghosen-Dschingis-Khan).

Zwischendurch versicherte sich der Suchende zur Selbstvergewisserung in einer Tour: "Mir geht's nicht um's Aussehen, sondern um das Stimmorgan." Aber das war mindestens so gelogen wie das Ausrufezeichen im Sendetitel.

Kay One - Sängerin gesucht!© RTL II

Nachvollziehbare Kriterien für die Auswahl der Teilnehmerinnen, die nun nach Ibiza in irgendein Coaching mitreisen dürfen, ließen sich zumindest keine identifzieren. Immerhin war das konsequent, so zackig, wie die Gesangsdarbietungen der vermeintlichen Stimmwunder zuvor schon gekürzt und zerstückelt worden waren. Die wertvolle Zeit ist schließlich gebraucht worden, um schon mal den herbeigesehnten Zickenkrieg heraufzubeschwören, bevor dieser dann auf die nächste Woche vertagt wurde.

Alles kein Drama. Aber wenn man "Kay One – Sängerin gesucht!" mal kurz fernsehevolutionär einordnen müsste, landete man dabei unweigerlich wieder im TV-Urschleim, aus dem später mal ein aufrecht sendendes Medium hervorgegangen ist. (An guten Tagen.)

Die Show ist der beachtenswerte Test, wie arg sich Unterhaltungsfernsehen runtersparen lässt, ohne dass einem die Zuschauer ein für alle Mal den Vogel zeigen – eine Sendung ohne aufwändige Kulissen, ohne teures Licht und lästige Publikums-Votings. Warum auch nicht, wenn's ausreicht, dass die Kamera draufhält, sobald ein Rapper, 25 Damen in der Modepubertät und ein Reisebus durchs Bild schuckeln? Insofern hat sich die Produktionsfirma Constantin Entertainment durchaus selbst übertroffen: Selten zuvor scheint Fernsehmachern die Mittelmäßigkeit der eigenen Arbeit so egal gewesen sein wie in diesem Fall.

"Du kannst Assi sein, wenn man dir 'ne Vorlage dafür gibt", hat Kay One in seiner Sendung gepredigt. Und, hey, die Vorlage war wirklich 'ne 1a-Assi-Provokation. Alter.