"Wie haben Sie geschlafen?", fragt Ali Aslan, Moderator von "Die richtigen Fragen", der neuen Talkshow von Bild.de. Die Frage richtet er an seine Co-Moderatorin Anna von Bayern und hält dabei freudig erregt die aktuellste Ausgabe der "Bild"-Zeitung in die Kamera. Klar, diese Einstiegsfrage macht Sinn. Schließlich gab es Montag den sogenannten "Supermond" zu sehen, da räumt das Boulevardblatt natürlich schnell die Titelseite frei. Später wiederholt Aslan die Frage und stellt sie Andreas Scheuer, dem Generalsekretär der CSU. Andere "richtige" Fragen in der Talkshow gehen so: "Wie geschockt sind Sie über das Ergebnis der US-Wahl?", "Wir sind ein wenig fassungslos, erstaunt und schockiert. Sie auch?"

Es sind Fragen wie diese, die die neue Bild.de-Talkshow "Die richtigen Fragen" in einem schiefen Licht erscheinen lassen. Es mag ein ambitionierter Ansatz sein, ein hartes politisches Talk-Format etablieren zu wollen, ganz so hart und wichtig, wie der Titel der Sendung suggeriert, sind die Fragen aber nicht immer. Dabei ist das, was die "Bild" da im Netz versucht, sehr ehrenwert. "Die richtigen Fragen" kommt ohne großen Boulevard aus, sieht man mal von der "Supermond"-Geschichte ab.


Das Format kommt sehr aktuell daher: In der vergangenen Woche drehte sich in der ersten Folge alles um die US-Wahl. Live um 7 Uhr begann die Sendung, da war schon fast klar, dass Donald Trump der nächste US-Präsident werden wird. In dieser Woche ging es um die Suche nach einem neuen Bundespräsidenten. Blöd war hier für die Macher die Tatsache, dass man die aktuelle Situation am frühen Morgen ausführlichst beleuchtete und zwei Stunden später schon feststand, dass auch die Union Frank-Walter Steinmeier unterstützen wird. Die Analysen hatten sich also binnen kürzester Zeit überholt.

Aber so ist Live-Fernsehen - "Die richtigen Fragen" ist ein ambitioniertes Projekt, das durchaus seine Daseinsberechtigung hat. Anders als bei den etablierten Talkshows im Fernsehen werden die meisten Gäste nicht im Studio begrüßt, sondern live in die Sendung geschaltet. Sie sitzen dann bei sich zu Hause, auf der Arbeit oder wie der österreichische Außenminister Sebastian Kurz im Auto. Kurz war auf dem Weg zu einem Termin und nutzte die Zeit als Beifahrer, um den Ausgang der US-Wahl zu analysieren. In den ersten zwei Folgen fuhr Bild.de auch eine beachtliche Anzahl an bekannten Gästen auf: Neben den bereits genannten waren auch Karl Theodor zu Guttenberg, Vitali Klitschko, Boris Palmer und Christian Lindner zu Gast. "Bild"-Politikchef Nikolaus Blome diskutierte in der ersten Sendung direkt im Studio mit den Moderatoren.

Die regelmäßigen Schalten zu den Gästen haben aber auch so ihre Tücken: So ist die Qualität der Videoaufnahmen meist sehr dürftig. Wenn ich mit meinen Eltern skype ist es okay, wenn Akustik und Mimik so synchron sind wie die ehemaligen Turmspringer Stefan Raab und Elton. Bei einer Talkshow von Bild.de erwarte ich mir dann doch eine etwas andere Qualität. Auch der Ton ist manchmal schlecht, zeitweise sogar komplett weg. Das nimmt man bei Bild.de derzeit aber noch in Kauf, um die Aktualität und Exklusivität der Sendung zu erhöhen.

Auch das Zusammenspiel von Ali Aslan und Anna von Bayern funktioniert nicht immer reibungslos. Beiden merkt man mitunter ihre Nervosität sichtlich an, Aslan versteigt sich dann in vielen Ähs und Öhs, von Bayern wiederum wiederholt oft das, was die Zuschauer schon zuvor gesehen und gehört haben. Ob und wenn ja wann ein Gast in die Sendung geschaltet wird, das scheint den Moderatoren auch nicht immer ganz klar zu sein. Aslan glänzt dafür mit perfektem Englisch, hier kommt ihm seine Erfahrung als Moderator zugute, er arbeitete unter anderem schon für CNN, Deutsche Welle und ABC News. Und tatsächlich werden einige Gespräche von Aslan ausschließlich auf Englisch geführt, im Anschluss bleibt es bei einer knappen Zusammenfassung, den Rest muss der Zuschauer schon selbst verstehen. Der geneigte "Bild"-Leser würde das vielleicht nicht von seiner Zeitung erwarten, aber dieses seriöse Korsett mit Anspruch tut der Sendung merklich gut.

Anna von Bayern ist ein Springer-Eigengewächs, sie absolvierte ein Volontariat im Verlag und arbeitete als freie Journalistin. Seit 2008 ist sie als Redakteurin im Politik-Ressort der "Bild am Sonntag" tätig. Ihr fehlt die Bildschirm-Erfahrung, das merkt man derzeit noch sehr deutlich. Als von Bayern Karl Theodor zu Guttenberg mit einem "Guten Morgen" begrüßt, blafft dieser am Morgen nach der US-Wahl sichtlich angefressen zurück, dass ein guter Morgen ja wohl anders aussehe. Die Moderatorin veröffentlichte 2010 eine Biografie über den damaligen Bundesverteidigungsminister. Diese wurde oft zitiert, aber eben auch heftig kritisiert. Vielleicht war das ein Grund für die etwas uncharmante Begrüßung des ehemaligen Politikers.

Es wird in der Bild.de-Talkshow aber auch manchmal recht kurios. Etwa dann, wenn Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, in einem Fitness-Studio trainiert und währenddessen von den Moderatoren zum Ausgang der US-Wahl befragt wird - durch die wackelige Leitung war er dabei noch schlechter zu verstehen als ohnehin schon. Danach führt er die Zuschauer noch in dem Studio herum, was besonders die Moderatoren der Sendung erfreut. An einer anderen Stelle müssen Aslan und von Bayern einem Gesprächspartner erst mitteilen, dass er die ganze Zeit die Hand auf der Kamera hat und man ihn so nur zur Hälfte sieht.

Insgesamt versucht Bild.de bei der Talkshow aber ernst und seriös zu bleiben. Das tut dem Format spürbar gut, denn auch wenn manche Fragen kurios erscheinen, spricht Anna von Bayern nach der US-Wahl auch die Rolle der Medien an und sagt, dass man den Kontakt zur Stimmung der Menschen verloren habe. Auch die Tatsache, dass live via Bild.de, Facebook und Youtube gesendet wird, ist den Machern hoch anzurechnen. Spannend wird zu beobachten sein, ob man in der Sendung zukünftig auch große Scoops anderer Zeitungen aufgreifen wird, sollte es diese geben. Denn jeden Montag nur die "Bild" in die Kamera zu halten, ist vielleicht auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Auch nicht, wenn gerade mal wieder "Supermond" war.