Wenn zuletzt über das "New Golden Age of Television" in Bezug auf Serien gesprochen wurde, dann stand Deutschland immer etwas abseits. Doch das scheint gerade im Begriff, sich zu ändern: Die Schlagzahl der Ankündigungen großer und ungewöhnlicher Serienprojekte zog in den letzten Wochen und Monaten jedenfalls weiter an. Immer wieder mit dabei: Jan Mojtos Beta Film - zuletzt etwa beim Projekt "Babylon Berlin", bei dem zudem die ARD und Sky mit an Bord sind. Als Mojto am Vorabend der Fernsehmesse MIPCOM in Cannes wie immer internationale Journalisten eingeladen hatte, um das Messe-Highlight von Beta Film vorzustellen, ging es aber erst einmal um "Schuld". Gemeinsam mit Produzent Oliver Berben und Constantin-Film-Chef Martin Moszkowicz wurde eine halbe Folge der zweiten Serie, die auf einem Buch von Ferdinand von Schirach basiert, gezeigt.

Unser erster Eindruck: Auch, wenn diese unter dem Label Krimiserie läuft, hat sie kaum etwas mit den traditionell erzählten Vertretern dieses Genres gemein. Es geht nicht um die Frage, wer der Mörder ist, oder - wie im Fall der ersten Folge - die Vergewaltiger der jungen Frau. Stattdessen geht es um Fragen der Schuld, der Ethik, der Moral. Während bei "Verbrechen" die einzelnen Folgen noch kaum etwas miteinander zu tun hatten und völlig unterschiedliche Geschichten erzählten, wirkt "Schuld" eher als Serie. Moritz Bleibtreu bekommt darin als Anwalt Friedrich Kronberg zudem eine wichtigere Rolle mit mehr Tiefe. Man erfährt, wie er zu dem wurde, der er ist. Auch wenn die Folgen weiter in sich abgeschlossen sind, gibt es so auch eine Entwicklung zu beobachten.

"Schuld" - international als "Shades of Guilt" vermarktet - ist eine intellektuell herausfordernde Serie, die zum Nachdenken anregen will. Angesichts dessen ist es schon bemerkenswert, dass das ZDF sie weder verstecken wird, noch sie möglichst fix in Doppelfolgen versendet. Laufen wird sie, so zumindest der aktuelle Plan, im Februar kommenden Jahres freitags um 21:15 Uhr. Ob sich darauf genauso viele Zuschauer einlassen werden wie auf "SOKO Leipzig", scheint alles andere als ausgemachte Sache. Doch es scheint sich die Meinung durchzusetzen, dass man für spitzere Zielgruppen produzieren muss, um damit Begeisterung hervorrufen zu können und einen größeren Aufschlag zu produzieren - was zunehmend wichtig wird, um in einer sich immer weiter fragmentierenden Medienwelt wahrgenommen zu werden.

Constantin Film investiert massiv in Serien-Entwicklung

Im Vertrauen darauf, dass dadurch der Hunger nach qualitativ hochwertigen Serien steigen wird, steigt Constantin Film, das sich in der Vergangenheit vor allem auf Kinofilme konzentriert hatte, groß ins TV-Geschäft ein. Man werde die TV-Aktivitäten im fiktionalen Bereich substantiell ausbauen, kündigte Moszkowicz in Cannes an. Nicht weniger als zwölf Serien seien in Entwicklung. So will man diverse Stoffe, die man schon fürs Kino umgesetzt hat, zu TV-Serien machen - eine Strategie, die man auch in den USA seit längerem beobachten kann. "Resident Evil" oder "Die Chroniken der Unterwelt" sind Serien-Projekte, an denen man bei Constantin entwickelt. Auch "Das Parfum" könne man als achtteilige Miniserie noch einmal ausführlicher und neu erzählen. Es geht aber nicht nur um die Umsetzung von Kinofilmen, geplant ist etwa auch eine Serie über die Berliner Charité.

Damit konkretisiert sich, was Oliver Berben schon im Sommer im Interview mit dem Medienmagazin DWDL.de ankündigte. "Die Constantin Film beschäftigt sich in jüngster Zeit sehr intensiv mit dem internationalen Fernsehgeschäft. National gesehen waren wir ja schon immer sehr präsent, aber wir öffnen uns gerade für internationale Koproduktionen im TV, so wie wir das seit Jahren schon im Kino machen", erklärte der Produzent vor wenigen Monaten. Dass ein Sender künfig Serienprojekte komplett als Auftragsproduktion finanziert, ist dabei nicht mehr notwendig. Man biete an, sich um die Finanzierung der Serien selbst zu kümmern, wenn man im Gegenzug mehr Rechte behalten darf.

Neue Finanzierungsformen, um die Welt zu retten

Wie sich an immer mehr Projekten zeigt, werden Distributionspartner wie Jan Mojtos Beta Film an dieser Stelle immer wichtiger. Der Verkauf der Serie ins Ausland ist eine Möglichkeit, genauso sei man aber auch bereit, Formatrechte zu vergeben, um damit Adaptionen zu ermöglichen - ein Trend, der sich derzeit allgemein auch bei anderen Produzenten zeigt. Im Falle der Schirach-Serien gebe es bereits Gespräche mit Interessenten. Sich nicht mehr von einem Sender abhängig zu machen, bedeutet für den Produzenten zwar ein höheres Risiko, garantiere aber dafür auch mehr Flexibilität und kreative Freiheiten - und im besten Falle zuletzt auch mehr Gewinn, so Moszkowicz.

Bei der Serie "Lasst uns die Welt retten", an der Oliver Berben derzeit arbeitet, sind neben dem ZDF von Anfang an auch internationale Partner mit dabei. Und dabei geht es nicht nur darum, Geld aus anderen Ländern einzusammeln, sondern auch um eine inhaltliche Verbindung. Erzählt wird das Aufkommen der Umweltbewegung im Deutschland der späten 70er und der Durchdringung der Gesellschaft bis Ende der 80er Jahre - mit Frankreich als Gegenentwurf. Auch hier ist Beta Film als Mitfinanzier mit an Bord. Und dann - um zum eigentlichen Anlass des Abends zurückzukommen - arbeitet Berben auch schon an den Büchern für eine zweite Staffel von "Schuld", obwohl es noch mehrere Monate bis zur Ausstrahlung der ersten Staffel hin sind. Der Auftrag dafür wird dann schon irgendwann kommen, so die selbstbewusste Hoffnung.