Zum Ende der MIPCOM ehrte die wichtigste Fernsehmesse der Welt auch in diesem Jahr ihre Personalities of the Year. Preisträger sind des Jahres 2015 sind Dana Walden und Gary Newman, Geschäftsführer des Produktionshauses 20th Century Fox Television sowie der Fox Television Group. Vor dem Gala-Dinner am Abend gab das seit 16 Jahren zusammenarbeitende Duo, oftmals gleichermaßen respekt- und liebevoll als das alte Ehepaar der Branche betitelt, im Palais des Festivals einen strategischen Ausblick auf das TV-Geschäft und die Position von FOX.

Ihre gemeinsame, kontinuierlich entwickelte Expertise im internationalen TV-Geschäft ist einzigartig: Seit 1999 führen Walden und Newman bereits 20th Century FOX Television und kennen damit in gleicher Position noch jene Zeiten, in denen für die US-Hollywoodstudios die internationale Verwertung ihrer Produktionen zweitrangig - und das Geschäft wenn dann eine Einbahnstraße war: Die USA exportiert; der Rest der Welt importiert. Im Juli 2014 haben sie zusätzlich die Führung der FOX Television Group übernommen - und sind damit auch fürs Sendergeschäft verantwortlich.

"Das verändert Perspektiven", sagt Dana Walden in Cannes. Schließlich haben Produzenten und Sender gerne mal unterschiedliche Vorstellungen, etwa in der Bewertung von Erfolgen oder der Suche nach Schuldigen. In Cannes sprachen Walden und Newman auch viel über Fox-Erfolge und waren bei ihren Auftritten und Äußerungen auch nicht frei von Plattitüden ("Auf Nummer sicher gehen funktioniert nicht", "Wir brauchen Mut" etc.) - eben das, was man bei Auftritten in Cannes unterbringen muss.

Spannend wird es als Waldens Kollege Gary Newman über die neue Fernsehwelt spricht, in der Serienstoffe auf den unterschiedlichsten Wegen zum Zuschauer transportiert werden. Dass das einen linearen, werbefinanzierten Mainstream-Sender wie Fox vor Herausforderungen stellt, räumt er ein. Doch aus der Produzentenwelt kommend, kann er der neuen zeitversetzten Mediennutzung viel Positives für Kreative und Fans abgewinnen. "Wir müssen an unsere Sendungen glauben und ihnen Zeit und Gelegenheit geben, damit das Publikum sie finden kann", sagt Newman.

Das sei heute leichter als früher - und die Sender geduldiger als früher. Den Vorwurf der nervösen Fernsehsender will er nicht mehr gelten lassen. Inzwischen gebe es kaum einen Sender, der den Erfolg seines Programms noch an den „Overnight-Ratings“, also den Quoten vom Vortag festmache. In den USA spielt die zeitversetzte Nutzung binnen drei oder sieben Tagen - beide Werte werden nochmals ausgewiesen - eine immer größere Rolle. Aber nicht nur die TV-Ausstrahlung ist von Bedeutung.

„Früher war es ein Zeichen, dass eine Serie nicht die höchste Priorität hat, wenn man die Pilotfolge schon vorab im Netz veröffentlicht hat“, sagt Fox-Manager Newman. „Das hat sich gewandelt“, hält er fest. Produzenten wie Zuschauer könnten sich freuen, dass Serien heutzutage weit mehr Gelegenheiten haben, sich zu beweisen als nur durch eine Ausstrahlung - mit einer alles entscheidenden Quote. Vorab im Netz, live am Abend der Ausstrahlung, binnen drei oder sieben Tagen als Aufnahme auf dem Receiver oder online auf Abruf - wichtig sei nur, dass möglichst viele Menschen mit den Produktionen in Kontakt kommen.

Der Kult um eine Show bekommt mehr Gelegenheiten, sich zu entwickeln. Ist das geschafft, lässt sich das auf vielen Wegen zu Geld machen. Doch in Newmans Brust schlagen zwei Herzen: Neben dem des Produzenten, ist er seit vergangenem Jahr schließlich auch Senderchef. Und der räumt ein: „Immer noch lässt sich das lineare Fernsehprogramm am Besten vermarkten.“ Zeitversetzte Nutzung lasse sich noch nicht gleichermaßen monetarisieren. Die Laune will sich Walden davon aber nicht verderben lassen. Ihm sei jede Zuschauerinnen und jeder Zuschauer willkommen, egal wann und wie sie bzw. er schaut.

Geht es um die Messung dieses Erfolges, dann hat die USA einen Vorteil gegenüber dem deutschen Markt: Digitale Festplattenrekorder - besonders TiVo - sind drüben weitaus verbreiteter als in Deutschland. Die Ausweisung der zeitversetzten Nutzung binnen drei Tagen (LIve+3) sowie sieben Tagen (Live+7) macht inzwischen aus so manchem vermeintlichen Flop der Overnight-Ratings noch einen passablen Erfolg - oder gar Hit. Auch in Deutschland gibt es zwar eine korrigierte Quote nach drei Tagen, doch wahrgenommen wird sie kaum.

Weder sind die Veränderungen so massiv wie in den USA aufgrund eines nicht so weit verbreiteten Systems wie TiVo in den USA. Noch dazu lassen sich die deutschen Fernsehsender ihre Quotendaten von der Presse teuer bezahlen. Das minimiert eine gegebenfalls gewünschte Aufmerksamkeit für die zusätzliche Quotenmessung sehr effektiv. Wichtiger wird eine gemeinsame Ausweisung von TV- und Online-Reichweite für ein Programm. Das wird eine enorme Herausforderung, die nötig wird um die sich verlagernde Nutzung - über deren Umfang leidenschaftlich debattiert wird - auch zu monetarisieren.

Doch während sich das nicht kurzfristig ändern lassen wird, bleibt auch den deutschen Sendern nur zu wünschen, ein wenig vom Spirit des Fox-Duos zu adaptieren. Statt sich an die Monetarisierung und Bedeutung der linearen Ausstrahlung zu klammern, geht es darum starke Programmmarken zu erschaffen, die sich auf vielfältige Weise auswerten lassen. Was wie eine Plattitüde klingt, bedeutet auch für das deutsche Fernsehen ein radikales Umdenken. Konkreter: Viele Sendungen werden lediglich zum Füllen von Sendeplätzen produziert - und das sieht man ihnen an.

Nicht nur kostengünstige Daytime- sondern sogar Primetime-Programme wirken mitunter wie Füllware mit eben nur dem einen Ziel: Auf genau diesem Sendeplatz so günstig zu sein, dass sich unmittelbar damit Geld verdienen lässt. Weitere Verwertungen spielen meist gar keine Rolle, image-prägend sind sie auch selten oder wenn dann eher negativ. Doch egales Fernsehen funktioniert in einer On-Demand-Welt nicht, weil niemand nach „egal“ sucht. Gebraucht werden starke Programmmarken, die linear wie non-linear funktionieren. Dann müssen sich Fox-Chef Gary Newman und Andere weniger darum sorgen, auf welchem Wege Content konsumiert wird.

Während das lineare Fernsehen in den USA mit den ausgewiesenen Einschaltquoten Live+3 und Live+7-Zahlen (dank der verbreiteten TiVo-Technologie) immerhin etwas Zeit gekauft hat bis zu einer konsequenten, gemeinsamen Ausweisung von TV- und Online-Nutzung zu einer Gesamtreichweite, fehlt der Branche in Deutschland eine ähnlich aussagekräftige Erweiterung der klassischen Quotenmessung und trotz jahrelanger Ankündigungen und einer Roadmap nach der anderen, kann die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung bislang keine befriedigenden Antworten auf die veränderte Mediennutzung geben.

So wird auch das Medienmagazin DWDL.de bis zum Jahresende intern einen intensiven Diskussionsprozess fortführen und überdenken, wie wir als zentrale Informationsplattform der deutschen Fernsehbranche in Zukunft mit der schwindenden Aussagekraft der Overnight-Ratings und der gänzlich fehlenden Ausweisung von Reichweiten-Daten neuer Anbieter wie Netflix und Amazon umgehen werden.