Sie werden diesen „Tatort“ nicht mögen in Dortmund. Er zeichnet ein arg düsteres Bild der Stadt. Überall zwielichtige Gestalten. Drogenhändler, Mafiastrukturen, verwahrloste Stadtteile, und mittendrin agiert Kommissar Faber mit seinem Team. Jörg Hartmann spielt wieder mal diesen Durchgeknallten vom Dienst. Allerdings ist sein Faber diesmal nicht der einzige in der Mannschaft, der komplett neben der Uhr tickt. Auch der Rest seines Teams hangelt am Rand zum Wahnsinn herum, weshalb crazy Faber in manchen Szenen nachgerade vernünftig wirkt.

Ein Kind ist tot. Es liegt im Sandkasten in einem Dortmunder Problemviertel. Es hat Drogen aus dem Sand gegraben und sie für Bonbons gehalten. Kurz zuvor hatte noch eine Schwarze im Sand gebuddelt. Vergeblich. Das Kind war erfolgreicher bei seiner Buddelei. Leider. Dann zeigt sich auch noch ein Rettungssanitäter unfähig zum Retten. Schlimme Zustände in Dortmund. 

Es beginnt die Suche nach dem Täter, und natürlich ist nichts wie es scheint. Kurz nach dem Tod des Kindes wird auch die Schwarze leblos aufgefunden. Erschlagen. Sogleich poppt die Frage auf, ob hinter der Tat empörte Bürger stehen, die nicht länger hinnehmen wollen, dass ihre Stadt sich so gehen lässt.

Dror Zachavi hat diesen Film nach einem Buch des bewährten Jürgen Werner inszeniert, und es gelingt ihm eine faszinierende Gratwanderung. Auf der einen Seite handelt er die Tätersuche mit einer gewissen Whodunit-Nüchternheit ab, auf der anderen Seite lässt er das Ermittlerteam ein ganz eigenes Drama aufführen.

Nichts stimmt bei den Vieren. Anna Schudt gibt wieder die Kommissarin Bönisch, die sich nachts im Hotel wildfremde Lover besorgt und gleichzeitig miterleben muss, wie ihr das Sorgerecht für die Kinder entzogen wird. Die beiden Youngsters im Team knabbern derweil an den Resten ihrer einstigen Liebe. Nora (diesmal herausragend: Aylin Tezel) hat einen Neuen, einen Zuverlässigen. Derweil schläft sich ihr wankelmütiger Ex Daniel (Stefan Konarske) durch diverse Betten, und wenn die Frauen morgens fragen, ob man sich mal wiedersehe, dann fragt er nur lakonisch „Wozu?“

Weil alle mit straff gespannten Nerven herumspazieren, entwickeln sich am laufenden Band sehr schnelle, sehr feine, sehr bissige Dialoge. Die sind schwer wiederzugeben, weil sie von der Situation leben, in der sie rausgehauen werden. So entwickelt sich eine schöne Situationskomik, aber auch eine sehr fein austarierte Situationsdramatik. Ständig fliegt irgendeine Schmähung durch die Luft, und weil Faber bei der Fahndung nach einem Verdächtigen sehr eng mit der örtlichen Abteilung der Drogenmafia kooperiert, droht ihm rasch eine Dienstaufsichtsbeschwerde.

Regisseur und Autor mixen so beinahe perfekt die Leichtigkeit einer Komödie mit der Schwere einer Tragödie. Vieles scheint lustig in diesem Dortmund, aber im Prinzip ist natürlich gar nichts lustig, ist alles, sehr, sehr traurig. 

Leider wird das ehrliche Bemühen der Macher ein wenig getrübt, weil mal wieder die Koordination in der ARD nicht ordentlich funktioniert. Die hat nämlich keinen Blick dafür, was in der Vorwoche lief. Da ging es auch um verdächtige Schwarze, geflohen aus der afrikanischen Heimat, verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Leben. Und es gab die so genannten besorgten Bürger. Vergangenen Sonntag wurden die repräsentiert von Werner Wölbern, der einen Polizeichef spielte, der seine Jungs auch schon mal über die Stränge schlagen ließ, wenn es um die ordnungsgemäße Behandlung von Festgenommenen ging. 

Eine Woche später ist Werner Wölbern nun wieder ein besorgter Bürger. Diesmal spielt er, übrigens abermals sehr ordentlich, den Freund der Familie, die gerade ihr Kind verloren hat, und er sieht ganz so aus, als würde er seinen Schlagstock nicht nur zur Verteidigung benutzen. Immerhin ist ihm nachzuweisen, dass er auch dort war, wo die junge Schwarze erschlagen wurde. Für treue „Tatort“-Fans ist das verwirrend und wäre leicht zu lösen gewesen, hätte man den Dortmunder „Tatort“ einfach ein paar Wochen nach hinten geschoben.

Am Ende, wenn alles wieder in Ordnung sein soll, ist wie in der vergangenen Episode nichts in Ordnung. Dortmund präsentiert sich genauso trist und problembeladen wie vorher. Nur dass es nun noch einen Toten und noch einen Arbeitslosen mehr gibt.