Es gibt in Hollywood wenige Menschen, die man getrost als Erfolgsproduzent bezeichnen kann, auch wenn sich viele gerne so sehen. Chuck Lorre ist wirklich einer. Mit seinen Sitcoms „Two and a half men“, „The Big Bang Theory“, „Mom“ und „Mike & Molly“ gilt er als die Instanz für erfolgreiche Comedy im frei empfangbaren US-Fernsehen. Für seine Verdienste um genau dieses Medium hat die National Association of Broadcasters (NAB) ihn am Montag in ihre Hall of Fame aufgenommen. Gefeiert wurde dies bei einem Lunch im Rahmen der NAB Show in Las Vegas.

„Ich möchte mich bedanken bei der National Association of Broadcasters“, begann Lorre seine Dankesrede. „Die Hall of Fame. Das ist wirklich was.“ Aber er setzt nach: „Ich will das jetzt nicht schmälern - aufgenommen zu werden in die Hall of Fame von jemandem ist eine aufregende Erfahrung - aber wenn man darüber nachdenkt: Die Hall of Fame der Arschlöcher ist auch eine Hall of Fame. Die hat bestimmt Marmor-Säulen und dramatisches Licht und wenn man nicht aufpasst, dann hängt das eigene Bild dort direkt neben Donald… Duck.“

„Die NAB repräsentiert frei empfangbare Fernseh- und Radiosender, was bedeutet: Man muss ihnen allen zu ihrer Selbstvertrauen und Gelassenheit gratulieren angesichts der Tatsache, dass diese Medienwelt gerade durch On-Demand-Streaming, Premium Channels, Internet Channels, YouTube Channels, Podcasts, Satelliten- und Internetradio versenkt wird. Es wäre nicht überraschend gewesen, hier einen Raum voller heulender, schreiender und kotzender Menschen vorzufinden. Aber nein, sie alle hier sind ganz gelassen - so wie Dinosaurier, die von Baumkronen fressen und nicht merken, wie ein gigantischer Asteroid auf die Erde zu rast. Schön für Sie!“



Die Mehrheit des Fachpublikums im Ballsaal kann bei ihrem Mittagessen darüber lachen. Aber Lorre beschwichtigt eh: Er wolle ja gar nicht in die Hand beißen, die ihn füttere. Broadcast Television habe ihm schließlich ermöglicht, zu machen, was er liebt: Menschen zum Lachen zu bringen. „Das ist wirklich ein Segen für mich“, sagt Chuck Lorre. Aber schiebt dann gleich nach: „…auch wenn zensierende Senderredakteure, nervöse Werbekunden und die FCC regelmäßig all die Freude raus saugen.“ Er nimmt auch oder erst recht vor der gesammelten Branche kein Blatt vor den Mund.

Das gilt auch für Äußerungen vor seinem Auftritt. Zwischen dem Network-Fernsehen für das er arbeite und VoD und Pay-TV gebe es enorme Unterschiede wenn es um kreative Freiheiten gehe. „Werbefinanziertes Fernsehen wird immer durch die tiefsitzende Angst von Werbekunden, jemanden zu verärgern und die FCC, die sich auch noch einmischt, behindert werden“, beklagt Lorre. „Dazu kommt die Zeitfrage: Comedyserien bei den Networks laufen immer etwa 22 Minuten lang. Das war’s. Ich kann gar nicht mehr aufzählen wie oft ich in den vergangenen Jahren gutes Material rausschneiden musste, weil eine Folge zu lang war.“



Bei HBO oder Netflix gebe es solche Anforderungen nicht. Nun ist die NAB Show eine Technikmesse. Welche Auswirkungen hat der technische Fortschritt eigentlich für sein Genre, die Sitcoms? „Es gab große Fortschritte in der Postproduktion. Das wurde effizienter und schneller“, so Chuck Lorre vor seinem Auftritt in Las Vegas. „Der Blue Screen hat uns zudem geholfen, Kosten zu senken und im Studio zu bleiben, wo wir am besten arbeiten können. Die Intimität und der Rhythmus unserer Art von Comedy gehen leicht verloren, wenn man nach draußen geht und mit nur einer Kamera filmt.“

Während das neue Golden Age of Television in erster Linie durch horizontal erzählte Drama-Serien geprägt wird, bleibt er jedoch der Multi-Camera-Sitcom treu. Über seine Faszination für das Genre sagt Lorre: „Multi-Camera ist im Grunde Theater. Es ist ein Bühnenstück - mit Wiederholungen. Wenn ein Fehler gemacht wird oder ein Gag nicht so funktioniert wie er sollte, wiederholen wir die Szene. Wir ändern dann spontan. Das ist spannend und hat eine ganz eigene Energie.“ Es sei eine intime Art des Fernsehens, weil die Magie meist im Dialog zweier Menschen direkt vor den Augen eines Studiopublikums geschehe.

Chuck Lorre folgt in der NAB Hall of Fame auf TV-Produzentin Shonda Rhimes, die im vergangenen Jahr aufgenommen wurde. Seit 1988 ehrt die National Association of Broadcasters Menschen und Produktionen, die die Branche geprägt haben. Dazu gehören seit dem Comedian Jerry Lewis, die Moderatoren Regis Philbin und Bob Barker ebenso wie Schauspielerin Betty White. Zu den gewürdigten TV-Formaten gehörten bislang „Star Trek“, „60 Minutes“, „M*A*S*H“, „The Today Show“, „Saturday Night Live“, „The Tonight Show“, „Meet the Press“ und „American Idol“.

Seine Dankesrede auf der Bühne der NAB Show in Las Vegas beendete Chuck Lorre übrigens mit den Worten: „Und falls sie sich noch gefragt haben: Es gibt tatsächlich eine Hall of Fame der Arschlöcher. Sie ist in Burbank, Kalifornien. Und ich habe dort einen eigenen Parkplatz.“