An Artikeln in „Forbes“, „Guardian“ und anderen Medien mangele es nicht, sagt Daniel Alegre. Wer bei Google nach „TV is dead“ suche, finde mehr als 338 Millionen Ergebnisse. „Ich will nicht für einen weiteren sorgen“, sagt der Google-Manager. „Das Fernsehen ist nicht gestorben. Es hat sich nur komplett verändert. Es wurde neu geboren.“

Das Gerät habe sich geändert, das Programmschema ist individueller geworden und die Nutzung weitaus intimer. Mit anderen Worten: Das klobige Gerät im Wohnzimmer wurde durch eine Vielzahl an Devices abgelöst, die die Nutzung zeitunabhängig und ortsunabhängig ermöglichen. Und durch die Nutzung von Smartphones und Tablets ist Fernsehen greifbarer denn je.

All das während die Produktion von TV-Content explodiert. In den USA wurden 2015 bekanntlich doppelt so viele Serien produziert wie noch im Jahr 2009. Die Nutzung von Bewegtbild steigt und steigt - weil der sinkenden linearen Nutzung eine steigende non-lineare Nutzung gegenübersteht. Im Jahr 2018 werde 80 Prozent des Internet-Traffics durch Video generiert, analysierte IT-Experte Cisco kürzlich.

Dem Fachpublikum der NAB Show, überwiegend Vertreter des sehr kleinteiligen amerikanischen Rundfunkmarktes, forderte Alegre mit einer Fragestellung heraus: „Haben Sie eigentlich noch einen Fernseher im Wohnzimmer? Oder ist das nicht eigentlich längst ein Computer? Der große Fortschritt besteht doch darin, dass diese Begrifflichkeiten verschwimmen und die Nutzung natürlich wird.“

„Erinnern Sie sich noch an die Zeit, in der Fernseher nicht groß genug sein konnten?"

Googles Betriebssystem Android ist inzwischen auch bei Smart TVs angekommen. Und Google ist wieder einen Schritt weiter ins TV-Geschäft vorgedrungen. Das Bekenntnis des Silicon Valley zum Fernsehen ist damit ein bittersüßes Kompliment für das Publikum der weltgrößten Broadcasting-Messe. Wenn Daniel Alegre Potential im Fernsehen sieht, meint dies schließlich: Potential für Google.

Seine Analyse des Fernsehwandels tut auch deshalb manchen der überwiegend älteren Herren im Saal so weh, weil sie messerscharf ausfällt. „Erinnern Sie sich noch an die Zeit, in der Fernseher nicht groß genug sein konnten?“, referiert Daniel Alegre und amüsiert sich ein wenig darüber. „Heute schauen wir alle Serien auf unserem 4 Zoll-Smartphone oder Tablet.“ Und das sei auch gut so.

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Es hieß einmal, Film und Fernsehen seien doch nicht für solche Screens gemacht. Was für eine Arroganz der Kreativen - und eine Fehleinschätzung noch dazu, denn die Screens mögen kleiner werden, aber der Konsum wird intimer und die Distanz zum Screen geringer, was das Erlebnis genauso groß macht. Eine Position, die am Tag zuvor auch schon Jason Schragger, Chief Creative Officer von Saatchi and Saatch in Los Angeles, betonte.

Schragger führte das in einem anderen Panel der NAB Show noch weiter aus: Manches Smartphone biete schließlich weitaus besseres Bild als manch alter Fernseher zuhause und mit guten Kopfhörern werde das Erlebnis viel intensiver als es mit Ablenkungen auf der Couch und größerer Distanz zum Screen je sein könnte. Da würde Google-Manager Daniel Alegre sofort zustimmen.

„Der Fernsehkonsum beginnt heute mit dem Smartphone.“

„Mobile hat die Art und Weise verändert, wie wir fernsehen“, ist eine wenig überraschende Aussage von einem Vertreter eines Unternehmens, welches das neben iOS erfolgreichste Betriebssystem für mobile Geräte entwickelt hat. Aber es steckt viel Wahrheit drin, wenn Google-Mann Alegre sagt: „Der Fernsehkonsum beginnt heute mit dem Smartphone.“ Dort werde recherchiert oder eben gleich geschaut.

Doch Alegre ist nicht nach Las Vegas gekommen, um der Branche den Spiegel vorzuhalten. Im Gepäck hat der President Global Partnerships bei Google auch einige Ankündigungen. Erst am Montag zu Beginn der Messe kündigte die Google-Tochter YouTube ja die Unterstützung von 360 Grad-Livestreaming an. Am Mittwoch legte Alegre dann nochmal nach.

So werde die Google-Suche künftig noch detaillierter auf Suchanfragen zu TV-Content eingehen. Das wurde im vergangenen Jahr schon ausgebaut. Bald aber, so kündigte Alegre an, will Google auch Live-TV-Listings in der Suche integrieren. Zunächst natürlich in den USA. Aber besonders in Deutschland, wo der Markt der Programmzeitschriften absurd viel größer ist als in den den USA mit dem konkurrenzlosen „TV Guide“, wäre das eine Kampfansage an die Verlage.

Viel wichtiger aber war eine andere Ankündigung: „Mit Programmatic Advertising war es ja mitunter so wie mit guten Freunden, die zu Besuch kommen: Man weiß, sie kommen. Aber niemand weiß so genau, wann sie da sein werden“, scherzte Daniel Alegre. Programmatic Advertising ist neben Fragen der Produktion und Distribution eines der Buzzwords bei der diesjährigen NAB Show. Gemeint ist die individualisierte und gleichzeitig automatisierte Ausspielung von Werbespots. Alternativ ist auch von Adressable TV die Rede.

Google kündigt den Start von DoubleClick Dynamic Ad Insertion an

„Und jetzt ist es soweit“, sagt der Google-Manager und kündigt auf der Bühne der NAB Show den Launch von DoubleClick Dynamic Ad Insertion für lineares Fernsehen und On-Demand-Angebote an. Im vergangenen Jahr habe man zur Rugby-WM mit TF1 in Frankreich sowie bei einer Republican Debate von Fox News bereits erfolgreich getestet. Erste Partner zum Start des Services sind der Set-Top-Box-Hersteller Roku und der US-Kabelnetzbetreiber Cablevision.

Ähnlich wie bei Banner-Werbung via Google AdSense sollen sich auch TV-Werbespots buchen lassen. Sorgen der Broadcaster, dass sich wie bei AdSense manchmal auch zweifelhafte Werbungen einschleichen, begegnet man mit der Ankündingung umfangreicher Einstellungsmöglichkeiten. So sind Konkurrenzausschluss oder gewisse Branchen deaktivierbar, um Sendern das Level an Kontrolle über ihre Werbeblöcke zu geben, das sie aus Eigenregie gewohnt sind.

Angekündigt wurde das Vorhaben von Google bereits vor einigen Jahren und sorgte damals für Aufsehen - macht sich Google damit schließlich zum Konkurrenten der bisherigen TV-Werbezeitenvermarkter. Mit Blick auf Googles Erfolg bei AdSense schien eine Revolution bevorzustehen. Es wurde zwischenzeitlich etwas still, doch Google glaubt weiter daran. Der Glaube von Google an das neugeborene Fernsehen - es ist ein bittersüßes Kompliment für die Broadcaster.