Die deutsche Medienpolitik steht vor einem möglichen Wendepunkt. Die Entscheidung darüber scheint nur noch wenige Wochen entfernt zu sein. Während internationale Plattformen wie Netflix, Prime Video oder Disney+ im deutschen Markt stetig wachsen, beschäftigt es die Produktionslandschaft wie inzwischen auch die Medienpolitik seit einiger Zeit, wie viel von diesem Erfolg und diesen in Deutschland generierten Umsätzen auch vor Ort reinvestiert wird. Die Antwort von Kulturstaatsminister Weimer: eine Investitionsverpflichtung für Streamer, doch die Ausgestaltung ist kompliziert – und in der Branche umkämpft. 

Weimer kritisiert die bisherige Zurückhaltung internationaler Anbieter: "Die Streamer haben in Deutschland gute Marktanteile erobert, sie machen auch gute Geschäfte. Es gibt Wachstum, alles fein, aber sie investieren zu wenig in unseren Standort", so die Einschätzung des Staatsministers im Interview mit dem Medienmagazin DWDL.de. Deshalb soll ein gesetzlicher Rahmen festschreiben, dass Anbieter ab einer bestimmten Größe einen Teil ihrer Umsätze wieder in lokale Produktionen stecken müssen. 

Bei der Arbeit am Gesetzesentwurf sei man nach den zwei Gipfeltreffen im Bundeskanzleramt, zuletzt am vergangenen Freitag mit Vertretern deutscher Medienhäuser, inzwischen "mit der Formulierung fast fertig". Vorgesehen ist eine Pflichtquote, die durch eine "Öffnungsklausel" ergänzt werden soll. Weimer erklärt dazu: "Wenn du etwas Großes anderes leistest, zum Beispiel Investment in Infrastruktur, dann fein, dann ist Deutschland auch glücklich." Beispielsweise offenbar ein Einstieg bei z.B. Bavaria Studios, wie kürzlich schon mal spekuliert, um so Produktionsstandorte zu stärken. 

Doch wie hoch soll eine Investitionsverpflichtung ausfallen? In Frankreich liegt die Quote bei 20 Prozent des Umsatzes. Im Gespräch mit DWDL.de sagt Weimer dazu: "Die Zahl in Deutschland wird niedriger sein." Damit reagiert er auf geäußerte Befürchtungen heimischer Privatsender, mit zu strengen Vorgaben könnten sie zum Kollateralschaden eines Gesetzesvorhaben werden, der eigentlich andere Marktteilnehmer erreichen soll - und das bei ohnehin gerade schwierigen Marktumfeldern aufgrund abgewanderter Werbebudgets. Doch weniger als 20 Prozent - für die Produktionsbranche eher enttäuschend, da hatte sich etwa die Produktionsallianz als Interessenvertretung der Kreativwirtschaft mehr erhofft.

Noch skeptischer dürfte man dort sein, wenn Wolfram Weimer nach den beiden Gipfeltreffen im Kanzleramt jetzt etwas überraschend wieder eine Alternative zur Investitionsverpflichtung betont. Wörtlich erklärt Weimer: "Auch die Tür zur freiwilligen Selbstverpflichtung ist noch offen. Wir werden in diesem September konkret abfragen, ob die großen Streamer belastbar dazu bereit sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn das der Fall wäre, dann würde die Gesetzesintention erfüllt und wir könnten uns das Gesetz sparen." Eine Perspektive, die im Produzentenmarkt ebenso für große Ernüchterung sorgen dürfte.

Dort hatte man sich von dem medienpolitischen Vorstoß und einer Verbindlichkeit dringend benötigte, unmittelbare Impulse erhofft. Das ging sogar so weit, dass man kühn auf eine Koppelung einer gesetzlichen Investitionsverpflichtung mit einem geregelten Rechterückbehalt hoffte, der Produktionshäuser stärken soll. Doch da winkt Weimer im Gespräch mit DWDL.de ab: "Das ist ein schwerwiegender Eingriff in die Vertragsfreiheit. Die Maximalwünsche der Produzenten halte ich für unwahrscheinlich." Immerhin: Er sei optimistisch, dass sich "gute Kompromisse finden" lassen.

Das gesamte Wortlaut-Interview mit Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, über die bevorstehende MFE-Übernahme von ProSiebenSat.1, die Sky-Übernahme durch RTL Deutschland, Stärken & Schwächen des deutschen Marktes, Fehler der Kartellpolitik und den Kampf gegen die Marktmacht globaler Plattformen lesen Sie am Dienstag bei DWDL.de.

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