Noch ist der Reformstaatsvertrag gar nicht in Kraft. Sollte er aber rechtzeitig von allen Bundesländern ratifiziert werden, gelten die neuen Regelungen voraussichtlich ab dem 1. Dezember. An den Kragen geht es dann auch einigen ARD-Hörfunkwellen - von aktuell 69 Programmen sollen 16 bis zum 1. Januar 2027 eingespart werden. Die ARD hat sich daher in den vergangenen Monaten auf dieses Szenario vorbereitet und Pläne entwickelt, wie man sich in Zukunft im Hörfunkbereich aufstellen will. 

Dabei gehen die Anstalten mitunter kreative vor - indem etwa die jungen Sender DasDing (SWR), You FM (HR) und UnserDing (SR) perspektivisch gemeinsam veranstaltet werden oder die Infowellen SWR Aktuell und HR Info kooperieren sollen, zählen diese künftig nur noch als "halbe" Wellen, was allerdings gemäß der Vorstellungen der Politik in Ordnung ist. So heißt es im Staatsvertrag ausdrücklich, dass "bis zu zwei Kooperationsprogramme jeweils als ein halbes Programm der beteiligten Anstalten gerechnet" werden könnten.

Beim Privatsender-Verband VAUNET stört man sich nun aber offensichtlich genau daran. Dort argumentiert man nun, dass die ARD die Pläne für eine Programmreduzierung im Hörfunk missachte. Die sogenannte "ARD-Radiostrategie" bleibe "deutlich hinter den von den Ländern formulierten Anforderungen zurück und würde die ohne schwierige Wettbewerbssituation für die privaten Anbieter wieter verschärfen", heißt es. Tatsächlich fällt auf, dass sich die ARD-Anstalten vor allem Nischenprogramme sparen will, darunter WDR Event, NDR Blue oder MDR Schlagerwelt.

"Was die ARD aktuell plant, ist bestenfalls eine 'Programmreduzierung light'", sagte Marco Maier, CEO der FFH Mediengruppe und Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste im VAUNET. "Man versucht schon jetzt, die eindeutige Absichtserklärung der Länder, öffentlich-rechtliche Programme spürbar zu reduzieren, so wie es bei der Bekanntgabe des Reformstaatsvertrags klar angekündigt wurde, gezielt zu verwässern und die Reduzierung mit Begrifflichkeiten wie 'Kooperationen', 'Zusammenarbeit' oder 'Zusammenlegung' umzuinterpretieren. Das darf nicht das neue Narrativ für die ARD-Radioreform werden. Die Länder haben mit dem Reformstaatsvertrag einen Neustart im dualen System angekündigt. Jetzt müssen sie sicherstellen, dass die Umsetzung der ARD diesem Anspruch auch gerecht wird."

Vor allem "reichweitenschwache und werbefreie Programme" sowie solche, "die sich im privaten Markt nicht refinanzieren ließen", würden eingestellt oder ins Netz verschoben, so Maier. "Das löst weder das Ungleichgewicht im dualen Hörfunksystem noch schafft es Entlastung für die Privatsender im Wettbewerb um Hörer und Kunden. Und es schafft ebenso keine Entlastung für die Beitragszahler. Das Ungleichgewicht im dualen Hörfunksystem und der Wettbewerb zu Lasten der Privaten droht beispielsweise durch die angekündigten Kooperationsprogramme der Öffentlich-Rechtlichen noch größer zu werden. Die von den Ländern geforderte Programmreduzierung wird so zu einer Mogelpackung."

Zentraler Wettbewerb auf UKW "praktisch unberührt"

Zu den zentralen Kritikpunkten des VAUNET gehört etwa, dass nur zwölf terreristrische Angebote eingestellt werden sollen, viele Sender aber "faktisch weiter on air" blieben, weil sie nur noch als halbe Programme gezählt werden. "Die Weiterführung von Angeboten als Kooperationsprogramm darf kein Schlupfloch sein, um echte Reduzierungen zu umgehen", heißt es vom VAUNET, wo man sich auch daran stört, dass fast ausschließlich terrestrisch nur über DAB+ verbreitete Programme mit spitzen Zielgruppen betroffen sind. Der für die Privaten zentrale Wettbewerb auf UKW bleibe dabei "praktisch unberührt". Dass darüber hinaus keine webeführenden Programme eingestellt werden und viele Programme lediglich in den Online-Bereich verlagert werden sollen, stößt bei den Privaten ebenfalls auf Kritik.

"Wenn entfallende Produktions- und Übertragungskosten nicht zur Beitragsminderung für alle und für mehr Chancengleichheit für die privaten Medienunternehmen genutzt, sondern in andere Programme der ARD verschoben werden, ist das keine Reform, sondern eine versteckte Ausweitung des Angebots - ob im linearen Radio oder online", sagte Marco Maier. "Gerade die Option der Kooperationsprogramme kann zu neuen überregionalen Wellen führen, die den Wettbewerb für private Anbieter zusätzlich erschweren." Die ARD hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert. Eine DWDL.de-Nachfrage dazu blieb unbeantwortet.