Die Auseinandersetzung rund um die Reportagereihe "Klar" von NDR und BR hat nun auch den Rundfunkrat des NDR erreicht. Auf der Sitzung am Freitag ist lange über das Format, die jüngsten Entwicklungen und Konsequenzen daraus gesprochen worden. Dabei räumte NDR-Intendant Hendrik Lünenborg abermals Fehler im Umgang mit der Reihe ein. "Das hätte so, wie es passiert ist, nicht passieren dürfen", sagte Lünenborg, der erklärte, es seien auf mehreren Ebenen Fehlern gemacht worden.
Konkret erwähnte der NDR-Intendant das "Programm-Management, die Überführung von ‘Klar’ in den Regelbetrieb nach der Pilotphase und anschließend in der Kommunikation". Hintergrund: Zuerst hatte die "Welt" darüber berichtet, dass das Format, das bewusst auch konservative Stimmen einen Raum geben soll, nach der Pilotphase fortgesetzt wird. Anders als der BR will der NDR künftig aber nicht auf Julia Ruhs als Moderatorin setzen. Das sorgte für viel Kritik bis in höchste politische Kreise, auch Ruhs selbst kritisierte den NDR scharf für die Entscheidung.
Der NDR war in der Sache zunächst gar nicht sprechfähig und als man dann doch kommunizierte, bestätigte man lediglich die Infos der "Welt". Erst wenige Tage danach zauberte man mit Tanit Koch plötzlich einen Ersatz für Julia Ruhs aus dem Hut. Zur Schärfe der Debatte hat auch beigetragen, dass es NDR-intern viel Kritik an der Sendung und Ruhs gegeben hatte - einige Medien legten das so aus, als würde der NDR die Moderatorin deshalb "absetzen".
"Unsere Debattenkultur ist im Moment nicht im allerbesten Zustand", sagte NDR-Intendant Lünenborg jetzt vor dem Rundfunkrat. Man wolle jetzt einen Prozess aufsetzen, "der Debattenkultur nachhaltig verbessert". Eine "Perspektivenerweiterung" sei die zentrale Aufgabe für den NDR in den nächsten Jahren.
Und auch aus dem Rundfunkrat gab es Kommentare zur Situation. Konkret wurde eine Programmbeschwerde zur ersten "Klar"-Folge, die sich mit dem Thema Migration beschäftigte, zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde im Gremium Kritik an der Folge laut. So wurde bemängelt, dass der Versuch, die Perspektivenvielfalt im Programm durch ein neues Format zu erhöhen, in der besagten Folge "nicht vollumfänglich den Erwartungen an die Qualitätsanforderungen des NDR an ein Reportageformat entsprochen" habe. Kritisiert wurde etwa die "beschränkte Perspektivenvielfalt innerhalb der Sendung und eine zu starke Emotionalisierung". Außerdem war von einer "Überfrachtung" mit Einzelthemen und eine dadurch "fehlende inhaltliche Vertiefung" die Rede.
Gleichzeitig stellte der Rundfunkrat fest, dass diese Punkte in den Folgen zwei und drei schon besser gelöst worden seien. Hier seien inhaltliche Gegenpositionen stärker herausgearbeitet und auf eine zurückgenommene Tonalität geachtet worden. Darüber hinaus verurteilte der Rundfunkrat jetzt auch eine Einflussnahme auf die Rundfunk- und Pressefreiheit. Vor allem einige Politiker hatten dem NDR für die Entscheidung, bei "Klar" nicht mehr auf Julia Ruhs zu setzen, mit Konsequenzen gedroht.
"Weder dürfen Landesregierungen durch öffentliche Äußerungen versuchen, Einfluss auf die Programmgestaltung zu nehmen, noch darf der Anschein erweckt werden, dass Programm- oder Personalentscheidungen auf medialen oder internen Druck zurückgenommen werden", betonte Nico Fickinger, Vorsitzender des NDR-Rundfunkrates. "Nach dem NDR Staatsvertrag ist es allein Aufgabe des Rundfunkrates, über die Frage zu entscheiden, ob eine Sendung oder Teile des Programms des NDR den Anforderungen des Staatsvertrages, der Qualitätsrichtlinien und den journalistischen Grundsätzen entsprechen."