Dass der "Spiegel" exklusiv aus den Wikileaks-Dokumenten berichten konnte, war kein Verstoß gegen den Pressekodex, in dem es in Richtlinie 1.1 heißt: "Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Vorgänge oder Ereignisse, die für die Meinungs- und Willensbildung wesentlich sind, darf nicht durch Exklusivverträge mit den Informanten oder durch deren Abschirmung eingeschränkt oder verhindert werden."

Eine Journalistin hatte sich beim Deutschen Presserat beschwert, dass der "Spiegel" eine Monopolstellung einnehme und Andere mangels Zugang zu den Unterlagen nicht berichten könnten. Der "Spiegel" entgegnete, dass es die Redaktion weder zur Bedingung für eine Zusammenarbeit mit Wikileaks gemacht, noch darauf gedrängt zu haben, dass andere Medien vom Zugang zu den Unterlagen ferngehalten werden sollten.

Dieser Argumentation schloss sich der Presserat an und wies die Beschwerde als unbegründet zurück. "Der Kodex kann einem Informanten - hier Wikileaks - nicht vorschreiben, dass er sich mit seinem Material an mehrere Redaktionen wenden muss. Dass der Spiegel dieses Angebot - wie auch die anderen Zeitungen im Ausland - angenommen hat, kann man der Zeitschrift nicht vorwerfen. Jede Redaktion, die exklusive Informationen erhalten kann, wird diese auch nutzen, um eine Exklusiv-Geschichte zu veröffentlichen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass nicht die Redaktion diejenige ist, die einem Informanten die Infos als Exklusivmeldung abkauft und damit ein Informationsmonopol anstrebt", heißt es zur Begründung.

In sechs anderen Fällen sprach der Deutsche Presserat hingegen Rügen aus. So kassierte "Bild.de" eine nicht-öffentliche Rüge, weil dort ungepixelte Fotos zweier ermordeter Jugendlicher gezeigt wurden. Der Ausschuss sah den Opferschutz verletzt und betonte, dass das Wissen um die Identität der Opfer für das Verständnis des Verbrechens unerheblich ist und daran kein öffentliches Interesse besteht. Die "Bild Bremen" erhielt eine nicht-öffentliche Rüge für zwei Artikel über die Vorwürfe sowie Gerichtsverhandlung gegen einen Ex-Spieler der Amateurmannschaft von Werder Bremen wegen versuchten Totschlags. Durch die in den Beiträgen erfolgten Fotoveröffentlichungen und Namensnennungen wurden beide Angeklagten identifizierbar. Das war eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Zudem verstieß die Zeitung mit ihrer vorverurteilenden Berichterstattung gegen die Unschuldsvermutung.

Wegen Schleichwerbung gerügt wurde unter anderem die Programmzeitschrift "tv Hören und Sehen". Sie hatte in vier Beiträgen über Krankheitsbilder jeweils ein bestimmtes Markenprodukt als Heilmittel genannt, obwohl es mehrere ähnliche Präparate gab. Dadurch entstand ein "publizistisch nicht begründbarer Wettbewerbsvorteil für einzelne Anbieter". Gegen die informationelle Selbstbestimmung verstieß die "Lünepost". Sie zeigt regelmäßig Fotos, auf denen jeweils eine Szene aus dem Straßenleben der Stadt gezeigt wird. Das Gesicht einer der dort abgebildeten Personen wird von der Zeitung gelb eingekreist und damit durch einen so genannten "Glückskreis" hervorgehoben. Unter demFoto wird der Aufenthaltsort der Person zum Zeitpunkt der Aufnahme genannt und es wird ein Einkaufsgutschein von 25 Euro versprochen, wenn sie sich innerhalb von vier Wochen bei der Zeitung meldet. Der Beschwerdeausschuss hält es für ethisch nicht vertretbar, dass die betreffenden Personen ohne ihr Wissen in der Zeitung veröffentlicht werden. Die Angaben zu Zeitpunkt und Aufenthaltsort seien zudem Angaben aus dem Privatleben der Abgebildeten, die ohne deren Einverständnis veröffentlicht würden.