Anke Schäferkordt ist längst nicht mehr nur Geschäftsführerin des Senders RTL, sie steht auch an der Spitze der Mediengruppe RTL Deutschland, ist seit Gerhard Zeilers Abgang gemeinsam mit Guillaume de Posch Geschäftsführerin der RTL Group und hat darüber hinaus auch noch einen Sitz im Bertelsmann-Vorstand übernommen - und damit Arbeit für drei Personen gleichzeitig, müsste man meinen. Trotzdem scheint sie bislang nicht bereit, zumindest die operative Führung des Senders RTL abzugeben.

Das könnte für den Marktführer in der Zukunft zunehmend zum Problem werden, da Schäferkordt auch dafür bekannt ist, jedes Detail selbst entscheiden und kontrollieren zu wollen. Torsten Zarges berichtet im aktuellen "kress report" über steigenden Unmut im Sender. Mitarbeiter der zweiten und dritten Führungsebene seien ob des mühsamen Prozesses, der jeder Entscheidung voran geht, genervt, zumal sich das Prozedere durch ihre neuen Aufgaben nun noch weiter in die Länge ziehe. Von einem "chronischen Entscheidungs- und Innovationsstau" werde unter der Hand gesprochen.

So warten etliche Konzepte und Piloten seit Monaten auf eine Entscheidung. Die versprochene Beschleunigung der Entscheidungen, die Schäferkordt auf dem Deutschen Produzententag versprochen habe, sei nicht eingetreten, im Gegenteil. Dadurch habe die Programmerneuerung auch nicht so umfangreich ausfallen können, wie es möglich gewesen wäre. Dabei sei Schäferkordt selbst von höchster Stelle - namentlich Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe - nahegelegt worden, die operative Senderführung abzugeben oder zumindest einen Programmdirektor zu berufen, wie es im "kress" unter Berufung auf den Flurfunk in Gütersloh heißt. Bei Bertelsmann verweist man offiziell lediglich darauf, dass "alle Entscheidungen bezüglich der personellen Aufstellung bei RTL voll in der Verantwortung von Frau Schäferkordt" liegen.

Die hat es allerdings offenbar weiterhin nicht eilig, sich Unterstützung an Bord zu holen. Auf Anfrage heißt es bei RTL lediglich, dass Anke Schäferkordt ihre neuen Funktionen schließlich "erst vor vier Monaten übernommen" habe. Daher seien kurzfristige Veränderungen nicht geplant. Immerhin: Mittelfristig will sie sich ansehen, ob die Aufgaben gut verteilt seien. Bis dahin dürften sich viele weiter über den "Entscheidungsstau" in Köln-Deutz ärgern.

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