Er nannte es ein "Plädoyer des Optimismus": Gerhard Zeiler, langjähriger CEO der RTL Group und seit Mai beim US-Konzern Turner für das internationale TV-Geschäft verantwortlich, versuchte am Mittwochmorgen bei seiner Grundsatzrede zur Eröffnung der Medientage München den Spagat zwischen inspirierendem Optimismus und nüchterner Betrachtung. Es gebe, so Zeiler in seinen einleitenden Worten, ohnehin ja immer zwei Denkschulen bei Medienkongressen wie dem jetzigen. Es gebe die, die die traditionellen Medien bereits am Abgrund sehen. Dazu gehörten, so ein kleiner Seitenhieb, kurioserweise zahlreiche Print-Macher selbst. Und dann gebe es die, die trotz allem Wandel optimistisch bleiben. Die daran glauben, dass die Werte der Branche von journalistischer Qualität bis zu guter Unterhaltung, auch in der digitalen Welt "erhaltbar, ja sogar vertiefbar sind." Zeiler zählt sich selbst ohne Zweifel zur zweiten Denkschule: "Ich war noch nie Kulturpessimist."

Er skizzierte die wichtigsten technischen Veränderungen, immer mit Schwerpunkt auf seiner Fernseh-Branche: Die zunehmende Mobilität, die zunehmende Zahl von Smart-TVs und die neue App-Kultur. All das senke Hürden: Zusätzliche Angebote, mehr Vielfalt denn je und das technisch einfach und simpel - so werde der Konsument mächtiger denn je. "Content ist king - das stimmt. Aber manche vergessen, wer bestimmt, welcher Content genutzt wird. Das ist der Konsument", so Zeiler in München. Aber nicht nur für den Konsumenten sinken die Hürden. Zwei Prophezeiungen von Zeiler: Die Eintrittsschwelle für neue Medienanbieter wird verringert - und der Konkurrenzkammpf sich damit weiter verschärfen. Dabei müssen neue Angebote nicht zwingend bestehende verdrängen. So habe der Erfolg von Netflix in den USA nicht auf Kosten von PayTV-Sendern stattgefunden. Neue Anbieter verdrängen nur, wenn man sie nicht als Antrieb zu Fortschritt und Weiterentwicklung versteht und selber stehen bleibt.

Doch Veränderung geschehe nicht so schnell wie manche fühlen würden. Zeiler nannte in Beispiel: "Es gibt keinen Trend zu mehr zeitversetztem Fernsehen." Die Nutzung sei in den vergangenen sechs Jahren nicht spürbar gestiegen. "Revolutionen sehen anders aus", so Zeiler. Auch die Zahl der regelmäßig geschauten Sender hätte sich in den vergangenen zehn Jahren von 7 auf 12 gesteigert - obwohl das Angebot um ein Vielfaches gewachsen sei. "Wir erleben eine Evolution aber keine Revolution im Konsumentenverhalten", so sein Fazit. Und Fernsehen bleibe in der künftigen Medienlandschaft den anderen Mediengattung überlegen, weil es für den Konsumenten günstig und immer bequemer zu konsumieren ist. Die beiden Argumente sind für Zeiler "ein unschlagbares Duo". Bei den Klagen über die Gratiskultur differenzierte er: Es gebe den legalen und illegalen Aspekt.

Der illegale ist klar und müsse bekämpft werden. Schockierend sei hier ein inzwischen oft völlig fehlendes Unrechtsbewusstsein bei manchen Nutzern und Firmen, die auch noch auf diesen Zug aufspringen. Die grundsätzliche Annahme, dass Konsumenten nicht bereit wären, für Inhalte zu zahlen, ist in seinen Augen falsch. Apps, Pay-TV und all das Geld, das Menschen in die Geräte zur Mediennutzung investieren, beweisen das Gegenteil. Er beklagt in diesem Zusammenhang den fehlenden Strategiewechsel bei vielen Verlagen. Sie müssten ihre Inhalte online kostenpflichtig machen, denn "Qualität hat ihren Preis". Und TV-Anbieter sollten daran denken: "Der Konsument ist grundsätzlich ungeduldig. Können wir es ihm nicht anbieten, dann tun es andere."

Dies ist auch gleichzeitig der erste von insgesamt acht Grundsätzen mit denen Zeiler seine Eröffnungsrede am Mittwochmorgen zu Ende brachte. Sender und Rechteinhaber müssten gemeinsam zu sinnvollen Einigungen kommen, die rechtliche Klarheit für neue legale Angebote schaffen. Der 2. Grundsatz für Zeiler mit Blick auf den TV-Markt: "You have to be local" - man kann nicht erfolgreich sein, wenn man sich nicht auf den jeweiligen Markt einlässt. Als Beispiel nannte er die erste deutsche PayTV-Serie bei TNT Serie. Die zwei nächsten Grundsätze: "Fragmentiere dich selbst bevor es andere tun" und "Habe keine Angst vor Facebook, Twitter und YouTube". Natürlich sei Social Media in gewisser Weise Konkurrenz - aber eine, die man positiv für sich nutzen könne, sagte Zeiler und erzählte die Erfolgsgeschichte eines belgischen TNT-Werbespots, der im Netz mehr als 26 Millionen Views erzielt hat.

"Positioniere deine Marke richtig" und "PayTV ist ein essentieller Teil der Fernsehlandschaft" sind zwei weitere Grundsätze. Genauso wie Nr. 7: Risikobereitschaft und Innovationsgeist. Heutiges Scheitern könne morgen die Grundlage für etwas Neues sein. Und zum Abschluss kommt ein Grundsatz, der sich sehr deutlich an die beiden großen deutschen FreeTV-Sendergruppen richtet - also auch die Mediengruppe RTL Deutschland: "Respektiere den kreativen Prozess und investiere in ihn". Für Zeiler ist das überlebenswichtig, denn Fernsehen sei ein "talent business". Da muss man Beträchtliches investieren. Und das Ausbleiben dieser massiven Investitionen und mangelnde Bereitschaft zur Wertschätzung von kreativer Arbeit auch in Form von finanziellen Mitteln beklagen seit einiger Zeit viele deutsche Produzenten. Doch auch wenn Gerhard Zeiler mahnende Worte formulierte - er bleibt optimistisch: Die traditionellen Medien werden auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen.