Schon im Februar hatte Theo Koll gegenüber "Cicero" erklärt, über ein "Politbarometer" vor der Bundestagswahl nachzudenken. Nun ist klar, dass es genau so kommen wird. Im September wird das ZDF erstmals am Donnerstag vor der Wahl aktuelle Umfrageergebnisse präsentieren. Ab 2014 soll dieses Modell grundsätzlich vor allen Bundestags-, Landtags- und Europawahlen angewendet werden, kündigte das ZDF an.

Die bisher geltende freiwillige Beschränkung, in der Woche vor einer bundesweiten Wahl oder einer Landtagswahl keine Umfrageergebnisse zu veröffentlichen, werde damit aufgehoben, kündigte ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut vor dem Fernsehrat in Mainz an. Er begründete die Entscheidung mit der massiven Veränderung des Wählerverhaltens. "Wechselwähler machen heute einen viel größeren Teil der Wählerschaft aus, und der Wähler entscheidet sich immer später", sagte Bellut.

"Wir sehen uns daher in der Pflicht, den Wähler mit einem aktuellen Stimmungsbild zu informieren und ihn nicht wider besseres Wissen auf dem Stand veralteter Informationen zu lassen." Eine umfassende Auswertung der Forschungsgruppe Wahlen habe ergeben, dass die bisher unveröffentlichten, kurzfristigen Umfragen vor Wahlen deutlich geringere Fehlerquoten aufwiesen als die letztveröffentlichten Daten zehn Tage vor der Wahl. Das ZDF wolle mit der geplanten Änderung den Zuschauern "bestmögliche, aktuelle Informationen bei maximaler Transparenz" bieten.

Die Neuerungen beim "Politbarometer" habe man bereits mit der ARD erörtert. Dort zeigte man sich zu Beginn des Jahres von dem Vorhaben jedoch wenig erfreut. "Weitere veröffentlichte Umfragen vor dem Wahltag könnten einen Kreislauf zwischen taktischen Wahlentscheidungen und neuer Entscheidungsgrundlage durch Umfragen in Gang setzen, der aus meiner Sicht dem demokratischen System nicht förderlich ist", betonte WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn im Februar gegenüber dem Magazin "Cicero".

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