Sat.1 hat sich bekanntlich dazu entschieden, die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises in diesem Jahr am späten Abend zu versenden - insofern ist es nur allzu konsequent, dass wohl so viele Nischen-Formate wie noch nie in der immerhin 15-jährigen Geschichte des Presies ausgezeichnet wurden. RTL, trotz massiven Quoteneinbruchs immer noch Marktführer, ging sogar komplett leer aus. Einen Preis für "Christine. Perfekt war gestern" hatten aber im Vorfeld ohnehin nur die Wenigsten erwartet. Wer also sind die Gewinner des diesjährigen Fernsehpreises? Zunächst einmal blieb die Sensation aus: Die RTL II-Soap "Berlin - Tag & Nacht" erhielt keine Auszeichnung und musste sich in der Kategore Bestes Dokutainment der ZDFneo-Reihe "Auf der Flucht - Das Experiment" geschlagen geben.

Von nur 60.000 Zuschauern wurde das nicht unumstrittene Format in der Nische gesehen. Kaum mehr Zuschauer erreichte "Zeit der Helden". Das äußerst ambitionierte Projekt wurde als Beste Serie ausgezeichnet und machte damit das Rennen gegen "Christine" und die ARD-Vorabendserie "Hubert und Staller". Zu sehen war "Zeit der Helden" nur bei Arte und im SWR Fernsehen, was die Frage aufwirft, wieso die ARD diese offenkundig sehenswerte Produktion einem breiten Publikum eigentlich vorenthielt. Ebenso verdient ist die Auszeichnung für "Götter wie wir" als Beste Comedy: Das Mini-Format von ZDFkultur setzte sich in einem hochkarätigen Wettbewerb gegen das "Frühstücksfernsehen" von Olli Dittrich und die "heute-show" durch. Dass das ZDF die Comedy wohl nicht fortsetzen wird, ist bei aller Freude über den Fernsehpreis allerdings höchstragisch.

Höchstkomisch geriet im Gegenzug die Laudatio von Max Giermann und Martin Klempnow, die als "Tatort"-Kommissare Boerne und Thiel eine glänzende Show hinlegten - und nicht nur den "Original-Boerne" Jan Josef Liefers im Publikum zu Lachen brachten. Auch sonst gab es kleine, feine Gewinner, wie etwa die Dokumentation "Staatsgeheimnis Bankenrettung", die bei ihrer Ausstrahlung auf Arte gerade mal 380.000 Zuschauer erreichte. Als Beste Dokumentation wurde "Hudekamp - Ein Heimatfilm" mit dem Fernsehpreis geehrt und damit eine weitere in der Nische versteckte Sendung. 110.000 Zuschauer wollten die Doku im NDR Fernsehen sehen. Sie wies damit unter anderem Guido Knops Abschieds-Reihe "Weltenbrand" in die Schranken. 

Doch damit nicht genug: Auch das das WDR-Magazin "sport inside" wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis geehrt - und damit eine Sendung, die im Schnitt von rund einer Viertelmillion Menschen gesehen wird. Kurz gesagt: Es lebe das Nischen-Fernsehen! Allesamt ehrwürdige Gewinner, kein Zweifel. Eine Frage aber bleibt: Wie gut ist es um die Qualität der großen Sender bestellt, wenn plötzlich zu einem weiten Teil nur noch Formate auszeichnungswürdig sind, die bloß in der Nische stattfinden? Diese Frage sollte die Senderchefs in den kommenden Wochen und Monaten umtreiben, schließlich muss es doch möglich sein, auch der breiten Masse mehr zu bieten als zumeist belanglose Meterware.

Dass es auch anders geht, zeigte etwa die Auszeichnung für die neue Tanzshow "Got to Dance" von ProSieben und Sat.1, die in der Tat innovativ war. Völlig unstrittig auch die zu erwartende Auszeichnung für "Unsere Mütter, unsere Väter": Der international gefeierte ZDF-Film gewann den Fernsehpreis als Bester Mehrteiler und behauptete sich wenig überraschend gegen "Adlon" und "Der Turm". Wohl schon lange nicht mehr hat eine deutsche Produktion auch über die Grenzen hinaus derart viel Anerkennung bekommen wie der Kriegs-Dreiteiler, den der Mainzer Sender in diesem Jahr ausstrahlte und damit den Maßstab für künftige Mehrteiler ziemlich hoch legte. Als Bester Fernsehfilm wurde zuvor bereits der ARD-Film "Operation Zucker" ausgezeichnet - auch mit dieser Entscheidung der Jury dürften die meisten einverstanden sein.

Die Preise für die besten Schauspieler erhielen Susanne Wolff für ihre Leistung im ARD-Film "Mobbing" und Matthias Brandt, der sogar für gleich vier Produktionen nominiert war, darunter zwei "Polizeiruf"-Filme. Aber auch in den Spielfilmen "Eine mörderische Entscheidung" und "Verratene Freunde", die ebenfalls im Ersten ausgestrahlt wurden, glänzte der Schauspieler, dem die Fernsehpreis-Jury "höchste Glaubwürdigkeit" attestierte. Ins Rennen um den Publikumspreis schickten ARD, ZDF, RTL und Sat.1 derweil in diesem Jahr ihre Nachrichtensendungen. Als Gewinner ging dabei das "heute-journal" des ZDF hervor. Die "Sat.1 Nachrichten" landeten mit nur etwas mehr als acht Prozent der Stimmen abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Noch dazu musste Anchor Marc Bator reichlich Häme einstecken. Etwa in einem Einspielfilm, in dem ein "Eye TV"-Nachrichtensprecher ätzte, dass ganz sicher ausschließlich inhaltliche Gründe den Ausschlag für Bators Wechsel von der "Tagesschau" zu Sat.1 gegeben haben. Zuvor sprang sogar ein "Lügendetektor" an, als Moderator Oliver Pocher Bators Wechsel als "Quantensprung" in dessen Karriere anpries. Und sonst? Allzu viele Höhepunkte bot die diesjährige Fernsehpreis-Gala nicht. Nach zähem Beginn steigerte sich die Sendung allerdings dann doch noch. Mit der fantastischen Moderation von Oliver Welke und Olaf Schubert aus dem vergangenen Jahr konnten Cindy aus Marzahn und Oliver Pocher nicht mithalten. Ordentlich machten sie ihre Sache aber durchaus - und an mancher Stelle blitzte auch eine schöne Portion Selbstironie auf.

Zu den weiteren Gewinnern: Sieger in der Kategorie Beste Information, in der Bator die Laudatio hielt, wurde das "Auslandsjournal XXL" über Brasilien, das sich unter anderem gegen den ProSieben-Polittalk "Absolute Mehrheit" durchsetzte. Dass Moderator Stefan Raab dennoch nicht anwesend war, spricht dabei nicht gerade für die Gala - zumal in diesem Jahr ja auch noch Raabs Sendergruppe den Fernsehpreis ausrichtete. Den mit 15.000 Euro dotierten Förderpreis erhielt Leonard Carow - und nicht, wie Cindy aus Marzahn und Oliver Pocher zunächst scherzten, der aus "Berlin - Tag & Nacht" und "Promi Big Brother" bekannte Jan Leyk. Ottfried Fischer nahm schließlich noch den Ehrenpreis der Stifter entgegen, sorgte mit seiner Dankesrede allerdings nur für wenige Lacher.

Geht es um die Zahl der Preise, so war das ZDF in diesem Jahr der große Gewinner - auch, weil man sich mit "Auf der Flucht" und "Götter wie wir" auf seine kleinen Digitalsender verlassen konnte. Insgesamt erhielt der Mainzer Sender gleich sechs Fernsehpreise, wenn man die Besondere Ehrung für Richard David Precht dazuzählt. Alle Privatsender zusammen wurden hingegen mit einer einzigen Auszeichnung bedacht, nämlich jener für "Got to Dance". Das ist in der 15-jährigen Fernsehpreis-Geschichte ein bitterer Tiefpunkt, der zugleich reichlich Ansporn sein sollte, um sich endlich wieder an innovativere und mutigere Stoffe zu wagen. Die rückläufigen Quoten, die insbesondere RTL und Sat.1 zuletzt hinnehmen mussten, zeigen, dass die Zuschauer das ganz ähnlich sehen.