"Bollywood ist für uns ein Imageprodukt": RTL II mag es indisch

Foto: RTL IIWäre dieser Film eine Hollywood-Produktion, dann würde die Fernsehbranche von einem Ding der Unmöglichkeit sprechen, wenn RTL II den Film am 18. März zur besten Sendezeit im Free TV ausstrahlt:  "Lebe und denke nicht an morgen" von Regisseur Nikhil Advani feierte erst auf der Berlinale des letzten Jahres Europapremiere und lief im Sommer 2004 in deutschen Kinos.

Eine so schnelle FreeTV-Premiere ist möglich, weil sich in Deutschland bislang kein Fernsehsender für die Produktionen aus Indien, aus der liebevoll "Bollywood" genannten Filmfabrik, interessierte. Dabei waren die Kritiker begeistert als "Lebe und denke nicht an morgen" vor einem guten halben Jahr in deutschen Filmkunstkinos unter dem Titel "Indian Love Story - Kal Ho Naa Ho" lief.

So können Inder nach Ansicht der Berliner Morgenpost "amerikanische Feel Good-Movies besser machen als alle anderen" und die Süddeutsche Zeitung fragte gleich: "Kommt aus Bollywood die Rettung des amerikanischen Kinos?". In dieser dramatischen Dimension bewegt sich die Ausstrahlung des Films bei RTL II sicher nicht und doch ist es für den Münchener Sender ein viel versprechender Versuch sein Programm um eine weitere Farbe zu erweitern.

"Wieso hat das bisher keiner gemacht?"

RTL II-Spielfilmchefin Minea Bauer (Foto) entdeckte Bollywood vor zwei Jahren für sich und arbeitete seitdem daran, die Filme auch ins deutsche Fernsehen zu bringen. Bis dato gab es allenfalls selten einmal eine Bollywood-Produktionen bei 3sat, entsprechend der geringen Einschaltquoten aber fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Von Premium-Fiction-Programmen schwärmt Bauer, wenn sie über Bollywood redet und spricht von einem "Sprung nach vorne" für RTL II.

Die Euphorie kommt jetzt vor der Ausstrahlung des zweiten Streifens aus der indischen Filmschmiede nicht von ungefähr: Der erste Bollywood-Film bei RTL II, "In guten wie in schweren Tagen", war im November ein Überraschungserfolg und erzielte trotz schier endloser Laufzeit von fast vier Stunden eine enorme Quote. Mit im Schnitt 1,93 Millionen Zuschauern und einem Zielgruppen-Marktanteil von 12,3 Prozent war die Fortsetzung des Bollywood-Experiments sicher.

Was hat Bollywood, was Hollywood nicht hat?

Foto: RTL IIWieso also haben solche Filme, die in der Produktion der Hochwertigkeit von Hollywood-Produktionen selten nachstehen und mit vielfach ausgezeichneten Schauspielern auftrumpfen können, bislang kaum Beachtung gefunden? Es liegt, auch nach Ansicht der RTL II-Spielfilmchefin, offenbar am anderen Kulturkreis. Trotz aller politischer und mancher gesellschaftlicher Differenzen liegt den Deutschen der "american way of story telling" offenbar näher als das indische Kino. Noch jedenfalls.

Wenn es nach Bauer ginge, würden mehr indische Filme ins deutsche Fernsehen kommen. "Bei Hollywood-Filmen bange ich nicht mehr um den Helden, bei Bollywood-Produktionen fühlt man mit, man trinkt die Filme regelrecht", erklärt Bauer. Vielleicht gibt RTL II auch deswegen im Vorfeld des zweiten Films per Pressemitteilung ein Rezept für ein typisch indisches Getränk mit auf den Weg.

"Sicherlich", so Bauer, sei Bollywood bei RTL II so etwas wie die internationale Antwort auf die Renaissance des Heimatfilms. Im Gegensatz zu manch öffentlich-rechtlichen neuproduzierten Heile Welt-Geschichten sei das Anschauen eines Bollywood-Film aber kein Grund zum Schämen. "Heimatfilme gelten seit 1968 bei den jungen Zuschauern als verstaubt, bei Bollywood aber kann man in eine andere Welt eintauchen, sich emotional berühren lassen und es muss einem nicht peinlich sein - man kann sich trauen", ist sich die RTL II-Spielfilmchefin sicher.

Fortsetzung folgt: Weitere Bollywood-Filme 2005

Im Frühjahr wird "Lebe und denke nicht an morgen" der einzige Bollywood-Film bleiben bei RTL II. In der kommenden TV-Saison setzt RTL II dann aber regelmäßig und häufiger auf die Filme aus Indien. "Mehr als einmal im Quartal", so Bauer, werde man ab Herbst auf Bollywood setzen. Die langen Synchronisationsarbeiten machen einen früheren Start nicht möglich: Durchschnittlich drei Monate dauert die Bearbeitung eines Films für den deutschen Markt.

Noch "eine handvoll Filme" will RTL II zwischen September und Dezember zeigen. Die "Premium-Fiction-Programme" dienen dabei nicht nur der guten Quote, sondern auch besonders dem Image des Senders, der immer noch oft mit Billigformaten verbunden wird. "Bollywood ist für uns auch ein Imageprodukt und hilft hoffentlich dabei", fasst  Bauer zusammen.