Im Herbst vergangenen Jahres kam die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein zu der Erkenntnis, dass die Scripted-Reality-Formate am Nachmittag ein "erhebliches Potenzial zur Desorientierung von jungen Zuschauern" bergen und forderte daher, entsprechende Warnhinweise einzuführen. Seitdem verhandelten Landesmedienanstalten und Privatsender über Regelungen zur Kennzeichnung dieser Formate und haben sich nun auf einheitliche Regeln geeinigt.

Die "Leitlinien für die Kennzeichnung und deren Wahrnehmbarkeit bei Scripted-Reality-Formaten", an die sich die Privatsender wohlgemerkt freiwillig halten wollen, sehen im Wesentlichen vor, dass eine der folgenden Formulierungen zur Kennzeichnung gewählt werden soll: "Der/Die Fall/Geschichte/Handlung ist (frei) erfunden/(frei) erzählt.", "Alle handelnden Personen sind (frei) erfunden." oder "Nach einer/einem realen/tatsächlichen Geschichte/Handlung/Ereignis (frei) erzählt." Diese Module können auch leicht abgewandelt, konkretisiert oder um zusätzliche Informationen ergänzt werden. "Einheitlich" - so eines der Ziele dieser Leitlinien - sehen diese Hinweise also nur sehr bedingt aus.

Der eigentliche Knackpunkt war aber die Frage, wann und in welcher Form diese Hinweise eingeblendet werden sollen. Von vorgebrachten Ideen, solche Hinweise bildschirmfüllend zu Beginn der Sendung zu zeigen oder sie gar dauerhaft am Bildschirmrand einzublenden, ist nichts übrig geblieben. Stattdessen heißt es nun: "Die Platzierung der Kennzeichnung erfolgt im Abspann. Eine Kennzeichnung am Beginn der Sendung ist optional". In Bezug auf Größe, Form oder Farbgebung lässt man den Sendern ebenfalls freie Hand: Typografie und Farbe des Corporate Designs dürfen übernommen werden, die Schriftgröße soll nur "gut lesbar" und nicht kleiner sein als bei nachfolgenden Texteinblendungen.

Wiederholungen oder bereits produzierte Folgen können ohnehin weiter so ausgestrahlt werden wie bislang, man bezieht sich nur auf neu produzierte Folgen. Doch auch hier bedeuten die neuen Leitlinien im Wesentlichen: Alle können so weitermachen wie zuletzt. Denn ob RTL, Sat.1, Vox oder RTL II: Die genannten Formulierungen fanden sich auch bislang schon in der nun geforderten Form in den Abspännen der Sendungen. RTL übererfüllt diese Minimal-Regelung ohnehin seit langem und blendet schon zu Beginn der Sendungen: "Buch: Autorenteam filmpool. Alle handelnden Personen sind frei erfunden" ein.

Scripted Reality-Hinweis© RTL

Scripted Reality-Hinweis

Der Vorsitzende der Gremienvorsitzendenkonferenz der Landesmedienanstalten Winfried Engel zeigt sich dennoch erfreut: "Die Gremienvorsitzendenkonferenz begrüßt einhellig die verabschiedeten Leitlinien. Sie sind Ergebnis eines sachlich und konstruktiv angelegten Dialogs zwischen Gremienmitgliedern und Sendervertretern und legen den Grundstein für eine künftig verständlichere und besser wahrnehmbare Kennzeichnung von Scripted-Reality-Sendungen." Annette Kümmel, Vorsitzende des Fachbereichs Fernsehen und Multimedia im Privatsenderverband VPRT, weist darauf hin, dass damit "die teils bisher bereits gelebte Kennzeichnungspraxis umgesetzt" umgesetzt werde und eine senderübergreifende einheitliche Basis geschaffen werde.

Scripted Reality-Hinweis

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Angesichts der Tatsache, dass sich an den derzeitigen Kennzeichnungen durch die Leitlinien nun kaum etwas ändern dürfte, wird sich wohl auch an der grundsätzlichen Diskussion über Scripted Reality kaum etwas ändern - auch wenn Medienhüter und Privatsender anderer Meinung sind: "Der VPRT und die GVK verbinden mit den Verhaltensgrundsätzen und der verabredeten einheitlicheren Kennzeichnung die Erwartung, dass die in der Öffentlichkeit bisweilen unausgewogen geführte Debatte versachlicht werde."

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