Sie beklagt den Druck der Zuschauer - von ihr "Junkie" genannt - und des Senders, dass bei „Newtopia“ endlich wieder etwas Großes passiere. Man hätte schon diverse Pläne für die Kandidaten ausgedacht. Zum Beispiel auch die Eröffnung eines Tattoo-Studio in Newtopia. Pikant an dieser Aussage: Diese Ideen hatte die neue Kandidatin Kate kurz nach dem Einzug schon einmal vorgeschlagen. Vermutlich also auf Anweisung.

Die Tonalität des nächtlichen Gesprächs kann man als frustriert und entmutigt bezeichnen. Man unterhält sich über die Einflussnahme der Produktion auf die Geschehnisse bei „Newtopia“ - und wie das in der niederländischen Sendung gehandhabt werde. Kandidatin Conny beschwert sich. Durch diese Manipulationen sei bei ihr das Vertrauen in die Produktion verloren gegangen. Die Executive Producerin beteuert, sie stehe immer auf der Seite der Pioniere und verteidige sie gegenüber Kritik. Ein Restaurant zu eröffnen - das sei übrigens auch der ausdrückliche Wunsch von John de Mol. Mit diesem Projekt würden auch die Kandidaten Steffen und Tatjana nicht mehr so nutzlos sein.

Ein weiterer Talpa-Mitarbeiter kommt dazu. Erkennbar angetrunken führt die Executive Producerin in einem Mix aus Beteuerung, Motivation und Beklagen aus, wie schwer der Job sei. Die Pioniere müssten ihr vertrauen. Sie habe echt Probleme, es sei schlimm. Eigentlich dürfe sie jetzt gerade auch nicht hier sein. Per Funkgerät erhält sie plötzlich die Ansage „Batteriewechsel“. Offenbar hat die Produktion bemerkt, dass all das, was gerade in der Scheune passierte, über die 360°-Kamera live ins Netz übertragen wurde. Die Unterhaltung geht dennoch zunächst weiter - bis der Ton im Stream der 360°-Kamera abgeschaltet wird.

Die Idee hinter dem TV-Format „Newtopia“ sei die Erschaffung einer neuen Gesellschaft, hieß es im Vorfeld. Immer wieder kokettierten Produzent John de Mol und auch Sat.1-Geschäftsführer Nicolas Paalzow in den vergangenen Monaten damit, dass man sich einfach überraschen lassen müsse, was in „Newtopia“ passieren werde. Der experimentelle Charakter der Sendung basierte schließlich allein auf dieser kultivierten Ungewissheit. Das machte „Newtopia“ in der Theorie auch spannend.

Seit vergangener Nacht ist jetzt dokumentiert, was in der Branche ohnehin niemanden überrascht: In der Praxis ist „Newtopia“ Scripted Entertainment. Wenn das erklärte Ziel der Sendung darin bestand, zu erfahren, ob die für das Format ausgewählten Pioniere im Alleingang eine neue Gesellschaft aufbauen können, dann lässt sich an diesem 13. April sagen: Experiment gescheitert. Bitter ist das auch für ITV Studios. Zum Preis von 500 Millionen Euro will das britische TV-Haus John de Mols Talpa übernehmen. Eines seiner Assets ist in Königs-Wusterhausen implodiert.

„Newtopia“ kann beendet werden.

Update: Auf der Facebook-Seite von "Newtopia" veröffentlichte Sat.1 um 11.15 Uhr eine erste Stellungnahme und entschuldigte sich.

Das Posting steht mittlerweile nicht mehr zur Verfügung

Inzwischen hat sich auch die Produktionsfirma Talpa via Facebook zu Wort gemeldet.

Stellungnahme Talpa Germany:Die 15 Pioniere in Newtopia sind vollständig selbst dafür verantwortlich, wie sie ihr Leben...

Posted by Newtopia on Montag, 13. April 2015