Anlässlich des International Journalism Festival riefen Amazon, "La Stampa", "El Pais", der "Guardian" und DWDL.de Nachwuchsjournalisten auf, ein Essay über die Zukunft des Journalismus zu schreiben. In dieser Woche veröffentlichen wir die Gewinner-Beiträge. Der französische Gewinner Arièle Bonte hat sein Journalismus-Studium an der Sciences Po in Paris abgeschlossen

„Die Medien haben ein Problem.“ Sie brauchen nur zuzuhören. In einem Café im Erdgeschoss eines Gebäudes, am Nachbartisch in der Mittagspause, auf den Fluren einer Journalistenschule und abends bei einem Drink. Das gleiche Lied, immer und immer wieder. Jedes Mal legen sie den Finger in die Wunde. Lächeln, nicken und zuhören. Nicht werten. Jederzeit unsere Arbeit tun. Und was ist, wenn wir diese Heuchelei nicht mehr aufrechterhalten?

Die Zukunft ist weit weg. Zehn Jahre, ist das genug? Die Zukunft der Medienbranche - die jungen Journalisten von heute werden sie lebendig erhalten. Das wird allerdings auch - dies vor allem - jeder tun, der Ihnen im Hausflur Ihres Wohnhauses oder in der Kassenschlange im Supermarkt an der Ecke begegnet. Alle Menschen, mit denen Sie in den sozialen Medien und über mobile Apps chatten. Sie sind davon überzeugt, dass Journalismus notwendig ist, weisen jedoch alle Anzeichen mangelnden Vertrauens in die Medien auf. Was ist zu tun? Wie können wir dieses Vertrauen zurückgewinnen?

Wir müssen mit den jungen Leuten von heute sprechen, denen, die sich in der Welt von morgen engagieren möchten, die nach Veränderung suchen und die Welt verbessern wollen. Der Umfang, die Größe spielt keine Rolle. Groß oder klein. Jede Handbewegung, jedes Handeln hat globale Wirkung - alle sind Schneebälle. Eine neue Generation steht auf und breitet ihre Flügel aus und wir müssen ihnen zuhören. Es sind junge Leute, die ihre eigenen bevorzugten Themen behandeln wollen - wie die unterdrückten Jugendlichen der Vorstädte, die nicht von einem besseren Leben träumen können. Oder diejenigen, die ihr Augenmerk auf die Umwelt richten und sich gesellschaftlich engagieren. Es sind auch diejenigen, die insgeheim darüber nachdenken, ihr Leben zu ändern, aber kaum davon träumen werden, ein Unternehmen zu gründen oder noch einmal ganz neu anzufangen.

Und doch müssen wir auf diese neue Generation zählen, auf Menschen, die sich unaufhörlich neue Möglichkeiten ausdenken, über Smartphones, Tablets und Apps miteinander zu kommunizieren. Ein ungeheures Netzwerk verbindet uns alle miteinander und das müssen wir nutzen. Manche haben diese unsichtbare Verbindung durch Anwendungen wahrnehmbar gemacht, die beispielsweise Treffen und Chats fördern. Sie vertreiben die Einsamkeit und lassen die Leute irgendwie wieder zu sich selbst kommen. Wieder Kontakt finden IRL - „In Real Life“, im wirklichen Leben - dank Wi-Fi. Die digitale Welt ist ungeheuer mächtig und der Journalismus muss sich diese Macht erschließen, die über potenzielle Quellen und Menschen verfügt, bei denen wertvolle Nachrichtenbeiträge über alle Themen unter der Sonne zu finden sind.

Journalisten müssen sämtliche in der digitalen Welt gebotenen Anwendungen umfassend nutzen. Vor allem aber müssen sie das verwenden, was ihre Leser ihnen anbieten. In gegenseitiger Zusammenarbeit müssen die Meinungen und Wünsche derjenigen, die uns lesen, hören, sehen und berühren, berücksichtigt werden, auch derjenigen, die Nachrichten ganz schnell überfliegen und im nächsten Augenblick wieder vergessen haben.

Was bringt all dies mit sich? Die Medien müssen die Funktion übernehmen, Menschen zu vereinen, zueinander zu bringen. Das derzeit bestehende Gleichgewicht der Kräfte muss ein Ende haben. Unsere Kameras dürfen nicht mehr zerstört werden und ebenso müssen wir aufhören, diejenigen zu verhöhnen, die die Welt von heute gestalten und die Welt von morgen aufbauen werden. Denn die Zukunft braucht Inspiration und optimistische Botschaften.

Zusammenarbeit, soziale Initiativen, Hoffnung. Der Journalismus muss künftig in seinen Berichten beide Seiten der Realität darstellen - Naturkatastrophen, Angriffe, Terrorismus, Kriege und Konflikte durchaus, aber ebenso sehr alle darin vorkommenden Menschen und Geschehnisse, auch die alltäglichen, anonymen Helden. Ein Nachrichtenkonsument will sich dem Geschehen nah fühlen. Wenn Nachrichten ebenso schnell gesammelt werden wie in die Presseagenturen und den ganzen Tag wieder und wieder darin herumgerührt wird und wenn in verschiedenen Zeitungen die gleichen Nachrichten abgedruckt werden und zu lesen sind, dann motiviert das die Nachrichtenkonsumenten immer weniger. Denn sie sind nur Konsumenten ohne Ziel oder Ausrichtung.

Die Zukunft des Journalismus liegt darin, Konsumenten in Menschen zu verwandeln, die aktiv an der Produktion der Nachrichten beteiligt werden. Was nützt es, jemanden mit einer Masse von Fakten und aktuellen Themen zu füttern, wenn er davon unberührt bleibt und die von uns vorgelegten Storys keinen Eindruck hinterlassen? Die Journalisten von morgen werden dafür sorgen, dass die Menschen gerne ihre Smartphones zur Seite legen, ihre Tablets ausschalten, ihre Wi-Fi-Verbindung trennen und ihre Couch verlassen, um sich für die Gesellschaft von morgen zu engagieren.

An der Bushaltestelle an der Ecke, im Waschsalon nebenan und in den Zeitungskiosken und Redaktionsstuben werden wir nicht mehr hören, dass „die Medien ein Problem haben“. Wir werden Menschen hören, die sich zu Projekten und Initiativen zusammentun. Wir werden Hilferufe hören und die Antworten darauf. Vielleicht werden wir sehen, wie eine einige Gesellschaft aussieht.

Nun müssen wir nur noch festlegen, wie weit in „die Zukunft“ hinein wir gehen wollen. Zehn Jahre? Fünf Jahre? Morgen?

Liefertermin: 29. Februar 2015

Empfänger: Die Zukunft!