Anlässlich des International Journalism Festival riefen Amazon, "La Stampa", "El Pais", der "Guardian" und DWDL.de Nachwuchsjournalisten auf, ein Essay über die Zukunft des Journalismus zu schreiben. In dieser Woche veröffentlichen wir die Gewinner-Beiträge. Der prämierte Text aus Großbritannien stammt von Rebecca Sian Wyde, Studentin an der Universität Durham.

Mit dem Heraufdämmern einer neuen Ära der Technologie und Hyperkonnektivität wird sowohl der nationale als auch der internationale Journalismus bald einen kritischen Punkt erreichen. Die Printmedien sind in Gefahr auszusterben, während das Internet immer weiter und weiter wächst und sogar Twitter kaum mit dem Tempo der Geschehnisse in aller Welt Schritt halten kann. Wie sieht also selbst inmitten des Wahnsinns und des hektischen Lärms unserer heutigen Welt die Zukunft des Journalismus aus? Wie können Journalisten momentan eine eigene Stimme finden und ihren Beruf inmitten des Geschreis von Millionen von Menschen lebendig und stabil halten?

Khaled Hosseini schrieb einmal: „Wenn die Kultur ein Haus ist, ist die Sprache der Hausschlüssel“. Die Nachrichten werden von Menschen verbreitet, die alle zu der einen oder anderen Kultur gehören. Wie sollen wir aber verstehen, richtig kommunizieren und eine ausgewogene Sichtweise präsentieren, wenn wir andere Sprachen und Kulturen absichtlich missverstehen? Erwiesenermaßen gewinnt man eine Weltanschauung, nachdem man eine Sprache erlernt hat, und angesichts des jüngsten Skandals um britische Botschafter, die in Russland die Landessprache nicht beherrschten und damit diplomatische Verwicklungen auslösten, meine ich, das gleiche gilt für den Journalismus. Manche würden sagen, die Zukunft des Journalismus liege in der Homogenität - ich sehe das anders. Nur wenn sie Unterschiede anerkennen und versuchen, die Nachrichten aus einem anderen Blickwinkel zu verstehen, können Journalisten wirklich zum Kern einer Story vordringen.

Stellen Sie sich einmal vor, wie es wäre, wenn Journalisten in Kriegsgebieten, vor Ort, keinen Dolmetscher brauchten, um mit ihren Interviewpartnern zu sprechen, sondern direkt mit ihnen kommunizieren würden? Wie viel mehr Informationen würden sie zusammentragen können, die andernfalls bei der Übersetzung verloren gingen? Nelson Mandela sagte einmal: „Wenn du in irgendeiner Sprache mit jemandem redest, sprichst du seinen Kopf an; redest du aber in seiner Muttersprache mit ihm, sprichst du sein Herz an.“ Herausragende internationale journalistische Leistungen könnten erbracht werden, wenn das Augenmerk mehr auf Sprachen und kulturellem Bewusstsein läge.

Ein bestimmtes kulturelles Erbe im Journalismus zu bewahren, statt in einer homogenen Masse zu drucken, würde sich als Nutzen für die ganze Welt erweisen. Die Menschen fühlen sich stärker verbunden, wenn die Medien sich um die Verbindung zu ihnen bemühen, und gegenwärtig verschwinden die Sprachen der Welt mit alarmierender Geschwindigkeit. Das kann allerdings zeitraubend sein - oft das drängendste Problem in der Welt des Journalismus. Trotz der Demokratisierung durch das Internet scheint es irgendwie nicht richtig zu sein, riesige Teile der Weltbevölkerung außer Acht zu lassen, weil sie zu den Inhalten keinen Zugang in ihrer Muttersprache haben. Jeder sollte es verdienen, zu wissen, was in unserer Welt vor sich geht, und dank der unglaublichen technologischen Fortschritte können wir diese Priorität heute setzen.

Oft wird die Technologie als Zukunft des Journalismus dargestellt. Wir sind mehr miteinander verbunden als jemals zuvor - in einem solchen Maße, dass es schon merkwürdig wirkt, wenn jemand kein Smartphone besitzt. In Bezug auf den Journalismus kann dies jedoch zweifellos ernste Konsequenzen haben. Die Nachrichten können zwar schneller als jemals zuvor aktualisiert werden, doch die schiere Geschwindigkeit, mit der man diese Interaktionen ablaufen lässt, schädigt letztlich ihre Glaubwürdigkeit: oft ist einfach keine Zeit mehr für einen ordentlichen Faktencheck oder sorgfältiges Korrekturlesen (jedenfalls in bestimmten britischen Tageszeitungen nicht) und dies kann zu einem ernsten Abfall der journalistischen Qualität führen.

Das Internet beherrscht unser Leben und daher wollen immer mehr Stimmen gehört werden. Das muss nicht unbedingt schlecht sein - wenn man von der Presse eins sagen kann, dann dass sie nicht mehr elitär ist. Jeder hat seine eigene Stimme - ob auf Twitter, Wordpress, Tumblr oder Reddit, alle diese sozialen Netzwerke sind aus sich heraus sehr einflussreich und für jede Ihrer Fragen hat das Internet eine Antwort, einen neuen Blog, auf den Sie geleitet werden, oder ein neues Forum, dem Sie beitreten können. Wie können Qualitätsjournalisten also den Wettbewerb bestehen? In diesem Fall wird sicherlich die Art und Weise gefragt sein, in der sie es immer schon getan haben: indem sie sich an die Fakten halten, indem sie keine unnötige Sensationsmache betreiben und indem sie in ihrem persönlichen Schreibstil Disziplin an den Tag legen, was bedauerlicherweise in vielen Internetveröffentlichungen nicht geschieht.

Doch wenn die Technologie sich in unserem Alltagsleben mehr und mehr festsetzt - was können wir da tun? Richtig angewandt, können Journalisten diese neuen Methoden nutzen, um Artikel in besserer Qualität viel schneller anzufertigen. Einfache Fakten können sofort überprüft werden, allerdings ist bei neu entwickelten Storys sorgfältig darauf zu achten, nicht unnötig Verwirrung zu stiften oder Fehler zu machen. Kurz gesagt, die Integrität ist hier offenbar die wichtigste Botschaft - obwohl das zugegebenermaßen viel schwieriger ist in einer Welt mit sofortiger Belohnung, in der man nur ein paar Knöpfe zu drücken braucht, um die gewünschte Antwort zu finden.

Eine der größten Stärken des Internets ist jedoch seine Anpassungsfähigkeit. Storys müssen nicht mehr nur aus reinem Text mit einem oder zwei Bildern bestehen. Journalisten können Medien aller Art verwenden, um eine lebendige, fesselnde Story herzustellen, die wiederum die Leser schneller und leichter in ihren Bann zieht als eine eng beschriebene Textseite. Die Story selbst wird zwar nach wie vor das Rückgrat des Journalismus sein, doch der Spielraum für Kreativität wird erheblich größer werden. Wenn wir beispielsweise die beweglichen Bilder in Harry Potters „Daily Prophet“ in der Fernsehwerbung nachahmen können, muss es sicher auch möglich sein, neue Storys zu animieren, während die Leute auf ihren Zug warten!

Trotz dieser viel versprechenden neuen Fortschritte in puncto Kreativität hatte vor allem die britische Presse in den letzten Jahren mit einer enormen Anzahl von Skandalen zu kämpfen, wobei die Leveson Inquiry (die Ermittlung im Frühjahr 2012 im Zusammenhang mit dem News-International-Abhörskandal) die gesamte Medienlandschaft erschütterte. Neuerdings ist ein bestimmter zynischer und misstrauischer Unterton erkennbar, wenn Briten von ihrer nationalen Presse sprechen - eine außerordentliche Schande für ein Land, das mit der BBC einen der größten Medienkonzerne der Welt hervorgebracht hat. Vielleicht liegt die Zukunft des Journalismus in der Transparenz, verbunden mit einem Sinn für Integrität. Die Menschen sollten ihren nationalen Medien vertrauen können, ohne das Gefühl, dass Dinge ihnen verheimlicht oder wegzensiert werden. Wir in Europa haben im Allgemeinen bemerkenswertes Glück, weil hier die Pressefreiheit nicht nur ein politischer Slogan, sondern ein Recht ist, von dem häufig Gebrauch gemacht wird, und tatsächliche Zensur glücklicherweise selten vorkommt.

Transparenz, Kreativität und Inklusivität scheinen die Begriffe zu sein, in denen sich die Zukunft des Journalismus verbirgt. Je mehr wir uns bewusst werden, dass wir in der Europäischen Union leben, desto stärker die Ausrichtung auf Kooperation, kulturelles Bewusstsein und Toleranz, die in der journalistischen Sphäre von unschätzbarem Wert sein wird. Darüber hinaus werden die technologischen Neuerungen ebenso wie bereits jetzt eine noch nie dagewesene Welle von Kreativität in der Branche ermöglichen, durch die Journalisten immer vielseitigere und faszinierendere Möglichkeiten finden, ihre Geschichten zu erzählen. Der wichtigste Aspekt für den Journalismus von morgen wird aber vielleicht die Transparenz sein. Dank dem Internet hat die Allgemeinheit viele Stimmen und ist entschlossen, sie zur Verbesserung der Welt, in der sie lebt, zu nutzen. Diese drei Qualitäten werden die Zukunft des Journalismus ausmachen und die Gewähr bieten, dass dieser Beruf auch weiterhin den gleichen stolzen Ruf genießt, den er immer schon hatte.