Der britische Fernsehsender Channel 4 ist für seine gewagten Infotainment-Programme seit Jahren über die Insel hinaus bekannt. Sein Status als Hybrid irgendwo zwischen öffentlich-rechtlichem Auftrag und Werbefinanzierung macht Formate des Senders international regelmäßig sehr begehrt, weil sie bei Produzenten und Sender außerhalb Großbritanniens oft gleichermaßen als markttauglich und im öffentlich-rechtlichen Sinne anspruchsvoll gelten. Im Sommer 2013 probierte Channel 4 mal wieder etwas Provokantes.

In der zweiteiligen Dokumentation „Why don’t you speak English?“ ging es um vier Einwanderer, die innerhalb einer Woche untergebracht bei Gastfamilien die englische Sprache so gut wie möglich lernen sollten. Mit provokantem Titel wollte man die Aufmerksamkeit auf die Sprachproblematik unter Einwanderern und im täglichen Leben mit englischsprachigen Mitbürgern in Großbritannien thematisieren. Die britischen Fernsehkritiker waren geteilter Meinung darüber, ob dies wirklich gelang: So ging es in der Tat weniger um den Lernprozess und die Erklärung der Notwendigkeit, die Landessprache zu verstehen, als um das zwischenmenschliche Miteinander von Einwanderern und ihren Gastfamilien.

Hätte es ein solches Format überhaupt ins deutsche Fernsehen geschafft? „Eine Sendung wie ‚Macht Duisburg deutsch‘ wäre bei uns nicht vorstellbar“, ist sich Philipp Bitterling, Programmentwickler für das WDR Fernsehen, sicher. Das dahinterliegende Thema sei aber natürlich interessant für eine Aufbereitung. Factual Entertainment brauche Relevanz und müsse sich trauen, Gegenstand einer öffentlichen Kontroverse und damit Anstoß einer Diskussion zu sein. Der WDR probiert dies derzeit mit einer Politiker-WG im sozialen Brennpunkt von Duisburg-Marxloh - ein TV-Experiment, das entfernt an eine bei der MIPformats in Cannes vorgestellte Formatidee („God’s House“) erinnert.

"Wir können angelsächsische TV-Ideen nicht in jedem Fall 1:1 umsetzen"

Roman Beuler, Teamleiter Infotainment beim ZDF

Der permanente Blick nach Großbritannien sei ohnehin falsch, ment Roman Beuler, Teamleiter Infotainment beim ZDF. „Wir haben einen anderen Kulturraum und können angelsächsische TV-Ideen nicht in jedem Fall 1:1 umsetzen“, sagt er beim von DWDL-Chefreporter Torsten Zarges moderierten Abschluss-Panel des Factual Entertainment Summit in Köln an. Beuler merkt an, dass wir in Deutschland anders als in Großbritannien noch so manche Tabu-Themen hätten, die man eben nicht anpackt - ohne dies weiter auszuführen. Jobst Benthues, Geschäftsführer der ProSiebenSat.1-Produktionsfirma Redseven Entertainment, guckt aktuell ohnehin lieber zu den skandinavischen Nachbarn.