In der Affäre um die Ermittlungen gegen den investigativen Blog "Netzpolitik.org" hatte so mancher mit dem Rücktritt des Generalbundesanwalts gerechnet. Stattdessen ist Harald Range am Dienstag überraschend deutlich in die Offensive gegangen. Er richtete scharfe Worte gegen Justizminister Heiko Maas (SPD). "Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz", erklärte Range am Dienstag.

Gegenüber Journalisten erklärte er auf einer Pressekonferenz, er habe im Juni ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, das die Frage klären sollte, ob die von Netzpolitik.org veröffentlichten Dokumente ein Staatsgeheimnis darstellten. Der Sachverständige habe ihm am Montag mitgeteilt, dass es sich dabei tatsächlich um ein Staatsgeheimnis handelt, worüber er das Justizministerium umgehend informierte. "Mir wurde die Weisung erteilt, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen. Dieser Weisung habe ich Folge geleistet", erkärte Range.

"Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Dieses Freiheitsrecht gilt aber nicht auch nicht im Internet schrankenlos", mahnte der Generalbundesanwalt in Karlsruhe. "Es entbindet Journalisten nicht von der Einhaltung der Gesetze. Über die Einhaltung der Gesetze zu wachen, ist Aufgabe der Justiz. Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen, wenn sie frei von politischer Einflussnahme ist. Daher ist die Unabhängigkeit der Justiz von der Verfassung ebenso geschützt wie die Presse- und Meinungsfreiheit." Mit Blick auf die im Raum stehenden Vorwürfe habe er sich gehalten gesehen, die Öffentlichkeit über die Vorgänge zu informieren.

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Zuvor hatte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von Harald Range distanziert. Ebenso wie Justizminister Maas äußerte sie Zweifel am Vorwurf des Landesverrats gegen Journalisten von Netzpolitik.org. Maas habe die volle Unterstützung der Bundeskanzlerin, erklärte eine Regierungssprecherin. Auch Innenminister Thomas de Maizière stellte sich auf die Seite seines Minister-Kollegen, der bereits am Freitag von Range abgerückt war. Seither wurden die umstrittenen Ermittlungen vorerst auf Eis gelegt. Kritik gab es zuletzt auch an Hans-Georg Maaßen, seines Zeichens Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Er hatte die Ermittlungen durch seine Strafanzeigen überhaupt erst initiiert.

Wie es nach Ranges Äußerungen weitergehen wird, ist unterdessen unklar. Via Twitter erklärte Netzpolitik.org am Vormittag: "Die Äußerungen von Generalbundesanwalt Range klingen danach als dass die Ermittlungen wegen Landesverrat gegen uns bald weiterlaufen werden."

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Die Erklärung von Generalbundesanwalt Harald Range im Wortlaut:

"Zur Wahrung und Sicherung der Objektivität der Ermittlungen habe ich am 19. Juni 2015 ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Der unabhängige Sachverständige sollte klären, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt. Der Sachverständige teilte mir gestern mit, dass es sich nach seiner vorläufigen Bewertung bei den am 15. April 2015 veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt. Der Sachverständige hat damit die Rechtsauffassung der Bundesanwaltschaft und des Bundesamtes für Verfassungsschutz insoweit vorläufig bestätigt.

Die Bewertung des unabhängigen Sachverständigen habe ich dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gestern unverzüglich mitgeteilt. Mir wurde die Weisung erteilt, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen. Dieser Weisung habe ich Folge geleistet.

Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Dieses Freiheitsrecht gilt aber nicht auch nicht im Internet schrankenlos. Es entbindet Journalisten nicht von der Einhaltung der Gesetze. Über die Einhaltung der Gesetze zu wachen, ist Aufgabe der Justiz. Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen, wenn sie frei von politischer Einflussnahme ist. Daher ist die Unabhängigkeit der Justiz von der Verfassung ebenso geschützt wie die Presse- und Meinungsfreiheit.

Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.

Mit Blick auf die im Raum stehenden Vorwürfe habe ich mich gehalten gesehen, die Öffentlichkeit hierüber zu informieren."

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