An die Tiefe und Ausführlichkeit der vorherigen Keynote von Miriam Meckel kam Roy Price nicht heran - die Kommunikationswissenschaftlerin und Chefredakteurin der „Wirtschaftswoche“ referierte zuvor erschöpfend, aber zugleich auf den Punkt über Digitale Disruption - doch der Chef von Amazon Studios wusste seinen Auftritt bei den Medientagen München am Mittwoch für zwei Dinge zu nutzen: Die natürlich unvermeidliche Werbeveranstaltung für das eigene Angebot - und eine Korrektur eines aus seiner Sicht oftmals falsch berichteten Erfolgsfaktor von Amazon Studios bzw. Amazon Prime.

Big Data allein sei nicht das Erfolgsgeheimnis von Amazon, betonte Price in München. „Demnach würde man nur erwartbare Stoffe liefern. Großartige Serien brauchen kreative Schöpfer mit außerordentlichen Geschichten.“ Würde man allein Nutzungsdaten analysieren, müsste man ja einfach nur zwei erfolgreiche Serien kreuzen. Da kämen aber dann absurde Ideen heraus. Es brauche stattdessen Kreativität - und bei On-Demand-Inhalten im Speziellen noch einmal eine höhere Qualität als im linearen Fernsehen. Was zunächst klingt wie eine Plattitüde, belegt Price mit einer nachvollziehbaren Argumentation.

Eine durchschnittliche Serie reiche im On-Demand nicht mehr, weil die Zuschauer nicht mehr - wie in der linearen Fernsehwelt - per Zufall durchs Zappen oder im Anschluss an vorherige Sendungen auf eine Serie stoßen. Serien bei Amazon Prime müssten schließlich vom Zuschauer aktiv nachgefragt werden und diesen Impuls müssen Serienideen dementsprechend auslösen können. Der On-Demand-Nutzer lasse sich nichts mehr unterjubeln, so Roy Price der in München wie auch schon bei seinem Auftritt beim Edinburgh International TV Festival im August möglichst jugendlich mit Lederjacke und weißem T-Shirt daher kam.

Diese veränderte Nutzungsverhalten eines On-Demand-Zuschauers müsse man bei der Auswahl von Stoffen und Produktionen berücksichtigen - eine oftmals nicht betrachtete Produzenten-Perspektive des neuen On-Demand-Geschäfts. Oft geht es in der Berichterstattung allein um die Nutzerperspektive, zu der Price natürlich auch seine Gedanken hat und den Vertretern des linearen Zeitalters damit vor den Bug schießt: „Fernsehen war sechzig Jahre lang toll, aber es hat halt Nachteile: Man muss sich nach den Vorstellungen der Sender richten.“

Für die Entstehung von starken neuen Serien-Ideen brauche es Strukturen, die offen genug seien, sich Ideen anzuhören. Mehr oder weniger glaubwürdig referiert Price, dass man bei Amazon Studios jedes eingereichte Skript lesen würde. Online gebe es die Möglichkeit Scripts für neue Serien hochzuladen. Von 61 bislang produzierten Serien-Pilotepisoden kamen zumindest drei Ideen auf diesem Wege. Ein Pilot (von insgesamt 24 bisher in Serie geschickten Projekten) wurde nach dem Feedback der Amazon-Kunden in die Staffelproduktion geschickt. Nach weiterer Eigenwerbung für den demokratisierten Pilotierungsprozess durch die Reviews der Amazon-Kunden, äußerte sich Roy Price noch kurz zum deutschen Markt.

„Wir haben noch keine großartige deutsche Serie gefunden, aber vielleicht finden wir sie ja in den nächsten Tagen“, sagt er dem Fachpublikum in München und lacht undefinierbar. Stattdessen gibt es die Premiere des deutschsprachigen Trailers für die in der Tat vielversprechende neue Amazon-Serie „The Man in the High Castle“. Am Ende ist die Keynote von Roy Price eben doch ein Vortrag, sozusagen unterstützt von Produktplatzierungen, um es in der Sprache deutscher Medienregulierung zu formulieren. Einer Sprache, die Amazon, Netflix und Co. übrigens herzlich egal ist. Mit versöhnlichen Worten verlässt er die Bühne: „Es ist eine großartige Zeit für Liebhaber großartiger Geschichten und Geschichtenerzähler."