Stefan Niggemeier hat die Dokumentation über Xavier Naidoo aufmerksam verfolgt, die Vox am Dienstagabend im Anschluss an "Sing meinen Song" ausstrahlte, und sich dabei über die sehr positive Darstellung des Musikers gewundert - vor allem aber über den Umgang mit kritischen Stimmen. Die Art, wie der Konflikt um Naidoos schnell wieder abgesagte Teilnahme am Eurovision Song Contest eingordnet wurde, sei eine "besondere Unverfrorenheit", schrieb Niggemeier bei "Übermedien" und bemängelte, dass ausschließlich Naidoos Unterstützer zu Wort kamen, nicht aber seine Kritiker.

Naidoo hatte in der Vergangenheit immer wieder mit mindestens unglücklichen öffentlichen Auftritten für Schlagzeilen gesorgt, so etwa, als er einmal am Tag der Deutschen Einheit eine Ansprache auf einer Demonstration der so genannten "Reichsbürger" hielt. Wie "die Medien" überhaupt zu ihrem Urteil kamen, Naidoos Auftritt auf der Bühne der Demonstration als "rechtspopulistisch" zu bezeichnen, ließ der Autor Harold Woetzel in seiner von Jeannine Michaelsen moderierten Vox-Dokumentation offen und verschwieg sogleich, welchen Ursprung die Demonstrationen haben, auf denen sich der Musiker in der Vergangenheit blicken ließ.

Für Verwunderung sorgt auch jener Teil der Doku, in der es um ein Lied gegen Kinderschänder geht, das Homosexuelle angesichts des unmissverständlichen Texts ("Warum liebst du keine Möse, weil jeder Mensch doch aus einer ist?) aus durchaus nachvollziehbaren Gründen auf sich beziehen konnten. Der Grund für den Sturm der Entrüstung ging aus der "Xavier-Naidoo-Story" allerdings gar nicht hervor. "Die Dokumentation manipuliert die Vorgänge so, dass die negative Reaktion als genauso abwegig und unerklärlich erscheinen muss wie die auf Naidoos Friedensengagement", urteilt Stefan Niggemeier bei "Übermedien" und bezeichnet den Film von Vox als "Schmieren-Dokumentation".

Angesprochen auf die Kritik, der sich am Tag nach der Ausstrahlung viele Beobachter in den sozialen Netzwerken anschlossen, äußerte sich Vox auf DWDL.de-Nachfrage auffällig zurückhaltend. "Wir setzen uns mit der Kritik auseinander", betonte ein Vox-Sprecher. Unsere Fragen, weshalb Vox dennoch derart einseitig berichtete und warum verschwiegen wurde, weshalb Naidoo von einigen Medien in der Vergangenheit als rechtspopulistisch bezeichnet wurde, ließ der Kölner Sender hingegen unbeantwortet. Stattdessen verweist Vox darauf, dass die ausgestrahlte Dokumentation ausdrücklich unter der Ankündigung gestanden habe, "die vergangenen 365 Tage aus der Sicht des Künstlers zu zeigen".

Und weiter: "Xavier Naidoo hat sich erstmals zu Ereignissen wie der ESC-Absage und den Hintergründen geäußert sowie die Erlebnisse aus seiner Sicht kommentiert. In diesem Zusammenhang ist die Kritik außerdem thematisiert und von unabhängigen, namhaften Künstlern kommentiert worden." Tatsächlich kamen zahlreiche bekannte Stimmen zu Wort, die Naidoo unterstützten. Und doch wäre eine umfassende Auseinandersetzung mit kritischen Stimmen nötig gewesen, sofern der Sender die erfolgreichen Musiker-Dokumentationen nicht nur als Werbeveranstaltung für die Protagonisten seiner populären Show "Sing meinen Song" verstanden haben will.

Vox-Chefredakteur Kai Sturm hatte allerdings bereits Ende 2014 in der DWDL.de-Talkshow "Studio D" um Verständnis für Xavier Naidoo geworben und die Berichterstattung in den Medien kritisiert. "Was wirklich ein bisschen schade ist, man kriegt in den Medien immer nur einen kleinen Ausschnitt zu hören und die Dinge, die die Schlagzeilen entkräften, die lässt man immer gerne unter den Tisch fallen", erklärte er damals. "Ich kann immer nur sagen: Man sollte sich sein eigenes Bild machen und ehrlich gesagt nicht immer alles glauben, was da so steht als Schlagzeile." Um sich am Dienstagabend sein eigenes Bild von Naidoo machen zu können, wäre es allerdings zumindest nötig gewesen, den Zuschauern auch kritische Stimmen zu präsentieren. Diese Chance hat Vox gewiss vertan.

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