Ein halbes Jahr nach seinem Abschied als Polittalker hat sich Günther Jauch erstmals zur Kritik an seiner ARD-Sendung geäußert. "Das war doch immer dieselbe Leier. 'Und wieder war Günther Jauch mit seinen Gästen nicht in der Lage, den Nahost-Konflikt zu lösen.' Als ob ich das je gewollt, geschweige denn gekonnt hätte", sagte Jauch in einem langen Interview mit dem Magazin des "Kölner Stadt-Anzeigers". "Mein Ziel war es, komplizierte Sachverhalte mit interessanten Menschen so zu erklären, dass man nach einer Stunde einfach kapiert hat, worum es geht und warum das Ganze kompliziert ist. Außerdem wollte ich mehr junge Leute für Politik interessieren. Das ist bis zum Schluss gelungen: Niemals war irgendein Polittalk über Jahre beim Publikum so erfolgreich - auch nicht vor meiner Zeit."

Tatsächlich verzeichnete Günther Jauch zwischen 2011 und Ende 2015 deutlich mehr Zuschauer als Anne Will, die seine Vorgängerin und Nachfolgerin auf dem prominenten Sonntags-Sendeplatz nach dem "Tatort" war. "Ich habe diese Sendung nicht für Kollegen gemacht, die tagespolitisch immer auf dem Laufenden sind, sondern für die Zuschauer, die die ständige Beobachtung von Politik nicht zum Beruf haben. Da wollte ich erfolgreich sein - und das ist zum Glück immer gelungen", so der Moderator, der in diesem Zusammenhang kritisiert, dass Talkshows häufig wie ein Puppentheater konstruiert seien: "Das Kasperle mit der Pritsche, der Polizist mit seinem Knüppel, das Krokodil, der tollpatschige Seppel und so weiter. Und am Ende soll es einen Gewinner und einen Verlierer geben - das ist aber nicht meine Vorstellung von politischem Erkenntnisgewinn."

Die Kritik daran, dass er der AfD und Björn Höcke als erste große Talkshow eine Plattform geboten habe, kann Günther Jauch indes nicht nachvollziehen. "Ich halte das anschließende Gezeter bis heute für komplett unsinnig - und für unpolitisch obendrein. Das Plattform-Argument gibt sich moralisch überlegen, entzieht sich aber dem Streit über Inhalte. Totschweigen, ignorieren - das ist der völlig falsche Ansatz", so Jauch im "Kölner Stadt-Anzeiger". "Als Höcke damals in der Sendung diese knittrige Deutschland-Flagge rauszog, dachte ich: 'Super, das ist gelaufen! Der Typ hat sich jetzt komplett entlarvt.' Wer danach nicht erkannt hatte, wes Geistes Kind diese Leute sind, dem kann ich dann auch nicht mehr helfen. Im Nachhinein gesehen, war das eine meiner interessantesten Sendungen, die ich jederzeit wieder machen würde - und zwar genau so. Man hat nämlich zum ersten Mal begriffen, wie die Gegenfront zum AfD-Gründer Bernd Lucke funktioniert. Das war vorher nicht so klar."