Ziemlich genau zehn Jahre ist es her, dass der damalige Sat.1-Chef Roger Schawinski mit Blick auf die schwachen Quoten am Sonntagabend eine kleine Revolution ausrief: Gegen die Filme von ARD, ZDF, RTL und ProSieben versuchte man, mit einstündigen Serien zu punkten - und schickte mit "Navy CIS" sein damals stärkstes Pferd im Stall in diesen harten Kampf. Und siehe da: Zur Überraschung vieler in der Branche funktionierte das prächtig, Sat.1 schwang sich zeitweise sogar zum Marktführer auf.

Zehn Jahre später hat der Serien-Sonntag von Sat.1 seinen Quotenglanz längst eingebüßt. Konnte man früher sogar noch mit Wiederholungen von "Navy CIS" starke Quoten einfahren, so holte selbst eine Erstausstrahlung am vergangenen Wochenende nur einen einstelligen Marktanteil - und andere Serien wie "Navy CIS: L.A." oder "Scorpion" tun sich noch deutlich schwerer. Gegen den "Tatort" kommen schon RTL und ProSieben mit ihren Blockbustern nur noch schwer an, Sat.1 findet mit seinen Serien hier nicht mehr die erhoffte Lücke - und das ist besonders bitter, weil es der Abend mit der höchsten TV-Nutzung ist.

Ähnlich wie vor zehn Jahren wagt Sat.1 vor diesem Hintergrund nun erneut ein - durchaus riskantes - Experiment und schickt wieder sein zugkräftigstes Format aus einem ganz anderen Genre auf diesen Sendeplatz: Mit Beginn der neuen Staffel im Oktober wird "The Voice of Germany" bei Sat.1 nicht mehr freitags, sondern sonntags um 20:15 Uhr zu sehen sein. Damit schafft man auch etwas mehr Abstand zur Ausstrahlung bei ProSieben, die weiterhin donnerstags im Programm bleiben wird. Die erste ProSieben-Sendung läuft am 20. Oktober, am 23. Oktober folgt dann die Premiere bei Sat.1.

Sat.1-Geschäftsführer Kaspar Pflüger: "Besondere Programme brauchen besondere Programmierungen. Der Sonntagabend ist der wichtigste Fernsehabend der Woche. Hier werden die höchsten TV-Reichweiten erzielt. Mit Deutschlands erfolgreichster Musikshow 'The Voice of Germany' macht Sat.1 den Sonntagabend zum perfekten Familien-Event."

Auch wenn "The Voice" nach mittlerweile fünf Staffeln zuletzt schon ein paar Abnutzungserscheinungen gezeigt hatte: Die Blind-Auditions sorgten im vergangenen Jahr trotzdem stets noch für über 20 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe. Ob das gegen "Tatort" und "Blockbuster" auch zu halten sein wird, oder wie sehr sich die stärkere Konkurrenz im Vergleich zum Freitag bemerkbar macht, wird die spannende Frage sein.

Doch dass am Sonntagabend grundsätzlich ein Bedarf für Unterhaltung abseits der Fiction der großen Sender besteht, haben längst andere Sender bewiesen. So erreichte Vox mit "Kitchen Impossible" und "Grill den Henssler" schon Marktanteile deutlich im zweistelligen Bereich. Und selbst der "Promi-Kegelabend" bei RTL II fand kürzlich sein Publikum. Erfolge wie diese ließen wohl auch die größeren Sender wieder hellhörig werden. Bei RTL spielt man jedenfalls nun ebenfalls wieder mit dem Gedanken, neben Filmen auch wieder mehr Shows sonntags zu zeigen. Sat.1 könnte mit "The Voice" aber im Herbst durchaus schonmal eine kräftige Duftmarke setzen.

Gemeinsam mit "The Voice" wird zudem auch Luke Mockridge mit seiner Show "Luke! Die Woche und ich" auf den Sonntagabend umziehen. Sat.1 will der Sendung, deren Quoten zum Ende der zweiten Staffel anzogen und deren Wiederholungen danach teils besser liefen als die Erstausstrahlungen, so die bestmögliche Unterstützung durch einen erfolgreichen Vorlauf geben - auch wenn der normale Comedy-Sendeplatz weiterhin am Freitagabend bleibt, wo auch künftig etwa die Sketch-Comedys, von denen Sat.1 wieder mehr produziert, sowie Comedy-affine Shows zu sehens ein werden. Am 21. Oktober ist statt "The Voice" dann beispielsweise "Die große Revanche" gefolgt von den "Knallerfrauen" zu sehen.

Wenn der Plan so aufgeht, wie man sich das bei Sat.1 erhofft, könnte man mit dem Schritt sogar gleich noch die Probleme am Montagabend lösen, wo man mit Krimiserien zuletzt ebenfalls wenig Glück hatte. Während "The Voice" läuft, rücken nämlich ab dem 17. Oktober "Navy CIS" und "Navy CIS: New Orleans" auf den Montagabend - und die Serien dürfte zumindest deutlich mehr Zugkraft besitzen als derzeit "Crime Scene Riviera", das zuletzt auf weniger als fünf Prozent Marktanteil abgefallen war. Zumindest für einige Wochen im Herbst reduziert Sat.1 damit seine Primetime-Plätze für Lizenz-Serien - ein Weg, wie ihn auch Vox zuletzt ging. Die Erkenntnis, dass US-Serien längst kein Selbstläufer mehr sind, zwingt also auch ProSiebenSat.1 zu mehr Experimenten.