"Wo die ARD im Jahr 2030 steht". Unter diesem Titel hat der ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Tom Buhrow skizziert, welche großen Aufgaben in den kommenden rund zehn Jahren vor dem Senderverbund liegen - und wie man diese angehen könnte. So stellt Buhrow unter anderem fest, dass die ARD auf dem Weg zu einem "non-linearen Content-Netzwerk" sei. Die non-lineare Nutzung werde die klassische, lineare Nutzung von Medieninhalten in zehn Jahren abgelöst haben.

Grundsätzlich plädiert der ARD-Vorsitzende dafür, die Debatte über die Reform der Öffentlich-Rechtlichen nicht am Ist-Zustand auszurichten, sondern an einem Zukunftsbild. "Also nicht zu fragen: ‘Was passt mir am gegenwärtigen System nicht?’, sondern: ‘Was erwartet die Gesellschaft in Zukunft vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk?’", schreibt Buhrow in seinem Gastbeitrag. Im Mai startet die ARD zu diesem Thema einen Zukunftsdialog, in dem man Bürgerinnen und Bürger selbst befragen will. 

Über das deutsche Mediensystem im Jahr 2030 schreibt Buhrow, es werde an Stabilität verloren haben. Schon heute arbeiten viele Zeitungsverlage auf verschiedenen Ebenen zusammen oder haben Redaktionsgemeinschaften gegründet. Glaubt man Buhrow, werde dieser Trend noch zunehmen. Und auch die Öffentlich-Rechtlichen werden in knapp zehn Jahren anders aussehen als heute. Man sei 2030 "noch stärker vor Ort in den Regionen" und würde dann "vermehrt mit Einrichtungen aus Wissenschaft, Kultur und Bildung sowie privaten Medienhäusern" kooperieren. 

Öffentlich-rechtliche Supermediathek

Buhrow greift zudem erneut die Idee einer einzigen Mediathek für öffentlich-rechtliche Inhalte auf, entsprechend äußerte er sich auch schon im vergangenen Jahr. Schon heute vernetzen sich etwa ARD und ZDF mit ihren Mediatheken, von einem Angebot aus einem Guss kann man aber bei weitem noch nicht sprechen. Dies mache aber aus  Sicht der Zuschauer viel Sinn, sagt Buhrow jetzt. Spartenkanäle würden 2030 größtenteils verschwunden sein, so der ARD-Vorsitzende. Er glaubt, diese Sender könnten in der Mediathek aufgehen. "Abgesehen von dramatischen Ereignissen und einzelnen Live-Events, wird kein mediales Ereignis mehr weite Teile der Bevölkerung binden. Die Menschen holen sich, was sie wollen und wann sie es wollen", so Buhrow. Der ARD-Vorsitzende spricht zudem davon, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk "Open Source für wertvolle Inhalte" werde. Was das nach sich zieht, Stichwort Lizenzen, sagt er aber nicht. 

Und auch fernab des Fernsehens sieht Buhrow große Veränderungen: So würden etliche Audioangebote ins Netz wandern und die UKW-Welt verlassen. Durch die "neue grenzenlose Technik" müssten nicht "Dutzende regionale Hörfunkwellen unterhalten werden". Weitgehende Kooperationen unter den Landessendern und mit dem Deutschlandradio seien möglich. Die UKW-Verbreitung sei bis Mitte des Jahrzehnts gesetzt, "aber in sieben bis zehn Jahren müsse man überlegen, ob man noch lineare Hörfunkwellen in der heutigen Form brauche". Bis 2030 müssten sich Politik und Sender Ersatzlösungen überlegen. Bisher würden sich öffentlich-rechtliche und private Anbieter hier belauern und darauf warten, dass der jeweils andere zuerst den UKW-Ausstieg verkündet. Deshalb würde man heute in alle Technologien investieren.

Buhrow spricht im Zuge dessen von eine "gordischen Knoten", den es gelte zu durchschlagen. Er fordert "klare Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer". Und auch für Orchester, Big Bands und Chöre bedarf es laut Buhrow einer Konzeption für die Zukunft. "Wir werden alle zusammen überlegen müssen, wie wir diese wertvollen Klangkörper vor populistischen Tagesstimmungen schützen", sagt er und verweist auf das Modell einer Trägergesellschaft, wie es sie in Berlin mit dem Deutschlandradio, RBB, dem Bund und dem Land Berlin gibt.

Kosten senken beim Rundfunkbeitrag? Kein Problem!

Und dann hat Tom Buhrow in seinem "FAZ"-Gastbeitrag natürlich auch ein paar Dinge zum Rundfunkbeitrag aufgeschrieben. Folgt man den Worten des ARD-Vorsitzenden, könnte dieser perspektivisch sogar sinken. Aber eben nur dann, wenn es rein um die Kosten gehe und wenn man dafür all die Dinge herausrechnet, die nichts mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu tun haben. Wolle man die Kosten senken, müsse man den Rundfunkbeitrag von Posten "bereinigen, die mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nichts zu tun haben". Was Buhrow damit meint: Auch die Landesmedienanstalten erhalten ihr Budget aus dem Rundfunkbeitrag. Und wenn finanziell schwächer gestellte Personen das Geld nicht aufbringen können, springen alle anderen dafür ein. "Ist das nicht eigentlich Aufgabe der Sozialkassen?", fragt Buhrow. Zusammengerechnet würden diese beiden Beispiele den Beitragszahler rund 1,60 Euro im Monat kosten.

Die von Buhrow ins Feld geführten Beispiele sind natürlich nicht ganz uneigennützig. Rechnet man die genannten Beispiele heraus, würde der Rundfunkbeitrag sinken. Allerdings würden die Kosten für die Bevölkerung wohl an anderer Stelle steigen - es wäre vermutlich ein Nullsummenspiel. Unrecht hat Buhrow aber nicht damit, dass es eben nicht ganz fair und vor allem transparent ist, wenn die ganze Zeit über 17,50 bzw. 18,36 Euro pro Monat debattiert wird, ein Teil davon aber gar nicht in die Taschen der Öffentlich-Rechtlichen fließt. Grundsätzlich müsse man sich immer fragen, ob es um die Modernisierung von ARD und ZDF gehe, oder eben nur um Kostensenkung. 

"Ich bin überzeugt davon, dass Deutschland im Jahr 2030 einen reformierten, starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht, der den Menschen alle inhaltlichen Genres bietet", so Buhrow. "Unser Land wird noch stärker unter dem Stress unaufhaltsamer Veränderungen stehen. Die Gereiztheit gegenüber Institutionen, Entscheidungsträgern, gegenüber dem gesamten angeblichen ‘System’, wird noch zunehmen." ARD, ZDF und Deutschlandradio würden werden mehr denn je Dialog und Diskussion unter den Menschen ermöglichen und seien dabei unabhängig und überparteilich. Die Nähte des Gemeinwesens dürften nicht reißen, warnt Buhrow. "Wir Öffentlich-Rechtliche können dazu beitragen, indem wir uns in den Dienst dieses Gemeinwesens stellen."