Läuft. Mit diesem einen Wort ist die Karriere von Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt bestens umrissen. Was die Boys von Florida Entertainment anfassen, ob zusammen oder getrennt, wird zu Fernsehgold. Gerade erst räumten sie in physischer Abwesenheit einen Deutschen Fernsehpreis ab für die Showerfindung „Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)“, die nächsten Samstag in die zweite Staffel geht. Kurz darauf werden sie den Dauerläufer „Duell um die Welt“ beenden. Um ihre Zukunft bei ProSieben muss man sich in den nächsten fünf Jahren dennoch sicher nicht sorgen, se Silvio Berlusconi vuole, naturalmente.

Gilt das auch für Jeannine Michaelsen?

Als sich das Duo Joko & Klaas 2012 zum ersten Mal ein Duell um die Welt lieferte, war die Moderatorin der Show von Beginn an dabei. Als „Kindergärtnerin“, wie die einen sie nannten, als „Dummen-Dompteurin“, wie Klaas sie liebkost. Einigen wir uns auf: „schlagfertige Teamplayerin unter Selbstdarstellern“, okay?

Jeannine Michaelsen © Moritz "Mumpi" Künster
In den mehr als 13 gemeinsamen Jahren sind alle drei mit diesem ausgezeichneten Showchaos unter Jeannine Michaelsens ebenso preiswürdiger Kontrolle im Fernsehen erwachsen geworden, wenn auch nicht gleich groß. ProSieben traute der zarten, aber kraftvoll moderierenden Künstlerin mit Musical-Diplom sogar die Solonummer zu. Übergab ihr „Teamwork – Spiel mit deinem Star“ (ab 2015), „Die Show mit dem Sortieren“ (nur 2020), zuletzt „Die Kebekus Geschwister Show“ (nur 2023). An den Erfolg von „Duell um die Welt“ reichten sie alle aus vielerlei Gründen, die mit dem fehlenden Label „Joko & Klaas“ allein nicht zu erklären sind, nicht ran.

Und jetzt fällt eben dieses erfolgreiche Gemeinschaftsprojekt weg, weil die Masterminds des deutschen Fernsehens finden, dass es auserzählt ist. Was das für Jeannine Michaelsen bedeutet? Wie läuft es weiter bei ihr? Hat ProSieben Anschlussverwendung auch für sie?

„Och, das ist eine gute Frage, das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht“, antwortet sie höchstselbst und so überzeugend seufzend, dass man kurz stutzt, ob sie sich wirklich um ihr Fortkommen sorgt oder das Nicht-Wissen nur vortäuscht. Zum Glück wird sie sich in unserem Gespräch dann doch auskunftsfreudiger erweisen, als es der Spruch an der Wand hinter ihrem Rücken suggeriert:

„Ich mag den Geräusch, den du machsch, wenn du dein' Schnauze hälsch."

Ach, Teddy. Auf der anderen Seite von Teams ist offensichtlich jemand Fan des frisch gebackenen Deutschen Fernsehpreisträgers. Wofür er ihn bekommen hat by the way? Teddy Teclebrhan hat Joko fulminant die Show gestohlen. Aber keine Sorge, er wird Gleiches in diesem Text nicht mit Jeannine Michaelsen tun. Zurück mit ihr ins Rampenlicht.

Fakt ist: Anders als Joko & Klaas ist ihre kongeniale Sparringspartnerin nie exklusiv bei ProSieben gewesen, obwohl sie ebenso zu den Sendergesichtern zählt. Sie müsste also nicht kündigen bzw. eine Ausstiegsklausel nutzen, sofern ihr der neue Eigentümer von ProSiebenSat.1 nicht passt. Weil die alleinerziehende Mutter einer Tochter andererseits genau dieses Korsett nicht hat, konnte und musste sie schon immer ausloten, was sie sonst noch im Fernsehen machen kann. So spinkste sie als Hostin mit „Ponyhof“-Comedy bei TNT ansehnlich rein und verlieh mehrfach (auch singend!) die „1Live Krone“ im WDR. Als Gästin wiederum schnupperte sie in „Die beste Klasse Deutschlands“ beim KiKa rein oder kochte mit Mälzer und Henssler bei Vox.

Zwischen Social-Media-Prominenz in die kolumbianische Wildnis

All diese Abnabelungsversuche oder sagen wir vielleicht besser: die Emanzipation von zwei überstarken Kerlen geht Jeannine Michaelsen seit ein, zwei Jahren forciert an. Krasse Dinge im Dschungel machen gehört dazu.

In der am 7. Oktober bei Amazon Prime beginnenden fünften Staffel von „7 vs. Wild“ ist sie, die Fernseh-Tante Ü-40, Teil des überwiegend aus Social-Media-Prominenz bestehenden Casts. Und hat, soweit man das am Bildschirm erkennen kann, von dieser überaus erfolgreichen, aber auch (aus Jugendschutzgründen) fragwürdigen Survival-of-the-fittest-Horror-Picture-Show keine größeren Blessuren mitgebracht, nur dicke Oberarmmuckis und kürzere Haare. Bei Frauen wird die Veränderung der Frisur bekanntlich immer als Signal für einen neuen Lebensabschnitt interpretiert. Aber lassen wir diesen Quatsch.

Auch wenn Jeannine Michaelsen natürlich nichts verraten darf über den Dreh in der kolumbianischen Wildnis, muss sie dort Dinge getan haben, die andere Menschen nicht mal in Erwägung ziehen würden. Wie viel Wahnsinn steckt in ihr?

Darauf gibt sie lachend wieder die Unwissende: „Gute Frage: Was stimmt eigentlich nicht mit mir? Ich weiß es auch nicht.“ Ihre Überlegung war: „Wann bekommst du schon die Chance herauszufinden, wie es ist, in einer unglaublich faszinierenden, aber nicht besonders lebensfreundlichen Umgebung zu leben und zu überleben?“ Sie sei „total dankbar“ für alles, was sie erlebt habe. „Würde ich es noch mal machen? Auf gar keinen Fall!“

Nach Südamerika reiste Jeannine Michaelsen nicht mit totaler Ahnungslosigkeit. Erstens ist sie ein Medienprofi und weiß genau, wie man sich vor der Kamera bewegt und was man preisgeben geben sollte oder besser nicht, auch wenn man selbst die Kamera halten muss, wie das bei diesem Do-it-yourself-Format verlangt wird. Zweitens hat sie nachweislich Erfahrung mit extremen Herausforderungen. Aus 10.000 Metern Höhe springen oder als verkleidete Eisprinzessin unter der Eisscholle durchtauchen? Hat sie alles schon gemacht: beim „Duell um die Welt“, als sie sich neben der Moderation auch selbst als todesmutige Kandidatin einspannen ließ.

Und bevor jemand nörgeln kann „das war doch ein Stuntman, das war gestaged“, schreitet die Grenzentesterin ein: „Entschuldigung, Leute, wisst Ihr, wie kalt das Wasser war? Ich war dabei und 30 andere Leute auch. Ich muss niemandem beweisen, dass ich mir selbst etwas bewiesen habe.“

Die Rundumversorgung aus Hotel, Essen, warmer Kleidung ist beim „Duell um die Welt“ über den gesamten Dreh organisiert, anders als bei „7 vs. Wild“, wo einem niemand einen Pulli reicht, auch nicht Bohnen und Reis. Wenn du Hunger hast, such dir was. Der Moment der Aufgabe selbst, da unterscheiden sich die beiden Formate laut Jeannine Michaelsen wiederum nicht voneinander: „Man muss es machen.“ Man könne es beim „Duell“ selbstverständlich sein lassen, niemand werde gezwungen, aus dem Flugzeug zu springen. Aber das Machen ist ihrer Meinung nach der Grund, warum diese Show über so lange Zeit noch immer abgefeiert wird.

 

"Die Räume, in denen man sich ausprobieren darf, sind extrem klein und hart umkämpft. Und für Frauen gibt es noch mal weniger Raum als für Männer."

 

Lustigerweise war es Klaas, der Jeannine Michaelsen den Weg dorthin ebnete. Die Symbiose mit Jokos besserer Hälfte währt nämlich schon seit dem Jahr 2008.

Klaas war Star bei Viva und die zwei Jahre ältere Jeannine Michaelsen Gastgeberin der damals abgefeierten Webshow-Innovation „Ehrensenf“ aus dem Hause Ravenrocker, da beschlossen sie, off Air gemeinsame Moderationssache zu machen, etwa beim Musikexpress Style Award und dem Deutschen Computerspielpreis. Als dann der „Duell“-TV-Deal anstand, wünschten sich Joko und Klaas auch eine Frau im Team, und zwar explizit die, die es nun schon eine halbe Ewigkeit macht und nun auf die allerletzte Staffel „mit einem lachenden und weinenden Auge“ schaut.

„,Duell um die Welt‘ war die Geburtsstunde für vieles, nicht nur für uns drei“, sagt Jeannine Michaelsen. „Sie hat auch die Möglichkeiten verschoben, was im Fernsehen erzählbar ist.“ Sie liebe diese Show. Vor einem großen Publikum die große bunte Tüte auszupacken und alles einmal in die Luft zu werfen: ein Riesenspaß. Dennoch, da ist sie mit den beiden Kerlen einer Meinung: Man müsse dankbar sein, den Abschied selbst zu wählen, bevor es das Publikum tut. Abgesehen davon sei es immer schwieriger geworden, absurde Herausforderungen auf dieser Welt zu finden und auch das Personal dafür. Komplett Fernsehdeutschland hätten sie schon irgendwo runtergeworfen, draufgestellt, drangehangen oder musste essen, was man besser nicht essen sollte. Bevor es langweilig oder redundant werde, sagen sie Ade.

Und jetzt noch mal nachgehakt, weil die Sache noch immer nicht geklärt ist: Was kommt danach? Welche Show, welche Moderation?

„Ich moderiere sehr gerne“, antwortet Jeannine Michaelsen. Sie habe sich die letzten Jahre darauf konzentriert, weil sie „sehr gut darin“ werden wollte. Nur sehe sie gerade nichts, was sie moderieren könnte. Nach ihrem Empfinden (und da empfindet sie nicht alleine so) „gehen dem Fernsehen die guten Shows aus. Und die, die es gibt, sind schon besetzt.“ Der Nostalgie-Zug rausche durch, neue Shows kämen nicht nach. Die einzigen, die ihrer Meinung nach in den letzten Jahren was wirklich Brandneues produziert hätten, sei die Florida.

Jeannine Michaelsen © Moritz "Mumpi" Künster
Eine Personality-Show, die würde sie sofort machen, fährt sie fort und kann dabei ihre Enttäuschung, ja ihre Wut über die Chancen kaum verbergen: „Die Räume, in denen man sich ausprobieren darf, sind extrem klein und hart umkämpft. Und für Frauen gibt es noch mal weniger Raum als für Männer.“ Daran habe sich auch nichts geändert, seit gefühlt gestern lautstarker Protest aufbrandete, dass es als Frau im Fernsehen gar nicht einfach bis unmöglich ist, den Männern die Show zu stehlen, vor allem wenn es (in der Mehrzahl männliche) Entscheider gibt, die sich nicht vorstellen können, dass jemand anderes als Kai Pflaume, Jörg Pilawa, Johannes B. Kerner, Florian Silbereisen, Matthias Opdenhövel, Steven Gätjen you name it, boy durch den Samstagabend führt.

„Es gab mal diesen Moment: ,Oh, warte, es könnte sein, dass vielleicht jetzt wirklich ...‘ Und dann war der Satz noch nicht vorbei und dieser Moment schon rum“, erinnert sich Michaelsen. „Es ging zurück auf Nummer sicher. Und was war die Nummer sicher? Das waren die Shows von vor 30 Jahren mit den Typen, die noch immer da sind.“ Sie findet das „total menschlich“, sich in Zeiten großer Unsicherheit, wo niemand weiß, wie es mit den Streamern, mit online, mit linear, mit live hinführt, an das zu klammern, was schon mal funktioniert hat, auch an die Gesichter.

Andererseits, und das klingt total logisch aus ihrem Mund: „Wenn neben Kai Pflaume niemand anderes dem Publikum präsentiert wird, dann wird es sich immer wieder für Kai Pflaume entscheiden.“

Und weil daran anscheinend nichts zu ändern ist (hat jemand gestern die Verleihung der „Goldenen Henne“ mit Kai Pflaume und Florian Silbereisen gesehen?), forciert Jeannine Michaelsen die berufliche Diversifizierung.

Sie probiert sich als Stand-Up-Comedienne aus, wozu ihr ihre Agentin schon vor zehn Jahren riet und ebenso ihre „zauberhafte Freundin“ Carolin Kebekus: „Jetzt mach doch mal.“. Also macht sie. Nächsten Samstag zum Beispiel in der verbotenen Stadt mit D. Und sie schauspielert wieder wie zuletzt im ZDF-Film „Für immer Freibad“ an der Seite von Benno Fürmann, obwohl sie weiß, dass Frauen über 40 im Schauspielfach „extrem gefragt“ sind. Ironie off.

Aber genau aus dieser Welt kommt Jeannine Michaelsen ja her. Singen, tanzen, schauspielern, das hat sie gelernt, als sie nach dem Abitur aus dem Rheinland nach Hamburg an die Musical-Schule ging. Eine kleine Kostprobe ihres musikalischen Talents gab’s übrigens just am Mittwoch beim Deutschen Fernsehpreis. Während Joko & Klaas das Event (aus beruflichen Gründen) schwänzten, stand sie auf der Bühne, nicht als Nominierte oder als Gewinnerin, sondern als Laudatorin und sang die Laudatio im Duett mit Gisa Flake einfach vor.

Es war ein Signal: Ich bin noch hier. Und ich kann noch mehr.

P.S.: Auf Nachfrage teilt ein Sendersprecher von ProSieben mit: „Jeannine Michaelsen wird diesen Herbst auch durch die letzte Staffel ‚Das Duell um die Welt‘ führen und weiterhin zur ProSieben-Familie gehören.“