Auf der Fachmesse dmexco hat RTLzwei die Katze aus dem Sack gelassen: 2026 kommt die Fortsetzung von "Kampf der Realitystars", wieder mit Arabella Kiesbauer als Moderatorin, aber mit einer "wesentlichen" Änderung. Statt frischen Nachschub für die Bambushütte auf Phuket herbeizuschaffen, werden die Ikonen der vergangenen sechs Staffeln einfach recycelt. Oder eleganter ausgedrückt mit Malte Kruber, dem Programmdirektor Entertainment im Home of Reality formerly known as RTLzwei: Mit der Allstars-Staffel wird KDRS "auf das nächste Level" gehoben.

Im Sinne der Nachhaltigkeit ist das nur zu loben. Auch das Fernsehen muss mit Ressourcen haushalten, auch wenn sie unendlich erscheinen. Andererseits, bei aller Vorfreude auf ein (mögliches) Wiedersehen mit Kevin, Calvin, Elena & Co., die natürlich genauso groß ist wie beim Showdown der RTL-Dschungel-Legenden vor einem Jahr:

Ist das die Art von Innovation, die das lineare Unterhaltungsfernsehen gerade so dringend braucht? Hätte es nicht eben dieser Malte Kruber in der Senderhand, ganz neue Wege einzuschlagen, ob bei Shows oder Reality-TV? Wer, wenn nicht er, dem beim vorherigen Arbeitgeber etwa mit den "RTL-Wasserspielen" gegen alle Widrigkeiten (Aufwand! Budget! Corona!) ein unerwarteter Erfolg gelang, hätte das Zeug, mit weniger "So ähnlich wie", dafür mehr "Gab’s noch nie" zu überraschen?

Also, außer vollem, braunen Haar: Wie viel Innovationsgeist verbirgt sich unter der Baseballcap, die dem 47-jährigen "Content Lover" jugendlichen Elan verleiht? Wir müssen reden.

Malte Kruber © RTLzwei/Kathrin Kraus
Sein signature piece lupft Kruber in unserem Gespräch keinmal, und doch schimmert ein deutliches "ich würde ja, wenn ich könnte" durch, wenn er sagt: "Natürlich wünschen wir uns alle Innovationen und nicht das Altbekannte. Ich bin da hundertprozentig an Bord und kann die Sehnsucht auch als ehemaliges Jurymitglied des Deutschen Fernsehpreises nachvollziehen." Dann kommt sein Aber: "Ich finde, dass bestehende Formatmarken und etablierte Gesichter mindestens genauso wertvoll sind, wenn nicht sogar wertvoller. Sie haben sich ihre Reputation schließlich hart erarbeitet."

Als Beispiel nennt er ad hoc, nein, nicht die Formatmarke "Kampf der Realitystars", sondern "Wer wird Millionär?" mit Günther Jauch. Es sei eine der wenigen Quizshows, die in dieser Breite noch immer Erfolg hätten. Und warum? Weil Nutzerinnen und Zuschauer ganz bewusst auf Marken gingen, die sie kennen und denen sie vertrauen. Beim Jauch-Quiz sei es genauso wie bei den "Geissens" oder der "Tagesschau": Man weiß, was man bekommt. Daraus ergibt sich Kruber zufolge die Pflicht, "diese Marken zu hegen und zu pflegen und homöopathisch weiterzuentwickeln, ohne die DNA zu gefährden."

Lustigerweise wohnt der Chefmarkenpfleger von RTLzwei, in dem qua Geburt zu hundert Prozent Kölner Gene stecken, um die Ecke vom Studio von "Wer wird Millionär?" in Hürth-Efferen. Jenes Örtchen vor den Toren Kölns löst bei Nicht-Hürth-Efferernern "immer einen kurzen Moment des Zögerns aus, weil die Leute an das – nennen wir es höflich – deutlich unattraktivere Industriegebiet mit den EMG-Studios denken", erzählt Kruber in bester Plauderlaune und versichert: "Es gibt in Hürth tatsächlich auch einen sehr urbanen und schönen Teil."

Anders ist ja auch nicht zu erklären, warum sich Krubers Familie, bestehend aus Ehefrau, einem Sohn, einer Tochter und einem Hund, weigerte, mit ihm in das noch schönere Studiostädtchen München-Grünwald umzuziehen, dem Home of RTLzwei.

Zum 1. Februar 2023 warb der inzwischen Ex-Senderchef Andreas Bartl (hier geht’s zu seiner "Nahaufnahme") Malte Kruber von RTL ab. In zwanzig Jahren hatte sich dieser dort vom Schüler der RTL-Journalistenschule bis zum "Head of Producers" mit besonderem Fokus auf der Primetime hochgearbeitet. Showprojekte wie besagte "RTL-Wasserspiele" betreute er, auch das ausschließlich als "Wetten, dass ...?"-Kopie wahrgenommene "Ich setz auf dich" oder das von Stefan Raab produzierte "Täglich frisch geröstet". Letzteres Late-Night-Format wurde zu Krubers großem Bedauern nach 40 Folgen nicht fortgesetzt: "Wie so häufig: Wäre die Show noch länger gelaufen, hätte es ein Hit werden können." Allein Jens "Knossi" Knossalas heutige Reputation als Entertainer hätte "massiv darauf eingezahlt", ist sich Kruber sicher.

Bei ihm selbst hätte es übrigens durchaus im Bereich des Möglichen gelegen, ebenso wie Knossi berühmt zu werden. Die Basis für Gesichtsbekanntheit legte Kruber nämlich noch während der journalistischen Ausbildung und auch danach als rasender Reporter im On.

Markus Lanz schickte Kruber auf die Straße

Das RTL-Hauptstadtstudio war Krubers erste feste Station. Das Berichtsgebiet: von Vogelgrippe auf Rügen bis Wohnungsnot in Teltow; der noch wilde deutsche Osten halt. Als der Nachwuchsreporter 2006 der Liebe wegen in den Westen zurückging, dockte er bei RTL-"Explosiv" an. Gesicht und Redaktionsleiter des Boulevardmagazins war seinerzeit Markus Lanz, der Kruber die Rubrik "Malte traut sich" anvertraute und ihn losschickte: als Roadie von Doro Pesch, als Drag Queen in Las Vegas oder als Ballermann-Sänger neben Mickie Krause.

Malte Kruber © RTLzwei/Kathrin Kraus
Die Frage, ob es denn Lanz war, der seine moderativen Qualitäten erkannt habe, amüsiert Kruber: "Das ist schön, dass Sie das so reininterpretieren", lacht er. Die Wahrheit ist profaner: Bei "Explosiv" hätten sie morgens manchmal nicht gewusst, was abends gesendet wird. Also rutschte er vom Reporter hinter der Kamera, der seine Beiträge selbst textet und schneidet, zunehmend in die Rolle des Reporters vor der Kamera.

Bevor er 2015 zum Chef von Dienst von "Explosiv" aufstieg, berichtete Kruber allein fünfmal auch aus dem RTL-Dschungelcamp in Australien für alle RTL-Magazine – und machte dabei wenig schmeichelhafte Schlagzeilen. "Gäbe es eine Wahl zum schlechtesten Moderator: Malte Kruber läge sehr weit vorne", wurde geschrieben, "unfassbar blöde Fragen" habe er Sonja Zietlow und Daniel Hartwich gestellt, die ihn deshalb als "Hein Blöd" verspottet hätten.

Darauf angesprochen, kommt von Kruber ein cooles "Ach, diese Geschichte wurde durch den Kölner ,Express‘ größer gemacht, als sie war". Sonja, Daniel und er hätten doch nur rumgeblödelt. "Wir standen alle unter positivem Druck und wollten nur das Beste abliefern." Sie seien "nach wie vor gut miteinander" – und die Frotzelei on Air definitiv nicht der Grund, warum er sich von der One-Man-Show als Reporter wegentwickeln wollte.

Im Dschungelcamp habe er erlebt, wie wahnsinnig viel Arbeit, Herzblut, aber auch Erwartungsdruck in solchen Produktionen steckt. Aus der Senderposition Verantwortung dafür zu übernehmen, reizte ihn. 2016 wechselte er in die Rolle des Executive Producer bei RTL und nahm die, wie er betont, "unbezahlbare Erfahrung" mit, die eigentlich jeder TV-Manager machen sollte: "Ich habe gelernt, was im Fernsehen geht und was nicht. Ich weiß, wie man im Magazin-Journalismus mit sehr begrenzten Mitteln sehr viel herausholen kann und schätze nun Menschen auf Senderseite, die Produzentinnen ambitionierte, realistische Ziele setzen, aber keine Utopien."

Die Mittel mögen bei RTLzwei begrenzter sein als bei RTL. Aber als Programmdirektor Entertainment (Kruber teilt sich die Programmdirektion mit Konstanze Beyer, die den Bereich Factual & Doku verantwortet) sieht der TV-Manager dennoch eine "breitere Spielwiese" für seine Ziele. Und die sind: die Beständigkeit bei RTLzwei fortführen und soweit möglich ergänzen und die Transformation ins Digitale ausbauen.

"Ich weiß, wie man im Magazin-Journalismus mit sehr begrenzten Mitteln sehr viel herausholen kann und schätze nun Menschen auf Senderseite, die Produzentinnen ambitionierte, realistische Ziele setzen, aber keine Utopien."


Und womit gelingt letzteres derzeit am besten? Mit Reality.

Je länger er bei RTLzwei ist, desto bewusster wird Kruber, wie viele "unfassbar starke Formatmarken dieser Laden" habe, die zum Erfolg der Streamingplattform RTL+ "überdurchschnittlich" beitrügen: "Dass wir als Underdog-Sender da mitschwimmen können, erfüllt mich mit Stolz.“ Er glaubt sogar, dass einige Kolleginnen und Kollegen "neidisch" sind auf so manches RTLzwei-Format. Zum Beweis gibt er die Anekdote zum Besten, wie bei einem Event zwei Intendantinnen der Öffentlich-Rechtlichen auf ihn zukamen und sich als Fans der Geissens outeten. "Ist doch super", habe er gesagt, "ihr braucht euch nicht dafür zu entschuldigen." RTLzwei löse halt bei jedem etwas aus. Wenn es positive Emotionen sind, umso besser . . .

In seinem Enthusiasmus ist Malte Kruber kaum zu stoppen. Man merkt: Nach fast drei Jahren hat er den angeblich einzigartigen Spirit von Grünwald verinnerlicht. Der Berufspendler schätzt das Arbeiten, das so anders ist als in einem großen Konzern. Was aber auch bei RTLzwei nicht anders ist als bei RTL: Es ist schwieriger geworden, im Linearen einen Lagerfeuer-Moment zu generieren. Das gelingt, so sieht es der RTLzwei-Programmchef auch, aktuell Sport, ESC, Dschungel und vielleicht noch Joko & Klaas. "Deshalb ist der mediale Aufschlag, den man mit prominenten Figuren wie Stefan Raab oder Arabella Kiesbauer erreichen kann, wichtig und nicht zu unterschätzen."

"Andere Sender mögen eine Frauenquote diskutieren. Wir brauchen sie nicht, denn wir haben ja schon jetzt mehr weibliche Moderatorinnen als männliche, und das ist gut so."


Bei der "wunderbaren Arabella", wie Kruber seine jüngste Errungenschaft nennt, löste das Format "Kampf der Realitystars" offenbar sehr positive Emotionen aus. Die ehemalige Queen of Trash-Talk findet ihm zufolge das Format "einfach cool". Sie beerbte Cathy Hummels als Moderatorin und ist auch bei der Allstars-Staffel an Bord, gemäß der von Kruber ausgeführten Senderlinie: "Andere Sender mögen eine Frauenquote diskutieren. Wir brauchen sie nicht, denn wir haben ja schon jetzt mehr weibliche Moderatorinnen als männliche, und das ist gut so."

Arabella Kiesbauer und Malte Kruber © RTLzwei/Luis Zeno Kuhn Arabella Kiesbauer und Malte Kruber am Set von "Kampf der Realitystars"

Er ist zwar nicht allein darauf gekommen, Arabella Kiesbauer anzufragen, das war "perfektes KDRS-Teamswork". Aber letztlich war es der Programmchef himself, der nach Wien fuhr, um der "Ikone" der Fernsehgeschichte das Angebot zu unterbreiten. Krubers Begrüßungsgeschenk – ein Kofferanhänger von KDRS – gab aber ganz sicher nicht den Ausschlag für ihre Zusage. Auf dem deutschen Fernsehmarkt hatte sich die Österreicherin schon länger rargemacht. Und wer geht nicht gerne am Traumstrand in Thailand auf Arbeit?

Auf jeden Fall, so sieht es Kruber, ist Arabella Kiesbauer für RTLzwei "ein doppelter Win-Win", "sie passt wie die Faust aufs Auge", findet ihr wohl größter Fan, weil sie nicht nur inhaltlich "verdammt stark" sei. Dank ihres journalistischen Backgrounds könne sie auch "gut unangenehme Fragen stellen". Das Kernelement der Show, "Die Stunde der Wahrheit", hätten sie deshalb "wie eine iconic-Arabella-Talkshow-Situation" arrangiert, in der sie ihre Stärken ausspielen könne.

In Krubers Gedankenspielen, was noch alles möglich sein könnte in einer Zeit, wo die Entscheidungswege auch nach seiner Erfahrung länger geworden sind, bis man sich für eine Show oder eine Reality committet, kommt die Kiesbauer oder wie er sie auch nennt: die "Love Brand", weiter vor. Er möchte sie als Instanz bei RTLzwei "weiter etablieren", gerne auch in anderen Formaten. Welche das sein könnten, behält er für sich.

Im besten Fall ist es wirklich mal eine innovative Idee.