Spiegel OnlineWürde "Spiegel Online" nicht schon seit Montag auf seinen Relaunch mit mehreren Artikeln und Bilder-Galerien hinweisen - vielen wäre er beim ersten Blick auf den seit gestern in überarbeiteter Form verfügbaren Marktführer unter den deutschen Nachrichtenseiten wohl gar nicht aufgefallen. Denn auf der Startseite bewegt sich der Grad der Änderungen wirklich eher in homöopathischen Dosen - das Wort "Relaunch" mag man ob der dezenten Überarbeitung hier kaum in den Mund nehmen.

Doch muss man das eigentlich kritisieren? "Spiegel Online" hat es geschafft, durch die Verbreiterung der Seite um 130 Pixel - die sich vor allem in einer breiteren rechten Spalte niederschlagen - und eine leichte Design-Überarbeitung nun etwas luftiger, aufgeräumter und moderner daherzukommen, ohne dass sich für die treuen Leser etwas Grundlegendes an der Handhabung der Seite geändert hätte. "Spiegel Online" verzichtet auf diverse vermeintlich moderne Spielereien und allzu kleinteilige Features und wirkt dadurch im oberen Bereich der Startseite so unaufgeregt wie nur wenig andere deutsche Nachrichtenportale.

Doch so behutsam man sich der Startseite gewidmet hat, so fragwürdig sind die Änderungen, die "Spiegel Online" auf seinen Artikelseiten durchgeführt hat. Wer mit einem kleineren Monitor, etwa einem Netbook, einen solchen Artikel aufruft, für den beginnt der eigentliche Artikel-Text absurderweise künftig fast rechts unten im Eck. Schuld ist daran zum einen der etwas groß geratene Header, der zeigt, zu welchem Oberthema wie etwa "Finanzkrise", "Superwahljahr" oder "Afghanistan-Krieg" der Artikel gehört, sowie die neu eingeführte linke Spalte.

Dort finden sich künftig die sogenannten "Assets" des Artikels, wie es in der internen "Spiegel Online"-Bezeichnung heißt. Neben Links zu weiteren Themen-Seiten gibt es auch Bildershows, Videos und ähnliches zum jeweiligen Artikel. Positiv: Weil all diese Dinge künftig nicht mehr mit Kästen innerhalb des eigentlichen Artikeltextes angekündigt werden müssen, gestaltet sich das Lesen des eigentlichen Textes sogar angenehmer. Ob es sich dafür aber lohnt, gegen die gelernten Nutzungsgewohnheiten von Nachrichtenseiten zu verstoßen, ist fraglich. In den ersten Kommentare zum "Spiegel Online"-Relaunch via Twitter und im Forum war das jedenfalls wenig überraschend der Hauptkritikpunkt.

Ohnehin dürfte die Einführung dieser linken Spalte weniger mit Blick auf die Leser, als mit Blick auf die Werbekunden erfolgt sein - auch wenn das in der offiziellen Vorstellung der neuen Seite natürlich nicht erwähnt wurde. Denn ganz oben findet sich in dieser linken Spalte - und damit genau an dem Punkt, an dem bislang der Artikeltext begann und auf den der Blick zuallererst fällt- direkt mal Werbung. Ein Werbe-Platz, der nicht gerade billig sein dürfte. Auch im weiteren Verlauf füllt "Spiegel Online" diese linke Spalte mit allerlei Werbung auf. Und dazu hat die neue linke Spalte noch einen weiteren Nebeneffekt, mit dem sich Werbekunden umschmeicheln lassen: Der eigentliche Artikel rückt nach rechts und damit direkt an die Skyscraper-Werbung am rechten Rand ran. Auch das dürften die Werbekunden wohlwollend zur Kenntnis nehmen.

Spiegel Online-Artikelseite
Neue Artikelseiten auf Spiegel Online: Werbung kreist den Inhalt ein.

Zurück zu den Inhalten: Besonders stolz ist man bei "Spiegel Online" dabei auf die bereits oben erwähnten neu eingeführten Themenseiten. Dort finden sich neben aktuellen Artikeln aus "Spiegel Online" sowie Hintergrund-Berichten aus dem "Spiegel"-Archiv auch weitere Infos und Features zum jeweiligen Thema sowie passende Einträge aus Wikipedia und dem Lexikon, die auch schon bei "Spiegel Wissen" eingebunden waren. Jeder Artikel ist dabei einem Oberthema zugeordnet und kann noch Links zu etlichen weiteren Themenseiten enthalten. Im Grunde handelt es sich also um ein aufgebohrtes Tag-System. Wichtige Themenseiten werden dabei redaktionell gepflegt, andere automatisch bestückt - was allerdings häufig noch nicht ganz optimal funktioniert. Die über einem Artikel über Gabriele Pauli groß angekündigte Themenseite zu ihrer "Freien Union" zeigt bislang nur gähnende Leere an. Diese neuen Themenseiten ermöglichen nun einfacher als bisher den Einstieg in Hintergründe eines Themas und binden smart auch das "Spiegel"-Archiv mit ein.

Doch so stolz man auch darauf sein mag: In der praktischen Nutzung der Seite werden sie für den übergroßen Teil der Besucher der Seite kaum eine Rolle spielen. Auch alle weiteren Neuerungen wie etwa die ausgebaute Einbindung von Social Bookmarks oder die Möglichkeit, Videos in ansprechender Größe nun auch direkt im Artikel einbinden zu können sind so sinnvolle wie unspektakuläre Weiterentwicklungen. Gäbe es nicht die fragwürdige neue Aufteilung der Artikelseiten, könnte man von einer gelungenen, behutsamen aber völlig unspektakulären Modernisierung des bisherigen Designs sprechen, das immerhin für die meisten Nachrichtenseiten in Deutschland stilbildend war. Ob man sich mit den neuen Artikelseiten aber einen Gefallen getan hat oder dort früher oder später noch einmal nachbessern muss, bleibt noch abzuwarten.