"Ach, wird die Werbung mal wieder durch Programm unterbrochen?" Auf sarkastische Kommentare wie diese muss man ebenso wie auf empörte Reaktionen in Social Media über die angeblich immer weiter ausufernde Werbung im TV meist nicht lange warten, wenn mal wieder eine große Show im Privatfernsehen läuft. Doch der Eindruck, die Werbeunterbrechungen würden immer häufiger und/oder länger, trügt.
Denn das klassische Fernsehen in dieser Hinsicht so stark reguliert ist wie kein anderes Medium. Während YouTube, TikTok & Co. so viel Werbung einspielen dürfen, wie es der jeweilige Anbieter für richtig hält, gilt für Fernsehsender seit jeher die Festlegung, dass maximal 20 Prozent der Sendezeit mit Spot-Werbung belegt werden darf. Bei den Öffentlich-Rechtlichen sind die Vorgaben noch deutlich restriktiver: Hier gibt’s bekanntlich nach 20 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen gar keine Werbung und im Jahresdurchschnitt dürfen es werktäglich maximal 20 Minuten sein.
Lars-Eric Mann von der AdAlliance sagt dann auch: „Der Umfang von Werbung im linearen Fernsehen ist gesetzlich klar geregelt – über den Medienstaatsvertrag und die EU-Richtlinie zur maximalen Werbezeit, die in toto nicht mehr Werbung im TV erlauben als früher. Daran halten wir uns selbstverständlich. Fakt ist: Es läuft nicht mehr Werbung, sondern Werbung wird heute zielgerichteter und effizienter gebucht. Zudem ist TV-Werbung von den Zuschauer:innen akzeptiert und fest im Nutzungserlebnis verankert – oft als willkommene Pause.“ Und auch Lennart Harendza von Seven.One Media pflichtet bei: "Das Verhältnis Inhalte zu Werbezeiten hat sich in den letzten Jahren nicht geändert – und ist über den Medienstaatsvertrag geregelt."
Umgerechnet heißt das: Pro Stunde dürfen nur 12 Minuten mit Werbung belegt sein. Doch es ist nicht nur ein Gefühl, dass die Unterbrechungen länger sind - und das hängt mit mehreren Faktoren zusammen. So wird die 20-Prozent-Regel inzwischen nicht mehr für jede Stunde angewandt, sondern gilt für größere Zeiträume. Wörtlich heißt es in §70 des Medienstaatsvertrags: "Der Anteil an Sendezeit für Fernsehwerbespots und Teleshopping-Spots darf in den Zeiträumen von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr, von 18.00 Uhr bis 23.00 Uhr sowie von 23.00 Uhr bis 24.00 Uhr jeweils 20 von Hundert dieses Zeitraums nicht überschreiten."
Das ermöglicht den Sendern und Werbevermarktern etwas Flexibilität – und kann dazu führen, dass in einzelnen Stunden auch mehr als 12 Minuten Werbung zu sehen ist, wenn das in anderen Zeiten des gleichen Slots wieder ausgeglichen wird. Werbeinseln sind im Programm jedenfalls nicht gleich verteilt. Teils versuchen Sender, besonders reichweitenstarke Zeiträume stärker zu nutzen, teils versucht man auch mit Blick auf die Konkurrenz, die eigenen Werbeblöcke strategisch zu positionieren. Ein Beispiel: Weil sonntags nach dem „Tatort“ nochmal viel Publikum neu verteilt wird, versucht Vox, ab 21:45 Uhr für eine lange Zeit keine Werbung zu zeigen, um Zapper einzusammeln, was regelmäßig ziemlich gut funktioniert. Das führt allerdings umgekehrt dazu, dass direkt davor teils die Programm-Blöcke kaum länger als die Unterbrechungen drumherum sind.
Und noch etwas sorgt dafür, dass die tatsächlichen Unterbrechungen länger ausfallen: Trailer für Programme der eigenen Sendergruppe, aber auch Spendenaufrufe und „unentgeltliche Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit“ werden nicht zu dieser Spot-Werbezeit hinzugefügt, unterbrechen das laufende Programm aber natürlich ebenfalls. Einzelne Pausen reichen dabei an eine Länge von bis zu 10 Minuten heran, wie eine Auswertung der vergangenen Woche zeigt. Dass an die Werbepausen auch Trailer angehängt werden, ist aber natürlich nicht neu. Eine Erklärung über die lauter werdenden Klagen über Werbepausen muss man daher woanders suchen.
Einen Ansatz findet man auch darin, dass die Streaming-Dienste lange Zeit mit Werbefreiheit punkteten, was besonders bei Viel-Nutzern die Toleranz für Werbeunterbrechungen sinken ließ. Doch dieser Nachteil des Privatfernsehens schwindet wieder, seit die meisten Streamer mit Blick auf das begrenzte Medien-Budget der Haushalte längst ihre Strategie angepasst haben. Dass Tarife mit Werbung überall zu den am stärksten wachsenden Angeboten gehören, zeigt: Für viele ist ein gewisser Anteil an Werbung im Austausch für einen geringeren Abo-Preis also offenbar durchaus attraktiv. Wie hoch dieser Umfang auf Dauer sein darf, gilt es noch herauszufinden – zuletzt wurde die Länge der Unterbrechungen hier teils schon kräftig nach oben gefahren.
Stellt sich abschließend die Frage, ob das Fernsehen sich dann nicht auch etwas von den Streamern abschauen könnte. Dass man 20 Prozent der Zeit mit Werbung füllen kann, heißt ja schließlich nicht, dass man auch unbedingt 20 Prozent mit Werbung füllen muss, falls gerade Buchungsflaute herrscht. Mit mehr Exklusivität wäre womöglich mehr gewonnen als mit dem vielfach zu beobachteten Auffüllen von Eigenwerbung. Schaut man sich dann noch ab, dass im Streaming bei fast allen Anbietern die Gesamtlänge des Werbeblocks durch eine dauerhafte Einblendung transparent gemacht wird, könnte das in Zusammenhang mit etwas kürzeren Unterbrechungen zu einer stärkeren Akzeptanz der Werbunterbrechungen und einer Win-Win-Situation für alle führen.
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