Herrje, Netflix hat mich verdorben. (Und es ist immer schön, wenn man jemandem oder etwas die Schuld am eigenen schlechten Verhalten geben kann.) Vorige Woche sind die Staffeln von drei Serien zu Ende gegangen, die mir am Herzen lagen - und am Wochenende läuft dann auch noch das Staffelfinale von "Outlander". Und beim Schreiben meiner Kolumne von voriger Woche ist mir aufgefallen, dass mir mindestens zwei der Serien besser gefallen, wenn ich sie in meiner eigenen Geschwindigkeit gucken kann: "Veep" und "Outlander". Beide haben noch eine Gemeinsamkeit: Ich habe sie in diesem Jahr zum ersten Mal der Ausstrahlung entsprechend Woche für Woche geschaut. 

Bei "Veep" habe ich den Grund in der vergangenen Woche ja bereits angedeutet: Ich war es gewohnt, durch meine eigene Guck-Geschwindigkeit (etwa täglich eine Folge) in den Ereignissen so tief drin zu sein, dass ich die Anspielungen und taktischen Spielchen sehr gut verstanden habe. Bei Staffel 5 war mir der Abstand zwischen den Episoden (sieben Tage) zu groß, ich habe dem Geschehen zwar gut folgen können, doch hin und wieder habe ich Details nicht verstanden oder nachvollziehen können. Was bei mir das Gefühl hinterlassen hat: Da habe ich entscheidende Dinge verpasst und das Guckvergnügen war nicht so groß wie es hätte sein können. Ärgerlich. 

Ganz anders der Fall bei "Outlander": Die Handlung ist nicht so komplex, so detailverliebt, dass ich etwas verpasse, wenn ich die Folgen wöchentlich gucke. Aber: Die Stimmung ist eine andere. Die erste Staffel habe ich quasi am Stück geschaut - mehrere Episoden nacheinander an aufeinanderfolgenden Tagen. Ich habe also einige Zeit des Tages in den schottischen Highlands verbracht und die Hauptfigur Claire dabei begleitet, wie sie sich nach einer Zeitreise im Jahr 1743 einlebt. Ich bin in die Welt eingetaucht, und je länger ich dort war, desto intensiver war dieses "Outlander"-Gefühl. Als die erste Staffel vorbei war, musste ich - mit der Titelmelodie im Kopf - wieder auftauchen, freute mich aber schon auf die zweite Staffel, die kurz darauf startete. Doch - obwohl mich Claires Geschichte auch dieses Mal wieder fesselte - dieses besondere "Outlander"-Gefühl stellte sich nicht wieder ein. Jetzt könnte man sagen: Selbst schuld, warte doch einfach ab, bis alle Folgen da sind und guck am Stück! Klar, mache ich auch. Bei der nächsten Staffel.

Es gibt noch eine Serie, die ich in dieser Saison zum ersten Mal wöchentlich gesehen habe: "The Good Wife". Im Frühjahr 2015 erst bin ich in die Serie eingestiegen, habe die alten Staffeln ebenfalls quasi am Stück geschaut. Und nur die letzte Staffel habe dann auch ich der Ausstrahlung entsprechend geguckt. (Die vorletzte und die letzte Folge allerdings nacheinander - um sie ausreichend würdigen zu können.) Doch anders als bei "Veep" und "Outlander" hat mir beim wöchentlichen Anschauen nichts gefehlt. Ich habe es genossen, jede Woche wieder ein bisschen an Alicias Leben teilhaben zu dürfen. Natürlich ist mir der Abschied schwer gefallen, aber ich habe mich im Nachhinein nicht darüber geärgert, nicht in meiner eigenen Geschwindigkeit geguckt zu haben.

Der entscheidende Unterschied: "The Good Wife" hat Procedural-Charakter und ist darauf angelegt, dass man sie guckt, wie ich es getan habe. Obwohl es starke übergreifende Handlungsstränge gibt, gibt es in fast jeder Folge abgeschlossene Handlungen. Und wenn etwas aufgegriffen wird, was einige Episoden vorher oder gar in vorigen Staffeln passiert ist, wird es wiederholt, damit jeder die Zusammenhänge versteht. Sie ist nicht darauf angelegt, dass man sie am Stück guckt.

Bei "Veep" dagegen wird nur im äußersten Notfall Zeit darauf verschwendet, Dinge ins Gedächtnis zu rufen, um Zusammenhänge herzustellen. "Outlander" wiederum ist eine zusammenhängende Geschichte, die sich in jeder Woche entwickelt, hochwertig produziert - eine klassische Qualitätsserie. 

Was Netflix damit zu tun hat, fragen Sie jetzt? Ich habe mich in den vergangenen zwei Jahren daran gewöhnt, dass ich hochwertige Serien am Stück gucken kann, ohne darauf warten zu müssen, dass eine Staffel zu Ende ausgestrahlt wurde (was ich vorher hin und wieder wirklich getan habe). Klar, das trifft noch immer nur auf einige wenige Serien zu, die sogenannten Originals von Netflix oder Amazon. Trotzdem hat es in mir den Wunsch geweckt, dass ich alle Serien, die mir Spaß machen, in meiner eigenen Geschwindigkeit gucken möchte - und das so schnell wie möglich.  

P.S.: Und falls sich jetzt noch jemand fragt, was die Serie "Rick and Morty" (die auf dem Artikelbild zu sehen ist) damit zu tun hat: Inhaltlich nicht so viel. Aber die habe ich in dieser Woche geguckt. Auf Netflix. In meiner eigenen Geschwindigkeit. ;-) 

Und noch vier Gucktipps und ein Hörtipp zum Schluss:

Am Sonntag startet "The Night Of", die HBO-Drama-Hoffnung, die bei den LA Screenings für Begeisterung gesorgt hat. In Deutschland ist sie zeitgleich zur Ausstrahlung (also in der Nacht zu Montag) bei Sky On Demand und Sky Go zu sehen.

Als Kristen-Bell-Fan habe ich folgenden Tipp: Die vierte Staffel "House of Lies" ist ab 12. Juli als Free-TV-Premiere bei ZDFneo zu sehen.

Als Neil-Gaiman-Fan freue ich mich, dass die satanische Dramedy "Lucifer" endlich auch in Deutschland zu sehen ist, ohne dass man gleich Folgen kaufen muss: ab 15. Juli bei Amazon Prime.

Und als Fan britischer Ermittler-Serien lege ich Ihnen "No Offence" ab 14. Juli donnerstags bei ZDFneo ans Herz. 

Ein bisschen Eigenwerbung zum Schluss: das Finale der zweiten Staffel des Podcasts "Seriendialoge". Ich habe Arztserien einem Realitätscheck unterzogen: Dr. Matthias Henschen, Arzt und Seriengucker, erklärt mir, wie realistisch Serien wie "Grey's Anatomy", "Emergency Room" oder auch "Schwarzwaldklinik" sind. 
Weitere Infos zu den Serien und zum Gesprächspartner gibt's hier, zum Anhören klicken Sie auf folgenden Audioplayer:

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Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

"Veep": Die fünfte Staffel läuft seit Ende Juni beim Pay-Sender Sky Atlantic HD. Die bisherigen fünf Staffeln gibt's zum Beispiel bei Amazon Video, iTunes, Maxdome, Sky Go/Sky Online. Die Staffeln 1 bis 4 gibt's auf DVD.

"Outlander": Nur einen Tag nach Ausstrahlung in den USA sind die neuen Folgen beim Pay-Sender RTL Passion zu sehen - im Originalton. Ab 13. Juli wird auf Vox die erste Staffel wiederholt. Die erste Staffel und die bereits gesendeten Folgen der zweiten Staffel gibt's bei den Streamingdiensten Amazon Video, iTunes, Maxdome, Sony. Nur die erste Staffel ist bei Netflix und Xbox Video verfügbar. Staffel 1 gibt's auf DVD.

"The Good Wife": Die sechste Staffel läuft derzeit bei Sixx. Fünf komplette Staffeln und die bereits gesendeten Folgen der sechsten gibt's bei Amazon Video, iTunes und Maxdome, andere Dienste haben einzelne Staffeln. Wer die kompletten Staffeln 6 und 7 gucken will, wird zum Beispiel bei iTunes US fündig.  

"Rick and Morty": Läuft ab 11. Juli fast täglich beim Pay-Sender TNT Comedy. Die erste Staffel ist bei Amazon Video, iTunes und Netflix verfügbar. Gibt's auf DVD. 

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