Ist wöchentliches Ausstrahlen vielleicht doch besser? Diese Frage stelle ich nicht für mich, sondern für einen gewissen Luke Cage. Denn je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich der Meinung: Luke Cage hätte ich einen wöchentlichen Auftritt gegönnt. "Auftritt" und "gegönnt", diese Wörter verwende ich absichtlich, auch wenn sie im ersten Moment seltsam erscheinen mögen. Bei einer solch starken, relevanten und spannenden Figur wie dem schwarzen Superhelden, der seit Freitag bei Netflix in "Marvel's Luke Cage" wenn nicht die Welt, so doch Harlem zu retten versucht, kommt jede Folge einem Auftritt gleich. Und ich bin nach längerem Grübeln zu dem Schluss gekommen: Die größere Durchschlagskraft hätte dieser besondere Mann bei einer Veröffentlichung nach alter Fernseh-Art, wöchentlich Folge für Folge.

 

Klar, für Leute, die sich gerne dem Binge-Watching hingeben, ist es das Größte, wenn eine ganze Staffel am Stück veröffentlicht wird. Und ich gebe zu, dass ich das auch mag (allerdings aus Kleinkind-Gründen fast keine Zeit mehr zum Binge-Watching habe) und dass ich am liebsten jetzt einfach weitergucken würde, statt diesen Text zu schreiben. Doch wenn jeder in seiner eigenen Geschwindigkeit guckt, dann ist der Diskurs über die Serie und die einzelnen, diskussionswürdigen Folgen, zerrissen, zerstückelt, kann nur schwer stattfinden. Einige Leute sind schon weiter und reden über das Finale, andere finden, dass das Ereignis, das sie eben in einer Folge am Anfang der Serie gesehen haben, dringend diskutiert werden müsste. Zweitere wollen natürlich auf keinen Fall mit Ersteren diskutieren - aus Angst, gespoilert zu werden. Bei einer wöchentlichen Ausstrahlung kann eine solche Diskussion leichter stattfinden - angeführt von den Serienkritikern, die sich Woche für Woche mit jeder einzelnen Folge ausführlich beschäftigen können. 

Und - obwohl ich noch längst nicht alle Episoden von "Marvel's Luke Cage" kenne - weiß ich, dass die gesamte Staffel sehr viel zu bieten hat, worüber es sich zu diskutieren lohnen würde. Schon dass Luke Cage in der allerersten Folge die Kapuze genau zu dem Zeitpunkt überstülpt, als er beschließt, sich zu seiner Superheldenkraft zu bekennen und für die Schwachen in Harlem einzustehen, ist ein Statement. Denn es ist kein Zufall, dass er das zu einer Zeit tut, da in den USA aus Angst vor Polizeigewalt schwarze Jugendliche von ihren Müttern davor gewarnt werden, mit Kapuze auf dem Kopf durch nächtliche Straßen zu laufen. Und es zeigt: Hier geht es um mehr als nur nette Superhelden-Geschichten, die von der Realität abgekoppelt sind - hier werden gesellschaftlich relevante Themen verhandelt.


Ein Superheld im Hoodie: Luke Cage (gespielt von Mike Colter)

Ich hoffe sehr, dass Luke Cage trotzdem die Diskurskraft entwickelt, die er verdient. Dass die Figur und ihre Handlungen Diskussionen anstößt, genau wie es der Serie "Marvel's Jessica Jones" gelungen ist, das Thema Trauma und sexuelle Gewalt in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken. Auch wenn ich mir hier im Nachhinein ebenfalls gewünscht hätte, dass einzelne Folgen intensivere und ausgiebigere Betrachtung gefunden hätten und nicht untergegangen wären im großen Ganzen.

Die Science-Fiction-Serie "Westworld" dagegen, die ebenfalls an diesem Wochenende startet, wird wöchentlich zu sehen sein - wie das der Pay-Sender HBO nun mal eben seit Jahrzehnten handhabt. Und ich finde es ganz spannend, dass "Marvel's Luke Cage" und "Westworld" so kurz nacheinander starten. Denn dadurch kann ich vielleicht Anhaltspunkte dafür finden, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass die höhere Durchschlagskraft bei einer wöchentlichen Ausstrahlung erreicht werden kann. Klar, die Serien sind sehr unterschiedlich und gehören anderen Genres an. Doch die Dystopie "Westworld" hat ebenfalls großes Diskussionspotenzial. Sie basiert auf dem gleichnamigen Film von Michael Crichton aus den 70er-Jahren. Es geht um einen Wild-West-Vergnügungspark, in dem Menschen Rollenspiele mit menschenähnlichen Robotern erleben können - bis die Roboter durch immer ausgefeiltere Updates ihrer Programme zu menschlich werden, ein Erinnerungsvermögen entwickeln und plötzlich aus ihren Rollen ausbrechen. Ich habe bisher nur die erste Folge gesehen, doch sollten die anderen Episoden ähnlich stark sein, könnten hier sehr spannende Denkanregungen gegeben und Diskussionen angestoßen werden.

Und noch zwei Gucktipps und zwei Hörtipps zum Schluss:

Was verrücktes Neues: "Crazy Ex-Girlfriend". Die junge, erfolgreiche Anwältin Rebecca Bunch springt von der nächsten Stufe der Karriereleiter, um in den Heimatort des Ex-Freundes zu ziehen, wo sie - völlig überqualifiziert -  in einer kleinen Kanzlei anfängt. Und nein, sie macht das natürlich nicht, weil sie wieder mit ihm zusammenkommen will. Nee, is' klar. Rachel Bloom ist einfach grandios in dieser Dramedy. Das Sahnehäubchen dieser schön schrägen Geschichte: Hin und wieder singt sie auch noch. Was überraschenderweise richtig gut passt. "Crazy Ex-Girlfriend" gibt's ab 1. Oktober 18.50 Uhr bei ProSieben Fun.   

Was verrücktes Altes: "Freaks and Geeks", diese wunderbare High-School-Serie von Judd Apatow, die so viele Stars hervorgebracht hat, ist seit 30. September auch auf Netflix verfügbar (bei Amazon Prime Video gibt's sie schon länger). Der deutsche Titel lautet übrigens: "Voll daneben, voll im Leben". Wer mehr über die Serie erfahren will, ich habe vor gut einem Jahr darüber geschrieben: "'Freaks and Geeks' - die Ursuppe der US-Serienstars".  

Der Podcast "Seriendialoge" ist in die dritte Staffel gestartet, und zwar schon in der vergangenen Woche. Doch weil ich in meinem vorigen Kolumnentext vergessen habe, auf die erste Episode hinzuweisen, werde ich das jetzt kurz nachholen:

Vergangene Woche gab es eine Spezial-Ausgabe: eine Reportage aus Los Angeles von der Emmy-Verleihung

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Diese Woche geht es um "Outlander": Verlegerin und Buchbloggerin Karla Paul erklärt, warum die Buchadaption der Highland-Saga von Diana Gabaldon richtig packend ist. Ein Gespräch darüber, wie eine Literaturverfilmung gelingen kann, welche Rolle die Sex-Szenen spielen, was die Serie besser macht als "Game of Thrones" und über eine besondere Frauenfigur. 

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Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

"Marvel's Luke Cage": Nur bei Netflix.

"Marvel's Jessica Jones": Nur bei Netflix.

"Westworld": Zeitgleich zur US-Ausstrahlung jeweils nachts von Sonntag auf Montag auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Ticket. Auf Sky Atlantic HD dann voraussichtlich erst im Frühjahr 2017 zu sehen.

Wer mir auf Twitter folgen möchte, kann das hier tun: @FrauClodette.