Nach den vielen schlechten Nachrichten in der vergangenen Woche wollte ich mir für diese Woche in bisschen Eskapismus gönnen. Am besten geeignet sind bei mir für solche Fälle: Naturdokumentationen. Doch die würden in diesem Fall nicht helfen, befürchtete ich: Trump glaubt nicht an den Klimawandel (als wäre das eine Glaubensfrage, ich fasse es nicht), weshalb ich mich vermutlich während des Guckens von Naturidylle ununterbrochen aufregen würde. Deshalb fiel meine Wahl auf Kochsendungen.

In den vergangenen Wochen hatte ich mit "The Great British Bake Off" sehr gute Erfahrungen gemacht: Selbst der trübste Donnerstag wurde um vieles heller, wenn ich die GBBO-Folge vom Vortag gucken konnte (fantastische Kuchen, köstliches Gebäck, witzige Moderatorinnen, sympathische Kandidaten, heimelige Atmosphäre). Das Genre schien mir also geeignet, um mich von der Grübelei wie "Was bedeutet die Trump-Wahl für mein Töchterchen?" zumindest hin und wieder abzulenken. Doch da die Staffel "The Great British Bake Off" seit Ende Oktober vorbei ist und von mir auch schon durchgeschaut wurde, musste ich mir etwas anderes suchen. Mir fiel ein, dass schon seit längerem "Chef's Table" auf meiner Liste steht, aber ich noch nicht eine Minute lang reingeschaut hatte. Ja, das ist was komplett anderes als "The Great British Bake Off". Kochen statt backen, Profis statt Laien, Porträts statt Wettbewerb. Aber: Zubereitung von köstlichem Essen! Perfekt zum Ablenken! Dachte ich zumindest. 

Und ich setzte mich mit einer Tasse Tee und ohne Laptop aufs Sofa, um einfach mal für eine knappe Stunde zu vergessen, was da vergangene Woche in den USA passiert ist und welche Auswirkungen das haben wird. In der ersten Folgen brauchte ich ein bisschen, um reinzukommen. Doch nach zehn Minute packte mich die Geschichte von Massimo Bottura - ein italienischer Koch, von dem ich natürlich vorher nie etwas gehört hatte (ist ja auch nur der beste Koch der Welt). Ich war gepackt von seiner Leidenschaft für die Region Emilia-Romagna, das dort typische Essen und warum er mit seiner Art zu kochen trotzdem alle Menschen dort gegen sich aufgebracht hat. Ich war gepackt davon, welche Rolle die Beziehung zu seiner Frau für seine Entwicklung zu einem außergewöhnlichen Koch gespielt hat. Und ich war berührt von dieser tiefen Verbindung zwischen den beiden. So berührt, dass ich das ein oder andere Tränchen vergossen habe. Bei einer Kochsendung. Verrückt, eigentlich. 

Auch von der zweiten Folge war ich hin und weg: Dan Barber, ein amerikanischer Koch mit eigenem Bauernhof, der saisonal und lokal kocht und der kein geringeres Ziel hat, als uns Konsumenten wieder eine andere Beziehung zu landwirtschaftlichen Erzeugnissen nahe zu bringen. Wow. Welch tolles Gemüse! Am liebsten wäre ich sofort auf seine Farm gereist, um mir dort einfach ein Rübchen aus dem Feld zu ziehen. Aber ach, Klimawandel! Trump!

Die dritte wiederum fand ich einfach nur schön - weil tolle Bilder aus Patagonien gezeigt wurden. Ja, ein Koch kam natürlich auch vor, Francis Mallmann, aber den fand ich noch nicht einmal halb so spannend wie die beiden zuvor.

Umso mehr packte mich dann die vierte Folge: die Geschichte von Niki Nakayama. Tochter japanischer Einwanderer in den USA. Eine inspirierende Frau! Wie sie es trotz aller Widerstände geschafft hat, sich als Köchin sogar in Japan durchzusetzen. Und wie sie die traditionelle japanische Küche verändert und zu ihrer eigenen gemacht hat, mit der sie nun ihre Gäste in Los Angeles verzaubert. Und wie sie wie selbstverständlich ihre Lebenspartnerin an ihre Seite geholt hat und nun täglich mit ihr in ihrem Restaurant kocht. Und es hat mich traurig gemacht, dass sie selbst jetzt noch - als erfolgreiche und anerkannte Köchin - die Tür zur Küche schließt, weil sie nicht mehr will, dass jemand sagen kann: Oh, für eine Frau ist das aber nicht schlecht gekocht. Oder: Da kocht eine Frau? Nee, dann geh ich wieder. Zack, da war Trump schon wieder zurück in meinem Kopf. Denn als Nicht-Weiße, als Frau, als Lesbe? Das sind gleich drei Gründe, sich jetzt in den USA unwohl zu fühlen und Schlimmes zu befürchten. 

Vier Beispiele aus einer unerwarteten Bandbreite, die "Chef's Table" in den bisher veröffentlichten zwei Staffeln auftischt. Zwölf sehr unterschiedliche Köche mit ganz unterschiedlichen Koch-Philosophien und unterschiedlichen Lebensgeschichten, die sie dorthin gebracht haben, wo sie jetzt sind: die Spitze der Kochelite. Behutsame Porträts mit wunderschönen Bildern. Und ja, tolles Essen kommt auch vor. Aber vor allen: spannende Menschen. Berührend und inspirierend. Ich freue mich schon auf die dritte Staffel, die im nächsten Jahr veröffentlicht werden soll. Ich werde sie auf jeden Fall schauen, obwohl das mit dem Eskapismus dieses Mal nicht so gut funktioniert hat. Aber vielleicht kann man manche Themen auch einfach nicht ausblenden.

Ein schwedischer Koch ist übrigens auch dabei, in der ersten Staffel gleich. Er hat allerdings einen anderen Kochstil drauf als sein Kollege aus der "Muppet Show". 

Und zum Schluss noch zwei Gucktipps: 

Hiphop, ganz unglamourös: Donald Glover zeigt in seiner neuen Comedy "Atlanta", wie das Leben als Hiphoper wirklich sein kann. Und nebenbei entführt er das Publikum in die Welt der schwarzen US-Bevölkerung in den Südstaaten. Die Serie ist ab 22. November dienstags beim Pay-Sender Fox zu sehen.

Ein spannendes Spiel mit Wahrnehmung geht in die nächste Runde: Die dritte Staffel "The Affair" ist ab 25. November bei Amazon Video (Prime) verfügbar. Am Anfang der ersten Staffel steht nur eine Affäre, aus zwei Perspektiven erzählt. Doch schon bald geht es um so viel mehr: Schuld, Loyalität, Familie, Liebe und Mord. 

Und endlich ist nun das "Gilmore Girls"-Revival nicht mehr fern: Ab 25. November sind vier neue (lange!) Folgen bei Netflix verfügbar.

Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

"The Great British Bake Off": Bei Amazon Video gibt's die Staffeln 3 bis 6. Bei iTunes UK sind die Staffeln 1 bis 6. Die Staffel aus diesem Jahr ist noch nicht verfügbar. Aber bei Youtube lassen sich einige Folgen daraus finden. 

"Chef's Table": Nur bei Netflix.

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