Auf den ersten Blick haben "Santa Clarita Diet" und "Fleabag" nicht viel gemeinsam, außer dass sie als Comedys bezeichnet werden. Die eine spielt in einem kleinen, sonnendurchfluteten Ort in Kalifornien, die andere im grauen London. Die eine hat einen internationalen Star in der Hauptrolle, die andere eine wenig bekannte Komikerin. In der einen geht es um einen Zombie, in der anderen um einen Menschen aus Fleisch und Blut. Die eine wurde für Netflix produziert, die andere für Amazon Video und die BBC. Die eine ist wirklich zum Lachen, die andere eher zum Weinen.

Und trotzdem haben sie meiner Meinung nach etwas gemeinsam. Okay, vermutlich wäre ich nicht auf die Idee gekommen, die beiden Serien zu vergleichen, wenn sie nicht am selben Tag in Deutschland gestartet wären. Aber das sind sie nun mal, beide am 3. Februar. Und seitdem, oder präziser, seit dem 5. Februar, denke ich darüber nach, was dieses Gefühl "Die haben irgendwas gemeinsam" genau ausmacht. Keine Sorge, ich habe natürlich nicht seit zwei Wochen ununterbrochen darüber nachgedacht, mir die Haare gerauft, das Essen und Trinken verweigert, um endlich auf die Lösung zu kommen. Aber es hat mich immer mal wieder beschäftigt. Und so ganz greifen kann ich das Gefühl noch nicht. 

Der naheliegende Gedanke: Im Mittelpunkt stehen zwei Frauen, die ungewöhnlich sind und von der Norm abweichen. In "Santa Clarita Diet" ist das Sheila Hammond (Drew Barrymore), sie ist Maklerin und lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in einem Obere-Mittelschicht-Vorort in Santa Clarita, Kalifornien. Ein ganz durchschnittliches Leben, sie ist zurückhaltend, fast schüchtern, sympathisch, sorgt sich um die Familie. Doch dann wird sie krank - und hat auf nichts anderes Appetit als Menschenfleisch. Sie ändert nicht nur ihren Speiseplan, sondern macht auch eine charakterliche Änderung durch: selbstbewusst, fordernd und zupackend tritt sie nun auf. Und ihre Familie und ihre Freunde sind ihr weiterhin sehr wichtig. Deswegen darf niemand von ihrem dunklen Geheimnis erfahren - sie muss Menschen töten, um zu überleben. Ihr Mann (gespielt von Timothy Olyphant) unterstützt sie nach Leibeskräften.

In "Fleabag" ist das Fleabag (Phoebe Waller-Bridge), sie betreibt ein Café, ist Ende Zwanzig, hat sich gerade getrennt. Sie ist arrogant, fies und unsympathisch. Und sie ist komplett auf sich fixiert (und auf Sex). Als wir Fleabag kennenlernen, ist sie auf diesem Arrogant-Fies-Sexsüchtig-Trip, und man erfährt weder, ob sie schon immer so war oder ob es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das einzige Wesen, zu dem sie immer nett ist: Hilary, das Meerschweinchen, das in ihrem Café wohnt. Auch wenn "Fleabag" als Comedy deklariert ist: Ich habe kein einziges Mal gelacht - obwohl ich die Serie richtig gut finde. Sie lässt sich einordnen in die neuen Dramedys, die tragische Geschichten etwas überspitzt darstellen. 

Denn was wir von Fleabag zu sehen bekommen, ist tragisch. Eine junge Frau, die untergeht, wenn sie so weitermacht. Sie hat keine Freunde, der Ex-Freund wendet sich ab, die zugegebenermaßen dysfunktionale Familie geht auf Distanz, das Café ist eigentlich pleite. Doch Fleabag trifft eine falsche Entscheidung nach der anderen. Sie ist auf dem direkten Weg in die Selbstzerstörung. 

Und das ist es, was mir die ganze Zeit auf der Zunge lag: Selbstzerstörung. Das verbindet die beiden Serien. Denn auch Sheila ist auf dem Weg in die Selbstzerstörung, durch ihren unstillbaren Hunger auf Menschenfleisch setzt sie, oder besser: muss sie alles aufs Spiel setzen. Bei ihr wissen wir: Sie ist jetzt eine Art Zombie (kein "The Walking Dead"- oder "Shaun of the Dead"-Zombie, sondern einer mit Gefühlen, also ein Zombie mit menschlichen Charakterzügen), sie kann nicht anders. Fleabag dagegen könnte doch eigentlich anders sein. Oder?

Selbstzerstörerische Frauenfiguren im Mittelpunkt einer Serie. Das finde ich faszinierend - leider gibt es das bisher nicht oft. Mir fällt spontan "Jessica Jones" ein oder "UnREAL". "Nurse Jackie" vielleicht noch. Eine große Drama-Serie mit einer solchen Figur, das würde ich mir wünschen.

Und zum Schluss noch vier Gucktipps: 

Eines meiner Serien-Highlights in diesem Jahr: "The Good Fight", das Spin-off von "The Good Wife" mit dem sehr ähnlichen Namen, startet am 19. Februar in den USA auf CBS. Die Anwältin Diane Lockhart (gespielt von der wunderbaren Christine Baranski) wird im Mittelpunkt stehen, sie ist eine meiner Lieblingsfiguren aus "The Good Wife". Durch diesen Charakter gepaart mit der derzeitigen politischen Situation in den USA könnte die Serie um einiges politischer werden als die Ausgangsserie. Große Vorfreude! (Wann und wie "The Good Fight" in Deutschland zu sehen sein wird, ist leider noch nicht bekannt.)

Noch eines meiner Serien-Highlights in diesem Jahr: Nicole Kidman, Reese Witherspoon, Shailene Woodley, Alexander Skarsgård in einer HBO-Serie von David E. Kelley vereint. Da sind die Erwartungen natürlich groß. "Big Little Lies" geht am 19. Februar in den USA los und wird in der Nacht zum 20. Februar in Deutschland auf Sky Go, Sky On Demand und Sky Ticket abrufbar sein. Große Vorfreude! (Psst, ich konnte schon mal reinschauen und war besonders von der Schauspielerleistung begeistert, obwohl das natürlich bei der Besetzung keine Überraschung ist.)

Nordische Ermittlerserie: Schön malerisch? Nö, schön düster. "Trapped - Gefangen in Island", spielt in Island und wurde von isländischen Autoren geschrieben. Es geht um einen Mord und die - manchmal - menschenfeindliche Natur der Insel. Seit Freitag in der ZDF-Mediathek und ab 19. Februar im ZDF zu sehen.

Erst Maxdome, jetzt Prosieben: Christian Ulmens "Jerks" ist nach dem Debüt im Januar bei der konzerneigenen Streaming-Plattform nun ab 21. Februar bei Prosieben zu sehen. Und zwar dienstags ab 23.15 Uhr.

Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

"Santa Clarita Diet": Nur bei Netflix.

"Fleabag": Nur bei Amazon Video (Prime).

Wer mir auf Twitter folgen möchte, kann das hier tun: @FrauClodette.