Unerwünschter Nebeneffekt: Echte Geschichten wirken dagegen oft blutleer - und so überrascht es nicht, dass die Zuschauer zunehmend gelangweilt abschalten. Trotz aller Quotenerfolge ist selbst in der Branche nicht jeder von dieser Entwicklung begeistert: Die Zahl der Studioproduktionen für den Nachmittag hat in den vergangenen Jahren spürbar abgenommen. Und nicht nur das: Florian Falkenstein, Vice President für Reportage und Facutal Events bei ProSiebenSat.1, sieht eine Verführung, dem Ruf nach immer stärkeren Plots zu erliegen. "Wir müssen schauen, dass wir unsere eigenen Formate nicht ad absurdum führen", warnte er 2010. So bestehe die Gefahr, dass sich der Zuschauer abwende.

Bei den Öffentlich-Rechtlichen waren Scripted Reality-Formate bislang ein Tabu, doch Gerüchte über ein Interesse daran gab es immer wieder. So tauchte plötzlich ein Papier mit dem Titel "Scripted Reality - eine Chance für den NDR?" auf. In Frage kommen offenbar Geschichten, die man in Form einer gewöhnlichen Dokusoap nicht erzählen kann - etwa die Arbeit eines Anwalts auf dem Lande, weil beispielsweise Personen unkenntlich gemacht werden müssten. NDR-Programmdirektor Frank Beckmann musste schnell beschwichtigen und erklärte, es gehe um "neue Produktionsformen und Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen". Denkverbote dürfe es aber nicht geben.

Dass Scripted Reality nicht zwangsläufig tiefstes Niveau bedeuten müssen, bekommt man regelmäßig bei VOX zu sehen. In der Makler-Doku "mieten, kaufen, wohnen" setzt der Sender bereits seit geraumer Zeit auf Schauspieler und fährt mit diesem Konzept angesichts bisweilen zweistelliger Marktanteile erfolgreich. Problematisch wird es aber vor allem dann, wenn Scripted Reality in Formate Einzug hält, in denen Glaubwürdigkeit zählt - etwa bei aktuellen Sendungen. So deckte DWDL.de Anfang 2010 auf, dass bei "Punkt 12" bei einer Millionärin auf Partnersuche gemogelt wurde. Dabei hatte RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel nur wenige Wochen zuvor im DWDL.de-Interview das Erfolgsgeheimnis des Magazins erklärt.

"Es ist ein Info-Magazin, mit harten und weichen Themen, Service, Klatsch und Nutzwert. Dass eine solche Sendung sich über die Jahre auch verändert ist normal", sagte Kloeppel Ende 2009. "Nur so haben die Macher es geschafft, dass 'Punkt 12' seit vielen Jahren den Mittag mit herausragenden Marktanteilen dominiert, zwei Stunden an jedem Werktag. Das soll uns erst einmal jemand nachmachen." Besser nicht - zumindest wenn es darum geht, Fiktion und Realität unter einen Hut zu bringen. Eines ist jedenfalls sicher: Angesichts nach wie vor starker Quoten von Scripted Reality-Formaten ist ein Ende dieses Fernseh-Trends vorerst nicht in Sicht.