Meine Freundin nennt mich „Ekel-Trotzki“. Sie meint, ich könne ganz schön eklig sein, wäre meistens trotzig und ein wahrer Klischee-Ossi, was das Motzen angeht. Ich wehre mich gar nicht dagegen. Erstens, weil das bei Frauen eh nichts bringt und zweitens, weil ich gerne einer bin. Mit Berechtigung.
Was in klugen Marketingstuben an grünen Tischen an Servicequalität erdacht und konzipiert wird, scheitert alltäglich in der Praxis. Ob in der U-Bahn, in städtischen Krankenhäusern oder im Showroom von bayerischen Luxuskarossen: Allerorten wabert dem geneigten Konsumenten ein melancholisch abgeneigtes „Was-willst-Du-denn-hier“-Gefühl entgegen, das in seinem Grauen nur von dem von Deutschen unerlernbaren „Hallo-schön-dass-Sie-da-sind“-Sprech ersetzt wird, der leider ohne komplette Inkompetenz des Aussagenden meist nicht anzutreffen ist.
Ich persönlich weiß nicht, was schlimmer ist.
Überhaupt: Was ist los in diesem Land? Reicht es nicht, dass Angela Merkel den zweiten Bundespräsidenten gibt? Wo Jogi Löw als das (Mittel)-Maß aller Dinge gilt? Ein Land, in dem Veronika Ferres ein Star ist? Hallo? Deutschland? Wach werden!
Da passt es gut, dass Russen deutsche Fernsehsender kaufen und Angestellte nach getanem Versagen mit geschätzten 20-30 Mio. Euro Mehrvermögen eine Stelle weiterhüpfen und öffentlich-rechtliche Sender Privatspiele von Nobelclubs zur besten Sendezeit unter Verbrennung „unseren“ Geldes übertragen.
Womit wir beim Thema wären: Es wird niemanden überraschen, dass ich, seit 18 Jahren Karglohnempfänger des Privatfernsehens, ein mittellauter Kritiker des dualen Systems bin. Ich mag öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehr. Konsumiere ihn liebend gerne. Ohne Bayern 2 im Radio und 3sat wäre mein Leben ärmer.
Doch am Dienstag dieser Woche schlug´s mal wieder dem berühmten Fass den noch berühmteren Boden aus: Der "Franz Beckenbauer Cup", Prime Time ZDF. Bayern gegen Inter, goldene Ananas, ein Privatvergnügen zur Stabilisierung der Extremgehälter von etwa 30 Fußballprofis. Ein Freizeitkick ohne jeden sportlichen Wert. Das Ergebnis: Grottenkick, kümmerliche 1 Mio. Zuschauer in der ersüchtelten Zielgruppe unter 50, nicht unter den Top 10 in der Tageswertung“. Hunderttausende Euro Gesamtkosten für den Gebührenzahler direkt in die Taschen der immerwährend unterprivilegierten Bayern, die international ja nie und nie und nie eine Chance haben.
DAS IST EINE FRECHHEIT!
Dies gehört nicht in den Versorgungsauftrag der gebührenfinanzierten Sender. In den Zeiten der Diskussion um DFL-Rechte eine blanke Provokation, doch hier nimmt man das in Zukunft gern zu verschmähende Gebührengeld dann doch mit Kusshand. Das muss aufhören. Privatspiele gehören ins DSF, und wenn da die finanziellen Mittel nicht reichen, kann es nicht richtig sein, dass wir alle das dann bezahlen.
Wenn so mit Überkohle ausgestattete Marktpartner wie die öffentlich-rechtlichen Sender auftreten, macht das nichts als die Preise kaputt und lässt die Geldempfänger nur jedes Jahr nach mehr schreien. Es ist also klar im Sinne der mit einem gesetzlichen Auftrag ausgestatteten ÖR-Sender, diesen Wahnsinn zu beenden.
Und weil man beim ZDF gerade offenbar die Bayern-Wochen zelebriert, beglücken uns die Anstaltler am Sonntagabend mitten in Olympia mit dem DFB-Pokalknüller gegen die Weltmannschaft von Rot Weiß Erfurt. Ein Unglücklicher, wer da nicht live dabei sein kann.
Und überhaupt keine Rede davon, dass in EM-, Tour de France (Kategorie „besonders skandalös“) – und Olympia-Jahren im Sommer die Anstalten eh nur riesige Sport-Promo-Dampfmaschinen sind. Dafür darf ich dann "ttt" um halb zwölf nachts suchen und "Frontal 21" mit dem genialen Theo Koll gibt es wochenlang gar nicht mehr. Wäre doch mal ein Thema für deren Rubrik „TOLL“.
Es ist aber abzusehen, dass sich nichts ändern wird: Weil alle so schön kommod miteinander, voneinander und - wenn´s mal genehm ist - auch gegeneinander funktionieren. Gerade ARD und ZDF sollten sich direkt vor dem Multimillionen-Spektakel Olympia fein zurückhalten.
„Um zu wissen, was ich will, brauche ich eine genaue Vorstellung davon, was ich nicht will“, hat Henry Ford angeblich mal gesagt. Richtig. Aber der Satz hieß eben nicht: „Ich weiß, was ich nicht will“. Er besteht aus zwei Teilen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Viele die Frage noch nicht gestellt haben: Wer bin ich? Und wenn ich das nicht weiß: Wer will ich sein?
Grübelt, denkt, zweifelt, spinnt, träumt und visioniert. Aber bitte mit Mut, Zuversicht und Lautstärke. Denken und handeln verändern, getreu dem Motto „Tanzt, tanzt - vor allem aus der Reihe.“
Ahoi,
Kai Blasberg
Diese Woche in Dur
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...und Moll
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- Immer ungenannte Börsenanalysten und deren nebulöse Kreise im Speziellen