Innerhalb der ersten beiden Stunden von "Wetten, dass..?" hat es am Samstagabend knapp 9.000 Tweets mit Hashtag #wettendass gegeben. Angesichts von geschätzt sechs bis sieben Millionen Zuschauern eine fast schon verschwindend geringe Zahl - und zugleich eine, die verdeutlicht, dass es gar nicht so viel braucht, um bei Twitter einen vermeintlichen "Shitstorm" auszulösen. Aus einer Saalwette zu dem in erster Linie durch die Adaption der Augsburger Puppenkiste bekannten Kinderbuch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ von Michael Ende wurde im Netz eine hyperventilierende Rassismus-Debatte, die dem ZDF aus der Wette zu jenem beliebten Kinderbuch bzw. Puppenspiel einen Strick drehen will.

Einen solchen Fäkalien-Sturm witterten schnell auch die Medien, darunter etwa der Kölner "Express", der schon parallel zur Sendung sämtliche Tweets mit besagtem Hashtag in seine Seite einbettete. Journalistischer Mehrwert sieht anders aus, aber so lange die oft schon tot geschrieben ZDF-Show scheinbar immer noch für einen Aufmacher reicht, scheint man beim ZDF nicht alles falsch gemacht zu haben. Ein Klickbringer ist die Show offenbar nach wie vor. Davon abgesehen bot diese zehnte Lanz-Ausgabe, mit der der Moderator seinen Vor-Vorgänger Wolfgang Lippert zumindest nach Anzahl der Folgen überholte, streng genommen gar nicht allzu viele wirkliche Angriffspunkte.

Es sei denn, man sucht das Haar in der Suppe oder ist wahlweise entweder mit Lanz, der Sendung oder beidem nicht einverstanden. Für diese Gruppe von Zuschauern dürfte sich zwischen Donna Leon, dem "Supertalent"-Finale und all den anderen Kanälen mit Sicherheit eine gute Alternative aufgetan haben. Dabei ist es natürlich legitim, "Wetten, dass..?" nicht gut zu finden - doch inzwischen dürfte auch beim ZDF die Einsicht gereift sein, es schlichtweg nicht jedem recht machen zu können.

Umso schöner, dass die letzte Ausgabe des Jahres über weite Strecken hinweg den Eindruck erweckte, als stelle sich so etwas wie Normalität ein. Lanz floskelte sich zwar durch den Abend und forderte seine Gäste immer und immer wieder dazu auf, es sich doch jetzt bitteschön gemütlich zu machen. Alles in allem bot er aber eine solide Leistung, die ganz sicher nicht dafür geeignet war, auch nur im Ansatz einen "Shitstorm" auszulösen. Und mit Michelle Hunziker, die eine angeblich einmalige Rückkehr als Assistentin feierte und die Show durch ein tolles Duett mit Michael Bublé eröffnete, harmonierte der Moderator deutlich besser als mit der über weite Strecken schlicht zu lauten Cindy aus Marzahn. Da stellt sich beinahe die Frage, ob eine dauerhafte Rückkehr der Hunziker womöglich nicht die schlechteste Idee wäre.

Und was passierte sonst? Große Hollywood-Stars fehlten zwar in Augsburg, doch mit Bully, Boris und Stubbe gab's trotzdem eine unterhaltsame Gästeschar, zumal Lanz und Hunziker mit dem früheren ABBA-Mitglied Björn sogar noch einen Star begrüßten, den man nicht jeden Tag in einer großen Unterhaltungsshow zu sehen bekommt. Noch dazu wussten auch die Wetten überwiegend zu überzeugen: Da war etwa ein Kandidat, der auf einer Slackline so viel Wind entfachte, dass er damit Kerzen ausblasen konnte, oder einer, der mit seinem Jetski in einem Hallenbad Rückwärtssalti machte. Die spätere Wettkönigin schaffte es, die Buchstaben einzelner Wörter innerhalb von 30 Sekunden zu zählen und alphabetisch zu sortieren.

Klingt nach einer ziemlich gewöhnlichen "Wetten, dass..?"-Sendung, sagen Sie? Stimmt. Dann können wir ja endlich wieder zur Tagesordnung zurückkehren und der "Express" und andere Boulevardmedien künftige Mini-Stürme nicht größer machen als sie sind.