Herr Yanar, Ihre neue RTL-Show wird wochenaktuell produziert. Ein ganz neues Arbeiten für Sie im Vergleich zu Ihren bisherigen Sendungen?

Jein. In den letzten Jahren habe ich bei RTL keine wochenaktuelle Produktion gehabt. Das war zwar auch spaßig, weil man konzentriert an einer Staffel arbeiten konnte, dennoch freue ich mich sehr auf den Wochenrückblick. Ganz neu ist das für mich allerdings nicht. Auch "Was guckst du?!" war wochenaktuell, auch wenn es kein Wochenrückblick in dem Sinn war. Einige Elemente wie den "Tagesguck", den Hakan moderiert hat, hatten aber durchaus einen solchen Charakter. Ich finde es sehr spannend, am Montagvormittag in die Redaktionssitzung zu gehen und nicht zu wissen, was wir am Freitag aufzeichnen werden.

Sind Sie denn ein News-Junkie?

Wenn ich morgens aufwache, wird zuerst das Smartphone begrabscht, damit ich mir das Neueste vom Neuen reinziehen kann. So gesehen bin ich jetzt froh, wieder einen Kanal zu haben, in dem ich das verarbeiten kann.

Wenn Sie die Arbeit an Ihrem Soloprogramm mit der Arbeit an einer wöchentlichen Show vergleichen – wo bekommt das Publikum eigentlich mehr Kaya Yanar?

Die Bühnenshow ist 100 Prozent Kaya, denn hier habe ich alles selbst geschrieben: Es ist mein Leben, es sind meine Erfahrungen. Das ist auch von der Humorfarbe her anders. Im aktuellen Programm erzähle von meiner Reise durch Neuseeland, Europa, China und Brasilien oder von meiner Schweizer Freundin und der Spannung zwischen einem Deutsch-Türken und einer Schweizerin. Im Wochenrückblick geht es dagegen nicht in erster Linie um meine Person. Nicht ich bin das Thema, sondern das Tages- oder Wochengeschehen. Und da arbeite ich natürlich auch mit Autoren zusammen. Wenn ich am Dienstag oder Mittwoch vor der Kamera stehe und Einspieler drehe, kann ich natürlich nicht mich hinsetzen und Gags für die Show am Freitag schreiben. Das ist in erster Linie Teamarbeit.

Sie sind kein klassischer politischer Kabarettist. Darf's in "Kayas Woche" dennoch politisch werden?

Absolut. Und es gibt ja auch genügend Themen. Kürzlich hätten wir die Twitter- und YouTube-Geschichten meines Halblandsmann Erdogan wunderbar kommentieren können. Dann kam heraus, dass das Sex-Tape seines politischen Gegners von vor  4 Jahren wahrscheinlich von ihm eingefädelt wurde. Da hatte ich einen Sketch im Kopf, in dem ich Erdogan spiele, wie er die Strippen zieht. Oder nehmen Sie den Verrückten aus Pjöngjang und die Freude über die Staatsfrisur. Da kann man die Frage stellen, wie wohl eine Staatsfrisur in Deutschland aussehen würde. Sie sehen: Es gibt genügend Material für eine solche Show.

Sie spielen durch Ihre Figuren gerne und viel mit Stereotypen und Klischees. Ist damit eigentlich unterschwellig eine politische Haltung und Aussage verbunden, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht gar nicht immer so wirkt?

In dem Moment, in dem ich auf die Bühne gehe, bin ich politisch. Dabei geht es vor allem um die Einstellung, die ich mitbringe. Es interessiert mich nicht, woher die Leute kommen. Ich will wissen, wer sie sind und was sie können. Diese Kernaussage schwingt immer mit.

Stellen Sie denn im Laufe der Jahre Veränderungen der Menschen im Umgang mit Klischees fest?

2001 war "Was guckst du?!" ein Riesenerfolg, weil es eine solche Sendung zuvor noch gar nicht gab. Es war das erste Mal, dass sich ein Deutsch-Türke selbstironisch und kritisch mit seinen eigenen Klischees auseinandersetzte. Hätte ein deutscher Comedian das zu der damaligen Zeit gemacht, dann hätte das gar nicht funktioniert. Inzwischen hat sich die Gesellschaft  geändert. Es gibt nicht nur mehr Comedians mit türkischem Migrationshintergrund, sondern auch viele Comedians aus anderen Ländern. Gleichzeitig gehen auch viele Türken mit sich selbst mit einer gewissen Selbstironie um, obwohl es ein sehr stolzes Volk ist. Das hat sich gelockert, seitdem es Ethno-Comedy gibt.

Wie steht's eigentlich um Ihre Figuren, die Sie über Jahre hinweg entwickelt und ausgereift haben? Nehmen Sie die auch in Ihre neue Sendung mit?

Mir ist aufgefallen, dass ich der einzige Comedian bin, der seine Figuren so lange pflegt. Womöglich habe ich sie auch ein Stück weit ausgereizt. Diese Frage ist durchaus berechtigt. Ich bewundere Hape Kerkeling sehr, weil er Figuren erschafft und sie dann auch wieder einstampft. Wann auch immer ich das versucht habe, beispielsweise mit Ranjid und Hakan, wurden Stimmen laut, die sie gerne wieder gesehen hätten. Die Fans scheinen die beiden Figuren also immer noch zu lieben.

Leicht machen Sie sich die Entscheidung offenbar nicht.

Ich habe lange mit mir gerungen und überlegt, ob ich sie einmotte oder nicht - und habe einen Kompromiss gefunden: Sie werden dezidiert eingesetzt. Gleichzeitig habe ich neue Figuren erschaffen, damit es nicht zum Stillstand kommt. Nichtsdestotrotz muss eine Figur wie Hakan oder Ranjid auch ein neues Format innerhalb des Wochenrückblicks haben. Wir können sie nicht zum Selbstzweck bringen. Derzeit sind wir dabei, ihnen ein neues Zuhause zu basteln.

Und im Zweifel wird bis zur letzten Minute gebastelt?

Oh ja! Mit diesem Arbeiten habe ich bereits viele meiner Kollegen verrückt gemacht, auch schon bei "Was guckst du?!". Es gab keinen Sketch oder keinen Drehtag, an dem wir keine Veränderungen vorgenommen hätten. Häufig fühlen sich Dinge nicht so lustig an wie gelesen oder aufgeschrieben. Bei Kaffeepause und Zigarette haben wir dann nach neuen Pointen gesucht. Am Set herrscht eben eine ganz andere kreative Energie als im Büro.