Herr Paulke, seit mehr als einer Woche läuft nun schon die Darts-WM. Gefühlt hat Sport1 im Vorfeld so sehr dafür getrommelt wie noch nie. Worauf ist das zurückzuführen?

Bislang war es stets ein Problem, schon zum Start der Weltmeisterschaft für große Aufmerksamkeit zu sorgen. Für die meisten Zuschauer ging die WM erst nach Weihnachten richtig los. Aus diesem Grund haben wir in diesem Jahr die „Road to Ally Pally“ gestartet, um den Fokus früher als bisher auf unsere Live-Übertragungen zu richten. Wir sind also durch halb Europa gefahren, haben die Stars der Sportart besucht und auf dieser Reise viele lustige Anekdoten gesammelt.

Ist Darts denn noch eine Randsportart?

Das ist eine gute Frage. Wenn man selbst mittendrin ist, nimmt man das alles nicht als Randsportart wahr. Natürlich kann sich Darts noch nicht mit Fußball messen, aber wenn wir bei Sport1 auf die Einschaltquoten blicken, dann sind wir in der männlichen Zielgruppe nach Fußball auf Platz zwei. Das finde ich schon bemerkenswert.

Zu Jahresbeginn haben das WM-Finale in der Spitze 1,8 Millionen Zuschauer gesehen. Wie erklären Sie sich das?

Ich glaube, dass wir inzwischen eine Größenordnung erreicht haben, wo wir nicht mehr nur Darts-Fans erwischen. Wir sammeln auch jene Zuschauer ein, die sonst gar nicht so viel mit Darts am Hut haben. Das ist eine Situation, in der wir den nächsten Schritt gehen können, weil wir über die Fan-Szene hinaus gehen. Ich bin davon überzeugt, dass da noch viele weitere Zuschauer hinzukommen werden.

Wie könnte ein solcher nächster Schritt denn aussehen?

Der ganz große Schritt kommt, wenn ein deutscher Spieler ganz vorne mitmischt. Wir hatten bislang noch nie einen Spieler, der es in die dritte Runde der Weltmeisterschaft geschafft hat. Aber wenn es einem Max Hopp einmal gelingt, ins Viertel- oder Halbfinale einzuziehen, halte ich auch Spitzenwerte von drei oder vier Millionen Zuschauern für möglich. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis wir einen deutschen Spieler haben werden, der in den Top 15 oder sogar Top 10 mitmischen wird.

Als Co-Kommentator hat Max Hopp im vorigen Jahr bereits eine sehr gute Figur gemacht. Ist da mehr mit ihm geplant?

Max ist sehr wichtig für Darts in Deutschland. Er soll sich jedoch erst mal auf sein Spiel konzentrieren. Es ist aber ist kein Geheimnis, dass wir einen sehr engen Draht zu ihm haben. Er war auch Teil unserer „Road to Ally Pally“. Wenn es geht, binden wir ihn ein – so wie kürzlich bei Stefan Raab, wo er sich wirklich glänzend geschlagen hat. Das war bestimmt kein leichter Auftritt. Für seine 19 Jahre hat er das außerordentlich souverän gemeistert.

Interessant ist allerdings, dass der Sport schon jetzt populär ist, auch wenn es bislang keine deutschen Teilnehmer gibt, die ganz vorne mitmischen. Davon können viele andere Sportarten nur träumen. Warum fiebern die deutschen Zuschauer beim Darts auch mit Engländern oder Niederländern mit?

Ganz entscheidend ist, dass die Zuschauer Teil der Show sind. Und natürlich die Wiedererkennbarkeit der Top-Spieler. Wenn du einmal Phil Taylor gesehen hast, dann weißt du, was das für ein Typ ist. Genauso verhält es sich mit Simon Whitlock oder Michael van Gerwen. Für eine kleine Sportart wie Darts ist es unglaublich wichtig, dass die Zuschauer schnell reinfinden können. Aber nochmal: Der Deutschland-Faktor wird noch kommen. Ich vergleiche das gerne mit dem „Barney-Effekt“ in den Niederlanden. Als Raymond van Barneveld in den 90er Jahren auf die Bildfläche kam, löste er dort einen regelrechten Boom aus. Bei 15 Millionen Einwohnern sahen in der Spitze acht Millionen zu – das ist vergleichbar mit einem Fußball-Länderspiel. Und warum soll das nicht ansatzweise auch bei uns möglich sein?

"Wir werden uns ganz sicher nicht vom sportlichen Aspekt verabschieden."
Sport1-Kommentator Elmar Paulke

Sehr charakteristisch für die Darts-Übertragungen ist die Stimmung, die sich wie bei kaum einer anderen Sportart nach Hause transportieren lässt. Muss man sich da manchmal als Kommentator am Riemen reißen, um den Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Party zu wahren?

Wenn das Spiel gut ist, fällt es mir überhaupt nicht schwer, mich auf das Spiel zu konzentrieren. Ich kommentiere ja auch Tennis, wo eine derartige „Karnevals-Stimmung“ überhaupt nicht stattfindet. Daher genieße ich es jedes Mal aufs Neue, wenn ich beim Darts bin mit all den aufgedrehten Fans und ihren verrückten Verkleidungen. Ich mag diesen Mix von Sport und Unterhaltung. Das bietet die Möglichkeit, selbst mal etwas flapsiger zu werden, wenn das Match denn gerade mal eher unspektakulär verläuft. Wir werden uns aber ganz sicher nicht vom sportlichen Aspekt verabschieden. Und davon abgesehen: Wenn ein Spieler fünf perfekte Darts in Folge geworfen hat, dann wird es in der Halle auf einen Schlag mucksmäuschenstill, da sind alle bei der Sache.

Dennoch ist es ja nicht ganz gewöhnlich, sich für Darts zu interessieren. Wie kam Ihre Verbindung zum Darts zustande?

Das war reiner Zufall. Wir hatten 2005 ein Rechtepaket eingekauft, das auch Snooker, Billard und Darts umfasste. Als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen kann, das zu kommentieren, war ich zunächst überrascht, weil ich die großartigen Übertragungen der Sky-Kollegen in England gar nicht kannte. Ich bin daraufhin zu einem Bundesliga-Spieltag gefahren und letztlich hängen geblieben, weil ich gar nicht verstehen konnte, wie die alle so begeistert davon sein konnten. Wenn da einer die 180 wirft, wird gejubelt wie wenn beim Fußball in der 88. Minute das 2:1 geschossen wird. Mein Ziel war es herauszufinden, woher die Faszination kommt. Auf diese Weise bin ich da allmählich reingewachsen und moderiere inzwischen auch viele Darts-Veranstaltungen.

Bei Sport1 werden Sie diesmal mehr als 90 Stunden kommentieren. Keine Angst, dass Ihnen irgendwann nichts mehr einfällt?

Diese Sorge hatte ich bei meiner ersten WM. Damals hatten wir etwas mehr als 40 Stunden live gesendet und ich fragte mich ernsthaft, was um Himmels willen man über einen so langen Zeitraum hinweg über Darts erzählen kann. Inzwischen ist meine größte Sorge, dass die Stimme weg bleibt. Ich hoffe aber, dass ausreichend Ingwer-Tee Schlimmeres verhindern kann.

Besteht angesichts des zunehmenden Hypes Ihrerseits die Sorge, dass irgendwann auch mal andere Sender als Sport1 Interesse an Darts zeigen könnten?

Natürlich ist das so. Wir kommen inzwischen immer häufiger in Quoten-Bereiche, die auch für etwas größere Sender von Interesse sind. Das große Plus von Sport1 ist allerdings, dass wir auch abseits der WM jede Menge Darts übertragen und auch über unsere Online-, Mobile-, Radio- und Social-Media-Kanäle das ganze Jahr über umfangreich über die Sportart berichten. Die großen Sender würden sich vermutlich nur auf die WM oder gar deren Schlussphase konzentrieren. Da wissen die Veranstalter schon sehr gut, was sie an Sport1 haben.

Herr Paulke, vielen Dank für das Gespräch.