"Sei vorbereitet", spricht sich der junge MacGyver in den ersten Minuten seiner Neuauflage Mut zu, kurz bevor er sich einem seiner Fälle widmet. Rückblickend empfiehlt sich dieser Fingerzeig jedoch auch als mahnende Warnung an den Zuschauer, der sich gerade gemütlich auf der Couch eingemurmelt hat, um clevere Action zu sehen, oder einfach nur seine Nostalgie aufleben lassen wollte. Denn was war "MacGyver" in den 80ern nicht für eine Fernsehgröße – in 139 Folgen hat er selbst aus einer Büroklammer, einem Bleistift und einem Gummiband explosive Waffen und jederzeit funktionierendes Werkzeug gebastelt. Seit jeher war ihm eine Legendenbildung – mit der direkten Platzierung hinter Chuck Norris – sicher.

Könnten Sie sich jedoch jemanden vorstellen, der in eine junge Version von Chuck Norris schlüpft und seinen Status nicht beschmutzt? Gleiches Problem gilt bei Richard Dean Andersons Alter Ego Angus MacGyver. Anderson verkörperte als MacGyver zudem nicht nur eine Serienfigur, sondern auch eine Ära. Eine Ära, in der das Actionfernsehen durch ihn, "Das A-Team", "Magnum", "Ein Colt für alle Fälle" und Co. ein Gesicht bekommen hat, das zum 80er-Jahre-Gefühl dazugehört. Ihn aus diesem Bild herauszureissen klingt schon im Vornherein töricht. Konnte das Netflix-Kunststück "Stranger Things" zwar überragend beweisen, dass nicht jeder Versuch, mit dem Nostalgie-Gefühl des Zuschauers zu spielen, scheitern muss, ist "MacGyver" ein Paradebeispiel für das absolute Gegenteil.

Die CBS-Serie zeigt bereits in den ersten Minuten, dass keine eigene Kreativität dahinter steckt: Wie es bei so vielen Action-Formaten der Fall ist, wird der Zuschauer auch hier direkt in eine Mission geworfen, die MacGyvers Talente verdeutlichen sollen. Viel mehr als das wird aber vor allem ganz laut "Hey, guck mal, wir sind wie das Original!" geschrien: "MacGyver" muss sofort deutlich machen, dass sein Protagonist keine Waffen benötigt, die kitschigen Voice-Over auf keinen Fall fehlen ("Wenn ich eine Waffe brauche, dann mache ich mir eine") und das egal was passiert, er niemals in Verzweiflung gerät. Natürlich kann und muss man all das deutlich machen, aber doch bitte nicht in fünf gequetschte Minuten. Falls man also den Serientitel "MacGyver" überlesen hat, wird einem in der ersten Folge sehr explizit und oft erklärt, von wem diese Geschichte eigentlich handelt. Möglicherweise mit der Hoffnung, damit vor allem die älteren Fans zu catchen, die sich dann ganz hypnotisiert einreden, dass das wirklich Angus MacGyver ist, und man ihn sich unbedingt anschauen möchte. 

MacGyver© ABC / CBS

Auf der anderen Seite wurde natürlich versucht, das junge Publikum abzugreifen. Der neue MacGyver wird von Lucas Till ("X-Men Apocalypse") als durchtrainierter Nerd eingeführt und obwohl er rein optisch Andersons Sohn sein könnte, wird leider schnell deutlich, dass er noch einen langen Weg zu gehen hat, bis er auch in dessen Fußstapfen treten kann. So löblich auch der Ansatz ist, das Original nicht zu 100 Prozent kopieren und etwas Frische reinbringen zu wollen, funktioniert das hier einfach nicht. MacGyver war schon immer ein Springbrunnen des Wissens, der mit all seiner Welterfahrung immer mal wieder einen nützlichen Rat abgeben konnte. Till und sein Babyface machen es einem aber nur schwer glaubhaft, dass er ein Elite-Agent mit jahrelanger Erfahrung ist, der in jeder Situation exakt weiss, was zu tun ist.

An die Schmerzgrenze geht es aber, wenn man auf MacGyvers vemeindlich hoch kompetentes Team blickt. Jack Dalton (George Eads, "CSI: Vegas"), das muskelbepackte zweite paar Augen MacGyvers, sorgt alleine schon dafür, dass man sich als Zuschauer entweder a) fragt, ob die Neuauflage keine bewusste Parodie ist oder b) ob man sich selbst nicht auch für eine der geheimsten Organisationen der Welt bewerben sollte, da es scheinbar nicht allzu schwer ist, dort Sidekick für einen Profi-Agenten zu werden. Ewig lang an einem Steg zu warten, wo man das Fluchtboot für eine Mission bereit machen soll, nur um kurz darauf vollkommen überrascht davon zu sein, dass MacGyver plötzlich angerannt kommt, der – man glaubt es kaum – flüchten möchte, ja, das kriege ich auch noch hin. Zu vergessen, die unmittelbar daneben stehenden Boote, die die Bösewichte zur Verfolgung nutzen könnten, vorher nicht schon außer Gefecht zu setzen, traue ich mir obendrein auch noch zu. Dieser Ansturm von Blödheit tut "MacGyver" absolut nicht gut.

Das konsequente niedrig halten des IQ-Anspruches wurde aber immer wieder deutlich: Damit auch wirklich jeder kapiert, was vor sich geht, wenn MacGyver zum Basteln über geht, wurden Gegenstände wie "Kleber" und "Draht" mit herumschwebenden Buchstaben beschrieben. Erstens, kommt man sich extrem dumm vor, wenn einem erklärt werden muss, wie ein Draht aussieht und zweitens hätte man mit diesem kleinen Feature wunderbar erklären können, was MacGyver da gerade genau macht, um aus drei harmlosen Dingen eine multifunktionale Fernbedienung herzustellen. Sein Innenleben bleibt bis auf schmierige Voice-Over jedoch verborgen und der Zuschauer kann deswegen kaum etwas wertvolles mit aus den Szenen herausnehmen.

Empfohlener externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Youtube, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Etwas punkten kann "MacGyver" mit der Action. Zwar sind auch die Explosionen wie von vorvorgestern und bei manchen Unfällen würde ich gerne mal die "Mythbusters" zu Rate ziehen, doch können sich die Choreografien wirklich sehen lassen. Das dürfte nicht zuletzt an dem ausführenden Produzenten James Wan liegen, der in der Pilotepisode zudem auf dem Regie-Stuhl Platz nahm. Wer "Furious 7" gesehen hat weiß, dass er Action kann. Hier kommt auch Tills größte Stärke zum Einsatz: Durch seinen athletischen Körper laufen die meisten Stunts sehr geschmeidig ab und selbst die Ambition, ein startendes Flugzeug stoppen zu wollen, nimmt man ihm entgegenfiebernd ab. Das würde man aber auch bei Steven Segal tun und mir kommt kein Film von ihm in den Kopf, den ich weiterempfehlen würde.

Im Großen und Ganzen bleibt es also ein Trauerspiel des modernen Fernsehens und zeigt genau die Schattenseite, von der Serienmacher abschwören sollten: Uninspirierte 1:1 Kopien vergangener Klassiker, die einst mit freudigen Gedanken zur Ruhe gelegt wurden. "MacGyver" ist und bleibt ein intelligentes Konzept, das hier jedoch einfach dermaßen zusammengestaucht und mit dämlichen Details ergänzt wurde, dass jeder Hoffnungsschimmer im Nu erstickt wird. Ach, nicht nur erstickt. Es wird auf sie eingetreten, bis auch dem Letzten klar wird: Den alten Meistertüftler zu ersetzen war nie möglich und auch wenn diese Serie seinen Namen trägt, ist das alles eine ganz traurige Karikatur. 

"MacGyver" läuft seit dem 23. September auf CBS und ist ebenfalls über iTunes verfügbar