"Kochshows gibt es zuhauf im Fernsehen. Um Interesse zu wecken, muss das Genre mit Innovationen überzeugen", sagt Sven Steffensmeier. Er ist Executive Producer bei Endemol Shine Germany und hat selbst nie eine Kochshow gemacht – bis "Kitchen Impossible" kam. Das Format entwickelte sich im vorigen Jahr zum Überraschungs-Hit für Vox und ist gerade erst für den Grimme- und Fernsehpreis nominiert worden, auch weil es hier tatsächlich anders zugeht als in all den anderen Sendungen, in denen Köche vor laufender Kamera brutzeln. Wenn sich Tim Mälzer mit Spitzenköchen irgendwo in Deutschland und der Welt ein Duell liefert, dann ist das temporeich und nicht selten schmutzig.

Vor allem aber offenbart "Kitchen Impossible" über drei Stunden hinweg eine erstaunliche Abwechslung. "'Kitchen Impossible' ist Reality-TV, Show-Duell und interkulturelle Reportage zugleich – meilenweit von einer klassischen Kochshow entfernt", sagt Steffensmeier. "Es geht um Reiseerlebnisse, Menschen und ihr Verhältnis zum Essen. Wir verbinden kulinarische Spezialitäten mit einem unaufgeregten Nebenbei-Blick auf Land und Leute." Die Vorstellung der Charaktere könne dabei durchaus auch mal szenisch sein. Aber sobald die Box auf dem Tisch steht, dreht sich alles um die Aufgabe, die die Köche oft fernab der Heimat zu bewältigen haben. "Ab hier drehen wir rein dokumentarisch, beobachtend", erzählt der Produzent.

Sven Steffensmeier und Tim Mälzer© privat
In besagter Box befindet sich das Gericht, das es nachzukochen gilt. Und das ist oft schwieriger als man denkt. Zu sehen bekommt das Publikum fast immer zwei Meister am Herd, denen der Schweiß auf die Stirn geschrieben ist. "Gestandene Köche stoßen an Grenzen und entdecken unbekannte kulinarische Welten bei Blutwurst und Paella", beschreibt Sven Steffensmeier (Foto, links) das ungewöhnliche Konzept, das authentisch und emotional daherkommt und nicht selten für einen echten Seelenstriptease vor der Kamera sorgt. Und dann ist da eben auch noch das Gefühl der Schadenfreude, wie Steffensmeier betont. "Der sternegekrönte Superkoch kapituliert vor einer banalen Frikadelle." Das kratzt am Selbstbewusstsein, weil sowohl Mälzer als auch seine Herausforderer einen unbedingten Siegeswillen an den Tag legen.

"'Kitchen Impossible' ist ein kulinarischer Egotrip mit triebhaften Zügen", weiß Steffensmeier, der gerade die zweite Staffel fertiggestellt hat. Das dickste Ego von allen besitzt Tim Mälzer – obwohl oder vielleicht gerade weil er nicht mit einem Stern prämiert wurde. Dass er in früheren Folgen dennoch regelmäßig gewann, hat aus Sicht des Produzenten einen guten Grund: "Viele Sterneköche und Gegner von Tim tendieren aufgrund ihrer technischen Versiertheit dazu, die Gerichte besser kochen zu wollen und ihre eigene Handschrift einzubringen. Neben allen Schwierigkeiten, in die wir sie bringen, machen es sich Tims Gegner dadurch häufig selbst noch schwerer." Die Sendung lebe letztlich sehr von der Emotionalität der Gerichte, sagt Steffensmeier. "Und niemand kann eine Emotionalität so gut kopieren wie Tim."

Kitchen Impossible© Vox / PA / Christian Hager

Der mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete Koch Hans Neuner duelliert sich mit Tim Mälzer

Schon nach der Pilotfolge, die Ende 2014 mit ziemlich bescheidenen Quoten ausgestrahlt wurde, war den Machern klar, dass Mälzer die Sendung beinahe im Alleingang tragen kann. Sven Steffensmeier von Endemol Shine nennt ihn gerne den "Rocky Balboa des Kochfernsehens". Ein naheliegender Vergleich, schließlich ist dieser Mälzer ein echter Wettkampftyp. "Er hat tatsächlich keine Sekunde Angst zu scheitern. Das macht Tim so besonders und wichtig für dieses Format." Dennoch geht Vox jetzt das Risiko ein, einige Folgen ohne Mälzer zu senden. Das ist jedoch eher aus der Not heraus geboren, weil der Koch aus Hamburg zuletzt aus verschiedenen Gründen weniger Zeit hatte - neues Buch, neues Restaurant, der Dreh für das wenig erfolgreiche Sat.1-Format "Karawane der Köche".

"Es sind keine Pfeifen dabei"
Sven Steffensmeier, Executive Producer bei Endemol Shine Germany

Einen Mangel an starken Charakteren und Gegnern für Mälzer gibt es indes nicht, sagt der Executive Producer von "Kitchen Impossible". Es bestehe allenfalls ein Mangel an starken Frauen, was jedoch auf die von Männern dominierte Kochszene zurückzuführen ist. Tatsächlich funktioniert die Show selbst dann, wenn die gegnerischen Köche eher unbekannt sind. "Allerdings nur dann, wenn die beiden Protagonisten auch entsprechend als Gegenpole wahrgenommen werden", schränkt Steffensmeier ein. Gesucht werden Charakterköpfe – wer dieses Kriterium nicht erfüllt, wird niemals die Chance erhalten, sich dem kulinarischen Wettstreit zu stellen. "Es sind keine Pfeifen dabei", erzählt er. "Aber der Cast ist auch streitbar. Die Hälfte der Leute mag zum Beispiel einen Tim Mälzer und einen Tim Raue, die andere Hälfte kann die beiden nicht ausstehen und erfreut sich an deren Scheitern."

So gesehen erinnert "Kitchen Impossible" ein Stück weit an "Schlag den Raab", schließlich war auch TV-Rentner Stefan Raab einst kein uneingeschränkter Publikumsliebling. Ihn, das Großmaul, leiden und verlieren zu sehen, war ganz sicher ein Grund dafür, warum die Show bis zum Schluss so viele Zuschauer erreichte. Dass Vox die Köche – auch verbal – ungeschönt und ohne Make-up zeigt, führt die Macher von "Kitchen Impossible" mitunter jedoch an ihre Grenzen. "Da überlegen wir schon manchmal, einen Piep draufzulegen", räumt Executive Producer Sven Steffensmeier ein. Doch das würde letztlich viel an Authentizität kosten. "Die Sprache in der Küche ist eben direkt, rau und laut." Dieses Unangepasste schien das Fernsehen zwischenzeitlich etwas verlernt zu haben. Umso schöner, wenn die glattgebügelten Typen mal für ein paar Stunden Sendepause haben.

"Kitchen Impossible", sonntags um 20:15 Uhr bei Vox