An Ehrgeiz mangelt es ihr nicht, als Zarah Wolf in die Redaktion des Wochenmagazins „Relevant“ rauscht, um dort als neue Stellvertreterchefin – wie sie glaubt – das Kommando zu übernehmen. Falsch geglaubt: Die Neue wird ignoriert und belächelt, in den Kettenrauchkonferenzen haben die Herren das Sagen, die Damen machen gefälligst Raststättentests, die Ablage und kriegen einen Klaps aufs Popöchen – „wenn Sie uns bitte entschuldigen mögen, wir sprechen hier gerade über Politik“.

Doch die Wolf entschuldigt nicht, sondern bringt den männerdominierten Laden kräftig durcheinander, indem sie blanke Busen auf dem Titel verhindert und Themen der Frauenbewegung ins Heft prügelt.

Den Selbstüberzeugungsrausch hat sie mit der Serie gemeinsam, für die sie erfunden wurde: Die Bantry-Bay-Produktion „Zarah – Wilde Jahre“ erzählt in sechs Folgen vom Emanzipationskampf der Frauen im Deutschland der 70er Jahre, eignebettet in Alltag und Chaos einer wöchentlich erscheinenden Illustrierten. Und man kann sich nur zu gut vorstellen, wie oft im Pitch gegenüber Sender das Versprechen gefallen sein muss, ein deutsches „Mad Men“ zu produzieren – nur noch viel fortschrittlicher, in der „Mad Women“-Variante!

Entsprechend großkotzig legt die Produktion auch los: „Never met a mess I couldn’t handle“, tönt der Vorspann, in dem ein in Zeitlupe fliegender Lippenstift als Geschoss eine Schreibmaschine, ein Longdrinkglas und eine Zigarre (als Symbole der Männerdomäne?) sprengt, bevor die Wolf ihn geheimagentenmäßig in die Kamera blickend entsichert, Pardon: einrollt.

Das ist einerseits ganz furchtbar albern und peinlich, vor allem, weil „Zarah“ mit seiner äußerst deutschen, maximal unsubtilen Erzählweise ganz gewiss keinem (selbst provozierten) „Mad Men“-Vergleich stand hielte.

Und andererseits vermutlich das Beste, was der Serie passieren konnte. Weil sie wie ihre Hauptprotagonistin mit einem Chuzpe auftritt, die man aus dem deutschen Fernsehen überhaupt nicht mehr gewöhnt ist, und selbstbewusst signalisiert: Hier bin ich, deal with it!

Zarah – Wilde Jahre© ZDF/Georges Pauly

Dass kann freilich auch nicht darüber hinweg täuschen, dass „Zarah“ immer wieder Gefahr läuft, in ein übermäßig plakatives Kotelettentheater abzurutschen, und dabei demonstrativ stolz ist auf die explizite Wortwahl, die das ZDF den Autoren hat durchgehen lassen. Vor allem aber droht sich die Serie an der selbst gestellten Aufgabe zu verheben: Alles, wirklich alles, was das Jahrzehnt hergibt, wird in eher dünne Hintergrundgeschichtchen gestopft. Zur Abschaffung des Paragraphen 218 kommt die Rebellion der jungen Generation gegen die Vergangenheit der Nazi-Eltern, und ehe man sich versieht, hat nach den ersten 45 Minuten auch schon jemand „Baader-Meinhof“ gesagt.

Trotzdem war ich da als Zuschauer schon längst bereit, der Serie diese Überambition zu verzeihen. Nicht, weil sich die gestandenen Journalisten mit der Zeit (vorhersehbar) allesamt als Trinker, Zweifler, Zerrissene entpuppen – jeder Redakteur nur einen persönlichen Abgrund, bitte! Sondern weil „Zarah“ sich im Laufe der Serie tatsächlich Zeit für Zarah (überzeugend gespielt von Claudia Eisinger) nimmt, sie handeln und scheitern lässt, ihr den Triumph gönnt, und sie auf dem Höhepunkt bricht.

Dass dazu ein Best-of-Soundtrack aus den Sechzigern und Siebzigern laufen muss: geschenkt. „This is the end“, singen die Doors zur (vermeintlichen) Vertragsauflösung. Und Aretha Franklin, als das Blatt sich wendet: „All I’m asking is for a little respect“. Kannste haben, kannste haben.

Im Fernsehen läuft „Zarah“ ab Anfang September donnerstags im Doppelpack mit einer zweiten neuen ZDF-Serie, die kein Krimi ist – was eigentlich schon eine Sensation für sich wäre. Schwierig zu sagen ist hingegen, ob diese Programmierung so ziemlich das Dümmste ist, was den Planern in Mainz einfallen konnte. Oder die mutigste Entscheidung seit langem.

Denn „Das Pubertier – Die Serie“ hat außer dem Sendeplatzsharing so überhaupt gar nichts mit seinem Neustartnachfolger gemein. Außer vielleicht der starken Frauenfigur – mit zwanzig Jahren Altersunterschied.

Das Pubertier - Die Serie© ZDF/Britta Krehl

„ICH! BIN! KEIN! KIND! MEHR!“, brüllt die 13-jährige Clara (Mia Kasalo) ihren Vater Jan (Pasquale Aleardi) an, weil der sich wagt, sämtliche Warnschilder missachtend ihre Wohnhöhle zu betreten oder auf die Einhaltung des Pfandflaschenwegbringvertrags zu pochen, bloß um sich die Ansage einzufangen: „Mann, du bist die Pest!“ Ist er natürlich nicht, sondern ein liebender Vater, der halt die Welt nicht mehr versteht, seitdem die Kinder sich nicht mehr von ihm in den Schlaf lesen lassen wollen, sondern wild herumpubertieren, während die Oma und Opa gerade mitten in der Scheidung stecken und der Hausbau mit der cholerischen Architektenschwester nicht vorangeht.

Als Buch (von Autor Jan Weiler) und Kinofilm hat das schon ganz hervorragend funktioniert. Jetzt setzt das ZDF noch die Serienvariante obendrauf, die sich große Mühe gibt, ganz flott und ironisch zu sein, dabei in ihrer ganzen UFA-Fictionhaftigkeit aber vor allem größtmögliche Harmlosigkeit demonstriert.

In der Mediathek stört das nicht weiter, am Vorabend würde es vielleicht sogar ganz gut passen. Um viertel nach acht dürfte die Zahnspangenoper aber eher deplatziert wirken. Vor allem, weil „Zarah“ danach einen grundlegend anderen Tonfall hat und eine andere Zielgruppe bedient.

Bis zum bitteren Ende, wenn auch der dümmste Zuschauer Bescheid weiß, wird das Schwangerschafts-Missverständnis der ersten „Pubertier“-Folge ausgewalzt; am Ende jeder Episode gibt’s eine aus dem Off gesprochene Besinnungs-Bilanz, die eigentlich „Doctor’s Diary“ mit sich ins Grab genommen haben sollte; zu Erinnerungssequenzen läuft schmusig Coldplay; und der hauptberuflich kolumnenschreibende Vati geht einem schon ziemlich bald gehörig auf die Nerven mit seiner selbstmitleidigen Spießigkeit: „Ich bin nicht der Typ für Veränderungen, aber ständig verändert sich alles!“

Ja, so geht’s dem deutschen Fernsehen auch immer. Deal with it!

In der ZDF-Mediathek sind die ersten Episoden von „Das Pubertier – Die Serie“ und „Zarah – Wilde Jahre“ ab sofort bereits zu sehen. Im ZDF-Programm laufen die Serien ab 7. September donnerstags um 20:15 bzw. 21:00 Uhr.