Eigentlich hätte der Bayerische Rundfunk schon im vergangenen Jahr seine junge Radiowelle Puls über die bislang von BR-Klassik genutzten UKW-Frequenzen verbreiten wollen, um so ein größeres Publikum zu erreichen. BR-Klassik hingegen sollte im Umkehrschluss komplett ins Digitalradio wechseln, was man sich in München mit der Tatsache schönredete, dass dort die Tonqualität ohnehin besser sei, was im klassischen Bereich um so wichtiger sei. Der Tausch sei "nötig, um den drohenden Generationenabriss für die Hörfunk-Programme des BR zu verhindern", begründete der BR den Schritt stets.

Nach massiver Kritik und Klagen von Seiten der privaten Konkurrenz verschob der BR die Umstellung aber zunächst um zwei Jahre. Zwar sollte Puls werbefrei bleiben und auch nicht auf Mainstream-Musik setzen, doch die Privatsender befürchteten trotzdem massive Hörerverluste. Eine Studie im Auftrag der Vereinigung Bayerischer Rundfunkanbieter ergab kürzlich einen Umsatzrückgang um fast 50 Prozent bis 2022, den man u.a. mit dem Wechsel von Puls auf UKW begründete.

Die Lobbyarbeit zeigt nun tatsächlich Früchte: Nachdem BR-Intendant Ulrich Wilhelm kürzlich bereits erkennen ließ, dass der Frequenz-Tausch noch nicht in Stein gemeiselt sei, bläst man ihn nun komplett ab. Dies geschehe vor dem Hintergrund der Erfolge beim Ausbau des Digitalradios. BR-Intendant Ulrich Wilhelm sagte vor dem BR-Rundfunkrat: "Durch große eigene Anstrengungen ist es uns gelungen, die Rahmenbedingungen im Vergleich zu 2014 nachhaltig zu verändern. Wir haben unsere Ziele – die jungen Menschen vermehrt anzusprechen und eine flächendeckende DAB+-Versorgung herzustellen – erreicht. Diese neue Situation ermöglicht uns nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente eine Entscheidung im Sinne eines guten Miteinanders mit den privaten Radioanbietern und den Verlegern."

Neben der gestiegenen Verbreitung von DAB+ verweist der BR auch darauf, dass es gelungen sei, mit Bayern 3 durch die Neuausrichtung der Wellen bei den 20- bis 29-Jährigen die Marktführung zu erringen. Zudem veweist man auf "funk", womit es ebenfalls gelinge, ein jüngeres Publikum zu erreichen, was den drohenden "Generationenabris" verhindere.

Darüber hinaus sei auch Puls selbst eine starke Marke im Netz. Im klassischen Ausspielweg „Radio“ sowie im linearen Fernsehen dagegen bleibe das junge Programm bisher schwach und müsse auch aus heutiger Sicht "popularisiert" werden. Die jetzige Entscheidung sehe der Bayerische Rundfunk nach einer jahrelangen Auseinandersetzung um den geplanten Frequenztausch daher auch "als bewussten Schritt auf die privaten Radiobetreiber und Verlage in Bayern zu." "Der BR will in der Verantwortungsgemeinschaft der Medien in Bayern seinen Beitrag zu einem guten Klima im dualen System leisten. In der aktuell aufgeheizten Debatte möchte ich bewusst ein Signal der Kooperation setzen, für den Standort Bayern und darüber hinaus."

Matthias Fack, Vorsitzender des Programmausschusses im BR-Rundfunkrat erklärt: "Wir haben uns 2014 gegen viele Widerstände für den Umstieg eingesetzt und eine große Mehrheit dafür gewinnen können. Die damaligen Voraussetzungen haben sich inzwischen grundlegend geändert. Der BR hat es in den letzten Jahren geschafft, junge Menschen durch einen geänderten Kanal-Mix mit einem attraktiven Programm zu erreichen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf nicht nachlassen, sein Angebot auf ein jüngeres Publikum auszurichten."

Lorenz Wolf, Vorsitzender des BR-Rundfunkrats: "Der Rundfunkrat unterstützt den Intendanten in seiner Entscheidung, den Wellentausch nicht durchzuführen. Zugleich hält er die ursprüngliche Entscheidung für richtig, die die Voraussetzung dafür bildete, die Veränderung des Programms in Richtung Jugend entscheidend voranzubringen."